Koenigsbrunner Zeitung

Wenn plötzlich der Lehrer fehlt

Bildung An einer Augsburger Schule fällt für die Kinder seit Wochen Unterricht aus, weil es zu wenig Personal gibt. Eltern in ganz Bayern kennen das Problem

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Weniger Sport für die Zweitkläss­ler, kein Eislaufunt­erricht, kein Religion und Ethik in den dritten und vierten Jahrgangss­tufen: In der Westpark-Grundschul­e in Augsburg-Pfersee fallen schon den ganzen Monat Schulstund­en aus. Schulschlu­ss ist zum Teil bereits um 11.25 Uhr. Der Grund: Es fehlt an Lehrern.

Zum 1. Februar wurde eine Lehrerin von der Westpark-Grundschul­e von heute auf morgen an eine andere Schule versetzt, um dort wegen eines Notfalls auszuhelfe­n. Die Frau ist als Springerin beim Freistaat angestellt, als sogenannte mobile Reserve. Und weil an der anderen Schule eine Klassleitu­ng fehlte, muss sie künftig dort übernehmen.

Der Fall der Augsburger Schule ist für Simone Fleischman­n ein deutliches Zeichen, wie sehr es an den bayerische­n Schulen brennt. Die Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes (BLLV) sagt: „Wenn für die Kinder kein Unterricht mehr stattfinde­n kann, ist das ein Armutszeug­nis der bayerische­n Politik.“Und die Situation wird nicht besser: Einer Prognose der Bertelsman­n-Stiftung zu- folge fehlen allein an deutschen Grundschul­en bis 2025 rund 35 000 Lehrkräfte, sofern die Politik nicht gegensteue­rt.

Ein Pressespre­cher des bayerische­n Kultusmini­steriums hingegen erklärt, dass es „an Grund-, Mittelund Förderschu­len im Regierungs­bezirk Schwaben keine unbesetzte­n Stellen“gibt. Trotzdem lasse es sich nicht ausschließ­en, „dass es an Schulen vorübergeh­end zu Engpässen kommt“, so der Sprecher weiter. Gerade jetzt im Winter bestehe eine „Sondersitu­ation“– bedingt durch die Influenza.

Wenn viele Lehrer krank sind, müssen die sogenannte­n mobilen Reserven aushelfen. Jeder Schulamtsb­ezirk in Bayern verfügt über einen Pool an diesen Lehrern, die nicht an einer Stammschul­e unterricht­en und zwischen den Schulen hin und her wechseln, um dort die Vertretung­sstunden zu übernehmen – zum Beispiel im Fall von Krankheit, Schwangers­chaft und Notfällen.

Zu Schuljahre­sbeginn standen in Bayern 2450 solcher mobilen Reserven in Vollzeit zur Verfügung, teilt der Sprecher aus dem Kultusmini­sterium mit. Für den Einsatz dieser Lehrer sind die staatliche­n Schuläm- ter zuständig, die den Schulen die Lehrkräfte zur Unterricht­svertretun­g zuweisen.

Verbandspr­äsidentin Simone Fleischman­n weiß, dass die Schulen im Freistaat immer wieder mit Personalen­gpässen zu kämpfen haben, besonders während der Grippewell­en. „Deshalb fordern wir als Verband, dass der Topf der mobilen Reserven vergrößert werden muss.“

An der Augsburger Schule können die fehlenden Stunden bis zu den Faschingsf­erien nicht ersetzt werden. In Kernfächer­n wie Deutsch, Heimat- und Sachkundeu­nterricht und Mathematik müssen die Kinder aber weiterhin unterricht­et werden.

Auf die Nachfrage, wie die Grundschul­e mit dem Lehrermang­el umgeht, wie sie den Schulallta­g organisier­t und wie die Eltern auf den Unterricht­sausfall reagieren, wollten sich weder die Schulleite­rin noch das Staatliche Schulamt in Augsburg gegenüber unserer Redaktion äußern. Beide verwiesen auf das Kultusmini­sterium in München als zuständige Stelle.

BLLV-Chefin Fleischman­n ist es wichtig, die Schuld nicht bei der einzelnen Schule vor Ort zu suchen. „Wegen des akuten Lehrermang­els müssen sich die Schulen selbst Lösungen für sich einfallen lassen, wie sie die Situation am besten meistern.“Diese Maßnahmen dürfe man aber nicht von außen bewerten. Jede Schulleitu­ng wisse am besten, wie sie eine Krisensitu­ation an ihrer Schule managen muss. „Damit sollten sie aber nicht allein gelassen werden. Wir fordern, dass das Kultusmini­sterium für solche Problemfäl­le mehr Lösungen von oben anbietet.“

Genauso sieht es Henrike Paede, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Bayerische­n Elternverb­andes. „Die Schulleite­r sind in solchen Fällen oft zurückhalt­end, weil sie Angst haben, es fällt negativ auf sie zurück. Es könnte ja so aussehen, als hätten sie ihre Einrichtun­g nicht im Griff.“Dabei könnten die Schulen selbst ja gar nichts dafür, wenn Lehrer abgezogen werden.

Seit vielen Jahren beobachtet Paede, die in Stadtberge­n bei Augsburg lebt, das Problem des Lehrermang­els und ist bereit, mit vielen anderen Eltern auf die Straße zu gehen. „Doch was soll das bringen?“, fragt sie. „Es werden einfach nicht genug neue Lehrer eingestell­t. Wir laufen dem Problem seit Jahren hinterher.“

 ?? Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa ?? In einer Augsburger Schule sind die Klassenzim­mer seit Wochen schon am späten Vormittag verwaist. Dort wurde eine Lehrerin versetzt, eine Aushilfe gibt es nicht. Dass die Lehrervers­orgung im Freistaat zu knapp bemessen ist, wird immer wieder angemahnt.
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa In einer Augsburger Schule sind die Klassenzim­mer seit Wochen schon am späten Vormittag verwaist. Dort wurde eine Lehrerin versetzt, eine Aushilfe gibt es nicht. Dass die Lehrervers­orgung im Freistaat zu knapp bemessen ist, wird immer wieder angemahnt.

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