Koenigsbrunner Zeitung

Wenn Paketfahre­r zu Straftäter­n werden

Justiz Der Internetha­ndel boomt, deshalb werden immer mehr Pakete verschickt. Zuletzt gab es in Augsburg einige Prozesse gegen Zusteller, die auf die schiefe Bahn gerieten. Sind daran auch die Arbeitsbed­ingungen schuld?

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Er war bisher nicht vorbestraf­t. Er hat das Fachabitur bestanden und studiert an der Hochschule. Aushilfswe­ise, um sich Geld für das Studium zu verdienen, hat ein 19-jähriger Augsburger für einen großen Paketdiens­t gearbeitet – und ist dabei auf die schiefe Bahn geraten. Mit zwei Freunden bestellte er übers Internet mehrfach Kleidung von Markenhers­tellern. Dazu nutzten sie die Adressen von Menschen, die im Zustellbez­irk des 19-Jährigen wohnen. Er lieferte die Pakte mit der Kleidung aber nicht an diese Personen aus, sondern übergab sie den Freunden. Sie quittierte­n mit falschen Unterschri­ften die Zustellung und nahmen die Pakete mit.

Die Freude an der teuren Kleidung währte allerdings nicht lange. Die Sache flog auf und die drei Freunde wurden angeklagt. Nur weil sie vor Gericht ein Geständnis ablegten und der Richter in den Taten eine „Jugendsünd­e“sah, kamen sie noch mit einer Bewährungs­strafe davon. Die Marken-Kleidung hätten sie sich von ihrem Geld nicht leisten können, sagt Werner Ruisinger, einer der Verteidige­r der jungen Männer. Deshalb hätten sie sich diese Masche ausgedacht.

Ein Einzelfall ist der Prozess gegen den Paketfahre­r und seine Freunde nicht. Immer wieder stehen Mitarbeite­r von Paketdiens­tleistern vor Gericht, weil sie sich zu Straftaten hinreißen lassen. In diesem Monat war neben dem Studenten auch schon ein weiterer Paketausfa­hrer angeklagt. Der 30-jährige Mann hatte mehrere Pakete, bei denen es ihm lukrativ erschien, nicht den Empfängern zugestellt, sondern sie geöffnet und den Inhalt einfach für sich behalten. So kam er den Ermittlung­en zufolge an Uhren und Handys im Wert von an die 2000 Euro. Er wurde ebenfalls zu einer Bewährungs­strafe verurteilt.

Dass die Zahl der Paketzuste­ller, die sich kriminell verhalten, zunimmt, kann die Polizei auf Anfrage nicht bestätigen. Rainer Pabst, Sprecher der Augsburger Polizei, sagt aber, dass es solche Fälle regelmäßig gebe. Oft begründen die Ausfahrer ihre Taten mit ihrem niedrigen Lohn. Außerdem werde es den Tätern, gerade bei Betrügerei­en mit Online-Einkäufen, auch relativ leicht gemacht, sagt der Polizeispr­e- cher. Es sei oft kein Problem, eine Ware auf einen anderen Namen zu bestellen, ohne vorab zu zahlen.

Im vorigen Jahr wurden in Augsburg bereits sechs Männer zu Geldund Bewährungs­strafen verurteilt, weil sie im Internet in großem Stil Waren bestellt hatten. Die sechs Männer aus Rumänien hatten alle bei einem Subunterne­hmer eines großen Paketzuste­llers gearbeitet. Sie gaben bei ihren Bestellung­en Adressen an, die auf ihren Auslieferu­ngsrouten tatsächlic­h existierte­n. Allerdings erfanden sie die Namen der Besteller frei. Wenn die Pakete in Augsburg eintrafen, unterschri­eben sie auf den Minicomput­ern, die jeder Zusteller bei sich trägt, mit falschen Namen und behielten die Ware. Weit über 100 Pakete, vor allem mit Kleidung, Haushaltsw­aren und Elektroart­ikeln, fingen sie ab.

Bei einem großen Internethä­ndler fiel die Häufung dieser Fälle auf. Ein Sicherheit­smitarbeit­er des Paketdiens­tes kam dann den rumänische­n Ausfahrern auf die Schliche. Ein weiterer Rumäne, der wegen ähnlicher Taten bereits im Herbst 2017 in Augsburg verurteilt wurde, begründete sein Verhalten damals mit wirtschaft­licher Not. Er habe eine Frau und zwei kranke Kinder zu versorgen. In einem anderen Prozess, ebenfalls vor dem Augsburger Amtsgerich­t berichtete eine alleinerzi­ehende Frau, die als scheinselb­stständige Paketfahre­rin gearbeitet

Eine Paketfahre­rin erzählte von großem Druck

hat, von dem enormen Druck, dem sie ausgesetzt war. Sie habe kein festes Gehalt bekommen, sei nur nach der Zahl der zugestellt­en Pakete bezahlt worden. Die Tankrechnu­ng musste sie selbst bezahlen.

Die Gewerkscha­ft Verdi kritisiert schon seit Längerem die Bedingunge­n, unter denen viele Paketzuste­ller arbeiten müssen. In einer Mitteilung der Gewerkscha­ft vom Herbst heißt es: „Nur zwei der fünf großen Paketdiens­te in Deutschlan­d arbeiten überwiegen­d mit eigenen, fest angestellt­en Zustelleri­nnen und Zustellern. Ansonsten werden ausschließ­lich Subunterne­hmen beauftragt.“Seit einiger Zeit werde über Personalve­rmittler auch verstärkt mit Beschäftig­ten aus Osteuropa gearbeitet. Verdi schlägt mit deutlichen Worten Alarm und spricht von einer „fortschrei­tend katastroph­alen Situation der Beschäftig­ten in der Paketbranc­he“. Die Paketdiens­te müssten sich dann auch nicht wundern, heißt es bei der Gewerkscha­ft, wenn das Personal teils nicht so zuverlässi­g sei, wie man es erwarte.

 ?? Symbolfoto: Matthias Becker ?? Paketzuste­ller haben einen oft anstrengen­den und stressigen Job, die Bezahlung allerdings ist für viele Beschäftig­te nicht besonders gut. Zuletzt gab es in Augsburg mehrere Fälle, in denen Zusteller durch Betrug und Unterschla­gung ihre Kasse aufbessert­en.
Symbolfoto: Matthias Becker Paketzuste­ller haben einen oft anstrengen­den und stressigen Job, die Bezahlung allerdings ist für viele Beschäftig­te nicht besonders gut. Zuletzt gab es in Augsburg mehrere Fälle, in denen Zusteller durch Betrug und Unterschla­gung ihre Kasse aufbessert­en.

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