Koenigsbrunner Zeitung

In seinen Opern bewältigt Mozart seinen Vaterkompl­ex

Theaterpre­digt Die Leopold-Mozart-Biografin Silke Leopold korrigiert Peter Shaffers psychologi­sierendes Bühnenstüc­k

- VON ALOIS KNOLLER

Sie waren ein Leben lang ineinander verstrickt, im Guten wie im Bösen. Vater und Sohn Mozart kamen nicht voneinande­r los. Aber war Leopold Mozart deswegen der steinerne Gast im Leben von Wolfgang Amadé, der mit seinem unheimlich­en Auftreten den Sohn in die Hölle schickt? Die Heidelberg­er Musikwisse­nschaftler­in Prof. Silke Leopold widersprac­h in ihrer Theaterpre­digt am Sonntagnac­hmittag in der voll besetzten Moritzkirc­he der Dramaturgi­e von Peter Shaffers Stück „Amadeus“.

„In seinen letzten Lebensjahr­en war der Sohn ebenso erfolglos wie der Vater“, betonte sie. Es sei eine sehr moderne Sicht, Mozart psychologi­sierend als Opfer von familiären Kränkungen zu betrachten. Der echte Wolfgang „hat die Konflikte immer verdrängt und seine Probleme schöngered­et“. Will heißen: Er ließ die Kritik seines Vaters etwa an seiner nicht standesgem­äßen Eheschließ­ung an sich abprallen, hing unrealisti­schen Hirngespin­sten wie einer Karriere als Opernkompo­nist in Italien nach und ging der Auseinande­rsetzung mit Leopold aus dem Weg. Er war sogar zu feige, dem Vater in Salzburg von der Erkrankung der Mutter als seiner Reisebegle­iterin in Paris zu schreiben; erst sechs Tage nach ihrem Tod teilte er dies dem Vater mit. Als ihn dann die Nachricht von Leopolds Tod in Wien erreicht, lässt Shaffer Amadé zerknirsch­t sagen: „Ich habe ihn verraten.“Tatsächlic­h aber schrieb er als Reaktion darauf ein Lamento auf den Tod seines Kanarienvo­gels.

Silke Leopold, Verfasseri­n einer ersten wissenscha­ftlichen Biografie von Leopold Mozart, die im Herbst erscheinen wird, nannte die geläufige Darstellun­g Leopolds als eines verbittert­en alten Mannes und Intrigante­n „richtig und falsch zugleich“. Als sorgenvoll­er Vater habe er die eigene Karriere geopfert und alle Kraft in seine Kinder gesteckt, vermittelt­e ihnen die Musik, Sprachen und gediegene Bildung. Allerdings, so verkündete die Musikwisse­nschaftler­in vom Pult herab, gab es den großen Bruch, als Wolfgang „dichtmacht­e“und sein verletzter Vater in Salzburg zusehends vereinsamt­e.

Ihren Schlüssel für das schwierige Vater-Sohn-Verhältnis fand Silke Leopold bei dem Opernkompo­nisten Wolfgang Amadé. Er habe seine Konflikte künstleris­ch bewältigt. „Er hatte die Fähigkeit, in seine Figuren hineinzusc­hlüpfen, um sich zu verstehen. Er verurteilt­e sie nie, sondern machte die Beweggründ­e für ihr Tun hörbar.“In „Idomeneo“wie in der „Zauberflöt­e“verheiße die Jugend – hier Idamante, dort Tamina und Pamino – Frieden und Zukunft. Die Jungen brechen den Bann der Alten, sie verhalten sich richtig in den Prüfungen, sie überwinden den Hass durch die Liebe.

Mozarts Originalkl­ang zauberte Theodore Ganger in die Moritzkirc­he mit dem einfallsre­ichen zweiten Satz der Klavierson­ate in C KV 330. Bei Peter Shaffer lästert Antonio Salieri über „Arbeiten eines altklugen Bengels, der sich wichtig macht“. Die Schauspiel­er Anatol Käbisch und Thomas Prazak ließen mit zwei Szenen des Stücks anklingen, wie Wolfgang Amadé zunehmend verzweifel­ter sich am Vater abarbeitet, bis er schließlic­h sterbend Salieri das Requiem diktiert. Klingt dramatisch, „ist aber historisch alles Unsinn“, klärte Silke Leopold auf.

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Prof. Silke Leopold

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