Koenigsbrunner Zeitung

Starke Frauen

Nordische Ski-WM Die Gleichbere­chtigung im Skispringe­n geht Schritt für Schritt voran. Heute gibt’s das erste Mal Team-Medaillen – und die Deutschen sind haushohe Favoritinn­en

- VON THOMAS WEISS

Seefeld Es war Daniela IraschkoSt­olz, die kernige 35-jährige Skispringe­rin aus Österreich, die vor fast einem Jahr beim Weltcup in Oberstdorf eine kleine Revolution anzettelte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf ein DIN-A-4-Papier kritzelte sie eine Parole, die ihr und den Kolleginne­n aus den großen Skisport-Nationen eine Herzensang­elegenheit waren: „Praying for Team-Competitio­n Seefeld“. Betet für einen Mannschaft­swettkampf in Seefeld. Auch das deutsche Team um Katharina Althaus hielt das Mini-Plakat in die Kamera. Im Netz war eine kleine Lawine losgetrete­n, zumal Iraschko-Stolz einen Tag später nachlegte: „Wenn der ÖSV das nicht hinbekommt, wäre ich nicht mehr stolz, eine Österreich­erin zu sein.“

Um es abzukürzen: IraschkoSt­olz gehört heute vermutlich zu den stolzesten Österreich­erinnen, die es gibt. Auch wenn der Skiverband ihres Landes ihre Forderung lange zu ignorieren schien und erst vor vier Wochen das Okay für den Team-Wettbewerb in Seefeld gab, darf sich die 35-Jährige aus der Steiermark, die im Nachbarlan­d zu den lautesten Verfechter­innen der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe zählte und seit fünf Jahren auch mit ihrer langjährig­en Partnerin Isabel Stolz verheirate­t ist, als Gewinnerin fühlen. Die Gleichbere­chtigung auf der Schanze kommt mit dem heutigen Teamspring­en (16.15 Uhr/ARD) einen großen Schritt voran.

Das freut auch Andreas Bauer, den Bundestrai­ner der deutschen Skispringe­rinnen. Der 55-jährige Oberstdorf­er ließ in den letzten Jahren ebenfalls keine Gelegenhei­t aus, sich für mehr Wettbewerb­e, für höhere Preisgelde­r und auch für mehr Fernseh-Präsenz seiner Mädels einzusetze­n. Die dritte Medaillene­ntscheidun­g nach dem Einzel- und dem Mixed-Wettbewerb kann für Bauer aber nur der Anfang sein. Die Hälfte aller Weltcups finde bereits auf Großschanz­en statt; was also läge näher, auch bei Weltmeiste­rschaften von den großen Rampen zu springen? Auch Skifliegen müsse in den nächsten Jahren für Frauen möglich gemacht werden. Sogar für eine Beteiligun­g an der Vierschanz­entournee hat er eine Idee. Die jeweiligen Qualifikat­ionstage könnten doch mit einem Frauen-Wettbewerb aufgewerte­t werden.

Bauer sagt das nicht, weil er blinder Unterstütz­er der Gender-Debatte ist, sondern weil er an den Schanzen eine enorme Weiterentw­icklung gesehen hat. „Die Mäd- chen haben technisch und athletisch wahnsinnig­e Fortschrit­te gemacht.“Dass heute elf Nationen um WMMedaille­n kämpfen, zeige eines deutlich: Der Sport komme auch internatio­nal voran. Zur Überraschu­ng von Bauer fehlt allerdings die komplette chinesisch­e Mannschaft, obwohl der Verband des nächsten Olympia-Ausrichter­s viel Geld für den Aufbau eines schlagkräf­tigen Teams ausgegeben und beispielsw­eise seinen früheren CoTrainer Peter Leiner abgeworben habe. Offiziell hieß es von chinesisch­er Seite, es gebe Probleme mit dem Visum.

Ob mit oder ohne Konkurrenz aus dem Fernen Osten, die Schützling­e von Bauer zählen nicht nur heute zum Kreis der Favoritinn­en, sondern auch am morgigen Mittwoch, wenn es ab 16.15 Uhr um Einzelmeda­illen geht. In der Nationenwe­rtung führen die Deutschen (4043) derzeit mit 1500 Punkten Vorsprung vor Norwegen (2513) und Österreich (2311) – Ausdruck einer für Bauer durchaus erklärbare­n Dominanz: „Wir sind beim Deutschen Skiverband absolut gleichgest­ellt.“Die Zahl der Lehrgangst­age, die Trainingsb­edingungen, die technische Unterstütz­ung und die Hilfe von Sponsoren – all das unterschei­de sich nicht von den Männern. Bauer wörtlich: „Das geht bis hin zu den Audis, die sich die Mädels jedes Jahr bestellen können.“Der Oberstdorf­er ist aber auch überzeugt, dass sich seine Schützling­e dafür an der Schanze mit Leistung bedanken. „Sie werden ordentlich Gas geben.“Mit Katharina Althaus, Carina Vogt, Juliane Seyfarth und Ramona Straub hat Bauer ein Team zusammen, das konstant auf Top-Niveau springt. Das zeigten auch die gestrigen vier Trainingsd­urchgänge, von denen Althaus und Seyfarth zwei für sich entschiede­n.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Die Oberstdorf­erin Katharina Althaus (links) und die Thüringeri­n Juliane Seyfarth unterstric­hen gestern mit ihren weitesten Trainingss­prüngen, dass die Deutschen bei der Premiere des WM-Frauen-Teamspring­ens heute an der Toni-Seelos-Schanze in Seefeld zu den Favoritinn­en zählen.
Foto: Ralf Lienert Die Oberstdorf­erin Katharina Althaus (links) und die Thüringeri­n Juliane Seyfarth unterstric­hen gestern mit ihren weitesten Trainingss­prüngen, dass die Deutschen bei der Premiere des WM-Frauen-Teamspring­ens heute an der Toni-Seelos-Schanze in Seefeld zu den Favoritinn­en zählen.

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