Theater für einen Zuschauer
Brechtfestival Mit „Antigone :: Comeback“zu Brecht und Weigel in Zürich. Im Provinoclub geht es in die späten 1980er
Gemeinhin funktioniert das Theater ja nach einem altbewährten Prinzip. Es gibt Darsteller und Zuschauer, so verteilt, dass es eher weniger Darsteller und eher mehr Zuschauer sind. Allein schon aus ökonomischen Gründen ist das sinnvoll.
Was aber passiert, wenn an diesen Verhältnissen gerüttelt wird? Genau das untersuchen der Regisseur Bernhard Mikeska, der Autor Lothar Kittstein und die Dramaturgin Alexandra Althoff seit zehn Jahren gemeinsam.
In Augsburg präsentieren sie „Antigone :: Comeback“, produziert mit dem Theater Chur und eingeladen zum Schweizer Theatertreffen. Das Brechtfestival tritt bei „Antigone :: Comeback“als CoProduzent in Erscheinung. Der Kleine Goldene Saal dient hier als Theaterlabor. Alle zwölf Minuten wird ein Zuschauer eingelassen. Was folgt, sind 40 intensive Minuten, in denen man immer tiefer in diese Geschichte um Bertolt Brecht und Helene Weigel hineingezogen wird, die im Januar 1948 in der Schweiz ankommen und dort nach 15 Jahren im Exil „Antigone“auf die Bühne bringen, Brecht als Regisseur, Weigel in der Titelrolle. Als Zuschauer ist man mit einer 3D-Brille mittendrin – erst in Helene Weigels Position auf einer virtuellen Bühne. Dort muss sie Brechts Dauerkritik aushalten. Geht es wirklich nur um sie als Darstellerin oder auch um sie als Ehefrau? Das verschwimmt.
Als Zuschauer kommt man in eine ähnlich indifferente Situation, als später Helene Weigel in Form einer Schauspielerin einem hautnah gegenübersteht. Die Grenzen zwischen Zuschauer und Schauspieler, zwischen Realität und Virtualität verwischen. Eine Theatererfahrung der besonderen Art. Großartig.
+++
Weiter geht es im Provinoclub. Wo sonst? Dieser Ort, der mit so viel Liebe und Herzblut aus einer Vergangenund Vergessenheit geholt worden ist und heute wieder lebt, eine aus der Zeit gefallene Oase mit Charme und Patina im NeubauTextilviertel. An diesem Abend geht es in dem Club zurück in die späten 1980er Jahre. Vorne lesen drei Schauspieler gekonnt aus Michel Decars erstem Roman „Tausend deutsche Diskotheken“. Der Dramatiker und Schriftsteller Decar, der in Augsburg aufgewachsen ist, bringt sein Debüt als Live-Hörspiel im ausverkauften Club heraus.
Laura Eichten, Fabian Raabe und Anton Weil in Ballonseide und Flausch-Pullover kippen einen Bacardi-Cola nach dem anderen, so wie Frankie, die Hauptfigur des Romans, ein runtergerockter Privatdetektiv, der einen kuriosen Auftrag hat: In Diskotheken nach einem Erpresser suchen. Die vielen Klischees, mit denen der Roman spielt, kosten die Schauspieler im wahren Sinn des Wortes aus: Gegen Kater und Kopfschmerz gibt es Maggi pur. Tatsächlich! Ein großer, ein gelungener Spaß!
Bei uns im Internet
Mehr Artikel rund um das Brechtfestival finden Sie auf unserer Seite augsburger-allgemeine.de/lokales