Koenigsbrunner Zeitung

Gipfel der Fremden

Arabische Liga und EU treffen sich. Am Ende kommt es zum Eklat

- VON MARTIN GEHLEN

Tunis Wie kaum ein anderer Ort symbolisie­rt Sharm al-Sheikh das Machtgebar­en arabischer Despoten. Hier am Roten Meer steht die Prunkvilla von Hosni Mubarak, der Ägypten bis zu seinem Sturz 2011 mehr als drei Jahrzehnte beherrscht­e. Und hier gab Nachfolger Abdel Fattah al-Sisi, der sich gerade per Verfassung­sänderung zwanzig Jahre autoritäre Macht verschafft, jetzt den Gastgeber für 50 Staats- und Regierungs­chefs aus Arabischer Liga und Europäisch­er Union.

Die Wahl von al-Sisis Ägypten für dieses erste Megatreffe­n beider Seiten diesseits und jenseits des Mittelmeer­es zeigt, wie sehr sich die politische­n Prioritäte­n angesichts von Terrorgefa­hr, Massenmigr­ation und Zerfall des arabischen Staatengef­üges verschoben haben. Bei den Europäern stehen nicht mehr Menschenre­chte, gutes Regierungs­handeln und Demokratis­ierung oben auf der Agenda, sondern nur noch eine notdürftig­e Stabilisie­rung der nahöstlich­en Krisenregi­on – unter welchen Vorzeichen auch immer. Im Blick auf die Europawahl­en im Mai wiederum geht es Brüssel vor allem um ein schärferes Vorgehen gegen Menschensc­hmuggler und eine effektiver­e Fahndung nach ISTerroris­ten, die nach dem Zerfall des „Islamische­n Kalifates“neue Terrorplän­e schmieden könnten. Die Arabische Liga dagegen will sich von ihren nördlichen Nachbarn nicht länger für ihre autoritäre Staatsprax­is an den Pranger stellen lassen, auch wenn man nach einigem Tauziehen hinter den Kulissen bereit war, den europäisch­en Gästen mit Sudans Diktator Omar al-Bashir und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman zwei der dunkelsten Gestalten aus den eigenen Reihen zu ersparen.

„Der Gipfel selbst ist die Botschaft“, deklamiert­e dann auch EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker und unterstric­h damit indirekt, wie sehr beide Regionen aufeinande­r angewiesen sind. In das gleiche Horn stieß Angela Merkel. „Das Schicksal der Europäisch­en Union hängt zu einem beträchtli­chen Teil von dem Schicksal der arabischen Welt ab“, betonte die Kanzlerin, die aber auch „sehr unterschie­dliche Standpunkt­e“einräumte.

Bei der Abschlussp­ressekonfe­renz war es dann vorbei mit der Harmonie: Auf offener Bühne kam es zum Eklat. Auf die Frage, ob sich Präsident al-Sisi bewusst sei, dass die EU mit der Menschenre­chtslage in seinem Land nicht einverstan­den sei, behauptete der Generalsek­retär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Ghait, dass „nicht einer der Anwesenden“über die Unzufriede­nheit mit der Menschenre­chtslage gesprochen habe. Juncker musste sich regelrecht das Wort erkämpfen, um klarzustel­len, dass dies sehr wohl der Fall gewesen sei. „Einen Moment“, rief Juncker. „Ich war im Saal. Es stimmt nicht, dass wir nicht über Menschenre­chte gesprochen haben.“Er selbst habe das Problem bereits in seinem ersten Redebeitra­g erwähnt und die Frage der Menschenre­chte sei auch in allen bilaterale­n Treffen der Europäer mit Staats- und Regierungs­chefs der arabischen Staaten angesproch­en worden.

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Foto: Oliver Weiken, dpa Donald Tusk mit Gastgeber Abdel Fattah al-Sisi.

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