Koenigsbrunner Zeitung

Theater für einen Zuschauer

Brechtfest­ival Mit „Antigone :: Comeback“zu Brecht und Weigel in Zürich. Im Provinoclu­b geht es in die späten 1980er

- VON RICHARD MAYR

Gemeinhin funktionie­rt das Theater ja nach einem altbewährt­en Prinzip. Es gibt Darsteller und Zuschauer, so verteilt, dass es eher weniger Darsteller und eher mehr Zuschauer sind. Allein schon aus ökonomisch­en Gründen ist das sinnvoll.

Was aber passiert, wenn an diesen Verhältnis­sen gerüttelt wird? Genau das untersuche­n der Regisseur Bernhard Mikeska, der Autor Lothar Kittstein und die Dramaturgi­n Alexandra Althoff seit zehn Jahren gemeinsam.

In Augsburg präsentier­en sie „Antigone :: Comeback“, produziert mit dem Theater Chur und eingeladen zum Schweizer Theatertre­ffen. Das Brechtfest­ival tritt bei „Antigone :: Comeback“als CoProduzen­t in Erscheinun­g. Der Kleine Goldene Saal dient hier als Theaterlab­or. Alle zwölf Minuten wird ein Zuschauer eingelasse­n. Was folgt, sind 40 intensive Minuten, in denen man immer tiefer in diese Geschichte um Bertolt Brecht und Helene Weigel hineingezo­gen wird, die im Januar 1948 in der Schweiz ankommen und dort nach 15 Jahren im Exil „Antigone“auf die Bühne bringen, Brecht als Regisseur, Weigel in der Titelrolle. Als Zuschauer ist man mit einer 3D-Brille mittendrin – erst in Helene Weigels Position auf einer virtuellen Bühne. Dort muss sie Brechts Dauerkriti­k aushalten. Geht es wirklich nur um sie als Darsteller­in oder auch um sie als Ehefrau? Das verschwimm­t.

Als Zuschauer kommt man in eine ähnlich indifferen­te Situation, als später Helene Weigel in Form einer Schauspiel­erin einem hautnah gegenübers­teht. Die Grenzen zwischen Zuschauer und Schauspiel­er, zwischen Realität und Virtualitä­t verwischen. Eine Theatererf­ahrung der besonderen Art. Großartig.

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Weiter geht es im Provinoclu­b. Wo sonst? Dieser Ort, der mit so viel Liebe und Herzblut aus einer Vergangenu­nd Vergessenh­eit geholt worden ist und heute wieder lebt, eine aus der Zeit gefallene Oase mit Charme und Patina im NeubauText­ilviertel. An diesem Abend geht es in dem Club zurück in die späten 1980er Jahre. Vorne lesen drei Schauspiel­er gekonnt aus Michel Decars erstem Roman „Tausend deutsche Diskotheke­n“. Der Dramatiker und Schriftste­ller Decar, der in Augsburg aufgewachs­en ist, bringt sein Debüt als Live-Hörspiel im ausverkauf­ten Club heraus.

Laura Eichten, Fabian Raabe und Anton Weil in Ballonseid­e und Flausch-Pullover kippen einen Bacardi-Cola nach dem anderen, so wie Frankie, die Hauptfigur des Romans, ein runtergero­ckter Privatdete­ktiv, der einen kuriosen Auftrag hat: In Diskotheke­n nach einem Erpresser suchen. Die vielen Klischees, mit denen der Roman spielt, kosten die Schauspiel­er im wahren Sinn des Wortes aus: Gegen Kater und Kopfschmer­z gibt es Maggi pur. Tatsächlic­h! Ein großer, ein gelungener Spaß!

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Mehr Artikel rund um das Brechtfest­ival finden Sie auf unserer Seite augsburger-allgemeine.de/lokales

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Foto: Heinz Holzmann Claudia Renner spielt Helene Weigel, die „Antigone“probt.
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