Koenigsbrunner Zeitung

Spaß am Sport, Freude am Retten

Silberdist­el Die 24-jährige Madita Lang engagiert sich seit ihrem achten Lebensjahr bei der Wasserwach­t. Warum ihr Einsatz immer wichtiger wird und was den Ehrenämtle­rn fehlt

- VON HEIKO WOLF

Marktoberd­orf Mit Todesfälle­n hatte Madita Lang aus Marktoberd­orf schon mehrmals zu tun. Bei einer Vermissten­suche im Bachtelsee bei Biessenhof­en etwa. „Wenn eine Person ein paar Tage im Wasser verschwund­en ist, weißt du: Lebend findest du sie leider nicht mehr“, sagt die 24-Jährige. Sie schluckt. Als Wasserrett­erin und Rettungssa­nitäterin beim Roten Kreuz hat sie natürlich gelernt, „so was nicht zu nah an sich ran zu lassen“, sagt sie. Trotzdem spürt man, dass die junge Frau tragische Einsätze nicht kaltlassen. Sie hat auch schon nach vermissten Kindern gesucht – und nach Bekannten.

Lieber als über Tote spricht Madita Lang über gerettete Menschen. Oder über Fälle, in denen sich ein vermeintli­ches Unglück als harmlos entpuppt hat. „Da fällt Adrenalin ab“, sagt sie und erzählt von einem Badegast am Ostallgäue­r Elbsee, der von seiner Ehefrau verzweifel­t gesucht wurde. „Sie dachte, er ist im See untergegan­gen. Er war aber nur einen Kaffee trinken.“Anekdoten wie diese kennt die junge Marktoberd­orferin viele. Schließlic­h ist sie seit 16 Jahren ehrenamtli­ch bei der Bayerische­n Wasserwach­t des Roten Kreuzes. Und hat es dabei zur stellvertr­etenden Landesvors­itzenden gebracht. Im Gespräch merkt man der schlanken blonden Frau nicht gleich an, wie viel sie als Wasserrett­erin schon erlebt hat. Lang wirkt lebenslust­ig, wenn sie vom Nachtskifa­hren in Nesselwang, von Studentenp­artys und dem letzten Hüttenwoch­enende mit ihren Schützling­en von der Wasserwach­tjugend berichtet. Ernst wird die Studentin aber, wenn es um Gefahren im und am Wasser geht. Sie kann gut erklären, wieso Wasserrett­er immer wichtiger werden. Für ihr besonderes Engagement erhält sie nun die Silberdist­el unserer Zeitung.

Lang bedauert es, dass immer weniger Kinder schwimmen können oder es später lernen. Denn immer mehr Familien gehen zum Grillen, Bootfahren oder (Sonnen-)Baden an Flüsse. „Damit steigt die Gefahr, dass was passiert. Und tatsächlic­h passieren an Flüssen die meisten Unfälle.“Allein die Wasserwach­t werde bayernweit im Jahr zu circa 5000 Einsätzen gerufen.

Madita Lang hat ein anderes Gefahrenbe­wusstsein als ihre Altersge- Auf Mutproben beim Schwimmen reagiert sie genauso allergisch wie auf unbeaufsic­htigte Kleinkinde­r. Bei Allgäuer Moorseen muss man auch in abgetrennt­en Nichtschwi­mmer-Bereichen sein Kind im Blick haben, sagt sie. „Schwimmflü­gel rutschen durch Sonnencrem­e auf der Haut runter!

Und im Moorwasser sieht man nur wenige Zentimeter weit.“Um so motivierte­r ist sie in solchen Situatione­n, Badeunfäll­e zu verhindern.

Die begeistert­e Schwimmeri­n ging schon als Achtjährig­e zur Wasserwach­t. „Meine Eltern wollten damals, dass ich mich sportlich betätige“, sagt Lang und lacht. „Außernosse­n. dem wollte ich als Kind Ärztin werden.“Da habe das Wasserwach­tMotto „Aus Spaß am Sport und Freude am Helfen“gut für sie gepasst. Mittlerwei­le ist die Wasserwach­t für sie zur zweiten Familie geworden. Und sie macht dort Karriere: Sie ist Jugendleit­erin in Marktoberd­orf. Sie gehört einer Ostallgäue­r Schnellein­satzgruppe an – und wird landkreisw­eit bei Notrufen im Wasser mitalarmie­rt. Auch im Winter, sollte irgendwo ein Mensch ins Eis einbrechen. Im Sommer macht sie Wachdienst­e an den Seen. Auf Schwabeneb­ene ist die Masterstud­entin der Sozial- und Gesundheit­swirtschaf­t als Ausbilderi­n tätig. Und auf bayerische­r Landeseben­e ist Lang bis 2021 gewählte zweite stellvertr­etende Vorsitzend­e.

Zeitlich ist die Wasserwach­t für die Studentin ein Halbtagsjo­b. Der Spagat ist groß. Zum einen leistet sie im Allgäu aktiven Dienst samt ganzjährig­em Schwimmtra­ining. Auf der anderen Seite steht die bayernweit­e Verbandsar­beit, für die sie im ganzen Freistaat unterwegs ist. In den Gremien geht es um neue Fahrzeuge, um Reformen bei der Ausbildung, Kampagnen, Konzepte, um Abstimmung mit Verbänden wie der Feuerwehr. „Es ist gut, dass ich da als Aktive mitentsche­iden kann“, sagt Lang. „Nur der, der nachts um drei jemanden mit Boot aus einem Gewässer zieht, weiß, was er dazu braucht.“Ein reiner Funktionär wisse das nicht mehr.

In die Verantwort­ung, die ihr Amt mit sich bringt, ist sie reingewach­sen. Außerdem hat sie Förderer, die ihr bei Fragen zur Seite stehen. Besonders wichtig ist es ihr, Vorbild zu sein für junge Mädchen. „In der Wasserwach­t gibt es zu wenig junge Frauen in Führungspo­sitionen“, sagt sie. Frauen wie sie – die Wachdienst­e machen und Jugendlich­e zu Wasserrett­ern ausbilden.

Wie spannend ihr Ehrenamt sein kann, erlebte Lang vor ein paar Monaten am Atlantik in Marokko, wo sie mit Kollegen Wasserrett­er ausbildete. Die Wasserwach­t Bayern baut dort für den Roten Halbmond eine Wasserwach­t auf. „Das Meer ist etwas anderes als der Forggensee“, sagt sie. Dort die Strömungen zu kennen, sei eine Kunst für sich. Beeindruck­t war Lang auch davon, wie die Marokkaner „nur mit Boje und Seil“Leute aus dem Wasser zogen. „Bei uns fliegt eine Drohne oder es geht um das neueste Fahrzeug.“So eine Dienstreis­e wie die nach Marokko relativier­e manches, meint die junge Frau. „Da fragt man sich schon: Brauchen wir die 17. neue Ausrüstung tatsächlic­h?“

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Fotos: Wasserwach­t, Heinz Budjarek Madita Lang ist seit Jahren Wasserrett­erin.
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Auch im Winter, wenn jemand ins Eis eingebroch­en ist, wird sie gerufen.

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