Quälte ein Arzt seine Kinder?
Prozess In Graz steht erneut ein Mediziner vor Gericht, der seine Töchter und einen Sohn jahrelang misshandelt haben soll
Wien Hat ein Arzt in der Steiermark jahrelang ungehindert seine Kinder gequält? Die drei Töchter und der Sohn, die mittlerweile erwachsen sind, und die Ex-Frau sagen Ja. Sie erzählen davon, dass er den Kindern Morphium und starke Medikamente verabreichte, sie zum Rauchen und zu Alkohol zwang und immer wieder mit geladener Waffe drohte, sich umzubringen.
Der Arzt war in erster Instanz vom Vorwurf der Quälerei Schutzbefohlener freigesprochen worden. Vom heutigen Dienstag an aber wird das Verfahren vor dem Straflandesgericht Graz neu aufgerollt – allerdings mit einem anderen Richter. Zum Prozessauftakt wird der Angeklagte gehört, der die Vorwürfe bestreiten dürfte. Die Kinder dürften erneut aussagen, dass sich ihr Vater selbst verletzt habe, wenn sie im Zimmer waren, und dass sie ihm hätten helfen müssen. Er soll sich einen Schraubenzieher in den Bauch gerammt haben, den eine Tochter ihm dann herausziehen musste. Der Sohn habe ihm Drogen spritzen müssen. Gutachter stellten im ersten Prozess schwere psychische Störungen der Kinder fest, die auf das Erlebte zurückgeführt werden können.
Der Arzt ist ein bekannter Mann in Österreich. Er führte eine große Praxis, arbeitete als Sportmediziner beim Österreichischen Skiverband. Sein Bruder sitzt für die Österreichische Volkspartei im Parlament.
Doch erst nachdem sich seine Frau, ebenfalls Ärztin, hatte scheiden lassen, gingen die Kinder an die Öffentlichkeit und zeigten ihn an. Im Prozess, der im Januar 2017 begann, bestritt der Arzt, seiner Familie Gewalt angetan zu haben. Es wurde ein Berufsverbot gegen ihn verhängt. Trotzdem sammelten seine Patienten Unterschriften für ihren Hausarzt.
Doch offenbar hat der Arzt einflussreiche Freunde. Ein Gutachter legte im ersten Prozess sein Amt nieder, weil er sich unter Druck gesetzt fühlte.
Im September 2017 wurde der Arzt freigesprochen. Der Richter sah in der Anzeige der Kinder das Ergebnis eines „verspäteten Rosenkriegs“. In der Urteilsbegründung thematisierte er die Kleidung der Opfer. Eine Tochter lege „offensichtlich auf Kleidung dem Anlass entsprechend keinen Wert“. Der Mutter attestierte er „einen extravaganten Kleidungsstil“.
Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Berufung ein, Beweise seien „nicht ausreichend erörtert“worden. Das soll im neuen Prozess geschehen.
Auch im Zusammenhang mit dem Tod eines Nachbarn wird gegen den Arzt ermittelt. Er hatte eine Affäre mit einer Schulfreundin seiner Tochter, die nebenan wohnte. Als deren Vater erschossen aufgefunden wurde, galt sein Tod zunächst als Suizid. Doch inzwischen meinen Gutachter der Staatsanwaltschaft, dass der schwerbehinderte Mann nicht selbst schießen konnte. Inzwischen ist klar, dass die Tatwaffe dem Arzt gehörte.