Starke Frauen
Nordische Ski-WM Die Gleichberechtigung im Skispringen geht Schritt für Schritt voran. Heute gibt’s das erste Mal Team-Medaillen – und die Deutschen sind haushohe Favoritinnen
Seefeld Es war Daniela IraschkoStolz, die kernige 35-jährige Skispringerin aus Österreich, die vor fast einem Jahr beim Weltcup in Oberstdorf eine kleine Revolution anzettelte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf ein DIN-A-4-Papier kritzelte sie eine Parole, die ihr und den Kolleginnen aus den großen Skisport-Nationen eine Herzensangelegenheit waren: „Praying for Team-Competition Seefeld“. Betet für einen Mannschaftswettkampf in Seefeld. Auch das deutsche Team um Katharina Althaus hielt das Mini-Plakat in die Kamera. Im Netz war eine kleine Lawine losgetreten, zumal Iraschko-Stolz einen Tag später nachlegte: „Wenn der ÖSV das nicht hinbekommt, wäre ich nicht mehr stolz, eine Österreicherin zu sein.“
Um es abzukürzen: IraschkoStolz gehört heute vermutlich zu den stolzesten Österreicherinnen, die es gibt. Auch wenn der Skiverband ihres Landes ihre Forderung lange zu ignorieren schien und erst vor vier Wochen das Okay für den Team-Wettbewerb in Seefeld gab, darf sich die 35-Jährige aus der Steiermark, die im Nachbarland zu den lautesten Verfechterinnen der gleichgeschlechtlichen Ehe zählte und seit fünf Jahren auch mit ihrer langjährigen Partnerin Isabel Stolz verheiratet ist, als Gewinnerin fühlen. Die Gleichberechtigung auf der Schanze kommt mit dem heutigen Teamspringen (16.15 Uhr/ARD) einen großen Schritt voran.
Das freut auch Andreas Bauer, den Bundestrainer der deutschen Skispringerinnen. Der 55-jährige Oberstdorfer ließ in den letzten Jahren ebenfalls keine Gelegenheit aus, sich für mehr Wettbewerbe, für höhere Preisgelder und auch für mehr Fernseh-Präsenz seiner Mädels einzusetzen. Die dritte Medaillenentscheidung nach dem Einzel- und dem Mixed-Wettbewerb kann für Bauer aber nur der Anfang sein. Die Hälfte aller Weltcups finde bereits auf Großschanzen statt; was also läge näher, auch bei Weltmeisterschaften von den großen Rampen zu springen? Auch Skifliegen müsse in den nächsten Jahren für Frauen möglich gemacht werden. Sogar für eine Beteiligung an der Vierschanzentournee hat er eine Idee. Die jeweiligen Qualifikationstage könnten doch mit einem Frauen-Wettbewerb aufgewertet werden.
Bauer sagt das nicht, weil er blinder Unterstützer der Gender-Debatte ist, sondern weil er an den Schanzen eine enorme Weiterentwicklung gesehen hat. „Die Mäd- chen haben technisch und athletisch wahnsinnige Fortschritte gemacht.“Dass heute elf Nationen um WMMedaillen kämpfen, zeige eines deutlich: Der Sport komme auch international voran. Zur Überraschung von Bauer fehlt allerdings die komplette chinesische Mannschaft, obwohl der Verband des nächsten Olympia-Ausrichters viel Geld für den Aufbau eines schlagkräftigen Teams ausgegeben und beispielsweise seinen früheren CoTrainer Peter Leiner abgeworben habe. Offiziell hieß es von chinesischer Seite, es gebe Probleme mit dem Visum.
Ob mit oder ohne Konkurrenz aus dem Fernen Osten, die Schützlinge von Bauer zählen nicht nur heute zum Kreis der Favoritinnen, sondern auch am morgigen Mittwoch, wenn es ab 16.15 Uhr um Einzelmedaillen geht. In der Nationenwertung führen die Deutschen (4043) derzeit mit 1500 Punkten Vorsprung vor Norwegen (2513) und Österreich (2311) – Ausdruck einer für Bauer durchaus erklärbaren Dominanz: „Wir sind beim Deutschen Skiverband absolut gleichgestellt.“Die Zahl der Lehrgangstage, die Trainingsbedingungen, die technische Unterstützung und die Hilfe von Sponsoren – all das unterscheide sich nicht von den Männern. Bauer wörtlich: „Das geht bis hin zu den Audis, die sich die Mädels jedes Jahr bestellen können.“Der Oberstdorfer ist aber auch überzeugt, dass sich seine Schützlinge dafür an der Schanze mit Leistung bedanken. „Sie werden ordentlich Gas geben.“Mit Katharina Althaus, Carina Vogt, Juliane Seyfarth und Ramona Straub hat Bauer ein Team zusammen, das konstant auf Top-Niveau springt. Das zeigten auch die gestrigen vier Trainingsdurchgänge, von denen Althaus und Seyfarth zwei für sich entschieden.