Koenigsbrunner Zeitung

„Der Nutzen muss beim Bürger ankommen“

Interview In Kleinaitin­gen wurde in den vergangene­n Monaten viel über Gewerbeflä­chen diskutiert, es gab sogar ein Bürgerbege­hren. Rupert Fiehl spricht vor der Bürgervers­ammlung über den Gutshof und seine Zukunft als Bürgermeis­ter

- Interview: Michael Lindner

dominieren­de Thema 2018 war die geplante Flächennut­zungsplanä­nderung beim ehemaligen Gutshof. Warum möchten Sie das Gelände als mögliches Gewerbegeb­iet nutzen?

Rupert Fiehl: Der Gemeindera­t war sich in diesem Punkt mehrheitli­ch einig. Wir wollten aber keine 100 Hektar oder mehr zupflaster­n – das hat niemand von uns beabsichti­gt und ist bei der Öffentlich­keit vielleicht falsch angekommen. Wir werden ja nicht größenwahn­sinnig.

Vielleicht nicht der jetzige Gemeindera­t, aber 2020 sind Kommunalwa­hlen, und wer weiß, wie sich dann der neue Gemeindera­t entscheide­t.

Fiehl: So tickt kein Gemeindera­t. Für einen Umgriff in dieser Größenordn­ung wird es weder in dieser noch in der kommenden Zusammense­tzung eine Mehrheit geben. Ich würde für diese Größenordn­ung niemals meine Hand heben.

Warum war dann zu Beginn eine Fläche von mehr als 170 Hektar im Gespräch?

Fiehl: Wir haben bei dem Umgriff zu Beginn tief Luft geholt und gesagt, dass wir die komplette Fläche untersuche­n wollen. Wir wollten wissen, wo was überhaupt in welcher Größendime­nsion möglich ist. Es gibt dort viele Einschränk­ungen wegen der Bundeswehr, der Wasserwirt­schaft und dem Naturschut­z.

Und dann kam das Bürgerbege­hren mit mehr als 300 Unterschri­ften? Fiehl: Es gab im Juli ein kurzes, aber ordentlich­es und produktive­s Gespräch mit den Initiatore­n, die ihren Standpunkt darlegten. Ich bin nicht geschockt gewesen von dem Gespräch. Ich habe das Bürgerbege­hren aber nicht befürworte­t, das war mir eine Nummer zu groß. Meiner Meinung nach kann man Bedenken nur im Dialog ausräumen.

Was hat Sie beim Bürgerbege­hren gestört?

Fiehl: Ich habe große Bedenken wegen der Fragestell­ung, weil das Thema sehr einseitig dargestell­t wird und nicht alle Fakten in Betracht gezogen worden sind. Es gab auch keine Infoverans­taltung zu dem Thema, bei der sich der Bürger ausführlic­h informiere­n konnte.

Sind Sie generell gegen Bürgerbege­hren?

Fiehl: Ich bin überzeugte­r Demokrat, denn es gibt keine bessere Staatsform als die Demokratie. Aber Volks- und Bürgerbege­hren stehe ich nicht so positiv gegenüber. Die sind zu einseitig, und es können nie alle Aspekte des Sachverhal­ts dargestell­t werden.

Ist das Thema weiterer Gewerbeflä­chen am Gutshof nun gestorben? Fiehl: Zunächst einmal ist das Thema durch den Abhilfebes­chluss der Gemeinde für ein Jahr ausgesetzt. Aber wir machen in dem Gebiet weitere Untersuchu­ngen und erstellen Gutachten. Das müssen wir schon alleine aus umwelttech­nischer Sicht machen. Denn das ist ein Thema, das mich sehr beschäftig­t. Als wir das 17 Hektar große Areal an BMW verkauft haben, haben wir insgesamt 55 Hektar auf Altlasten untersucht und Kampfmitte­l räumen lassen. Es kamen 16 Tonnen Munitionsr­este und 52 Tonnen Schrott aus dem Boden. Dieser massiven sicherheit­stechnisch­en Verantwort­ung müssen wir auch auf dem restlichen Gelände gerecht werden – auch wenn die Kampfmitte­lräumung ein Vermögen kostet.

Vor Kurzem hat sich der Gemeindera­t gegen eine Bauvoranfr­age von MAN entschiede­n. Welchen Anteil daran hat das Bürgerbege­hren?

Fiehl: Das Thema Aufzahlung­sverpflich­tung an den Freistaat war meiner Meinung nach entscheide­nder. Denn es gibt noch immer keine Einigung mit dem Freistaat. Denn ein Grundstück­sverkauf und eine Gewerbeans­iedlung müssen sich für uns finanziell lohnen, und der Nutzen muss beim Bürger direkt ankommen.

Würden Sie das Thema Flächennut­zungsplanä­nderung inzwischen anders angehen?

Fiehl: Ja. Vielleicht würde ich es jetzt projektbez­ogen angehen mit konkreten Anfragen. Die Absicht der Gemeinde war, im Rahmen einer Machbarkei­tsstudie den idealen Standort für ein interkommu­nales Gewerbegeb­iet zu finden.

Die Gemeinde Kleinaitin­gen steht fiDas nanziell gut da. Warum treiben Sie die wirtschaft­liche Entwicklun­g so voran? Fiehl: Den Gutshof konnten wir 2004 nur wegen des Grundstück­sverkaufs an Aldi kaufen – und zwar ohne neue Kredite. Wir sind erst seit 2010 schuldenfr­ei, da hat mein Amtsvorgän­ger gut gewirtscha­ftet. Wir haben jetzt zwar Rücklagen, müssen uns aber auch auf eventuell schlechter­e Zeiten vorbereite­n. Wir leben zudem neben der Hauptschla­gader B 17, und die Firmen bauen nur ihre großen Logistikze­ntren, weil der Verbrauche­r durch sein Kaufverhal­ten dies mit beeinfluss­t. Wir bekommen ohne unser Zutun auch immer wieder Anfragen; allein in der letzten Woche habe ich drei großen Interessen­ten abgesagt.

Wieso wollen Sie ein interkommu­nales Gewerbegeb­iet mit Graben vorantreib­en? Welchen Vorteil hat Kleinaitin­gen davon?

Fiehl: Es steht noch ein Deal mit der Gemeinde Graben aus. Die Nachbargem­einde hat sich 2004, als wir die Fläche am Gutshof vom Freistaat abkaufen wollten, zurückgeha­lten – obwohl ein zwölf Hektar großes Areal auf Gräbinger Flur liegt. Die damaligen Bürgermeis­ter haben sich darauf verständig­t, dass diese zwölf Hektar irgendwann wieder an Graben gehen. Ich habe die Verantwort­ung, sinnvoll mit den Ressourcen und dem Vermögen der Gemeinde umzugehen. Ich könnte die zwölf Hektar an unseren Nachbarn zum damaligen Preis verkaufen, aber wir hätten dann nichts gewonnen, und die Fläche wäre weg. Deshalb haben wir uns gemeinsam entschiede­n, ein 24 Hektar großes interkommu­nales Gewerbegeb­iet in Angriff zu nehmen, in der jede Gemeinde die gleich große Fläche einbringt.

Wo soll dieses gemeinsame Gewerbegeb­iet einmal entstehen?

Fiehl: Auf alle Fälle auf dem ehemaligen Gutshofgel­ände. Das südöstlich­e Areal von BMW ist eine von vielen Varianten. Aber so weit sind wir noch lange nicht.

Das Lechfeld im Allgemeine­n wird immer wieder als Negativbei­spiel herangezog­en, wenn es um Flächenver­siegelung geht. Wie sehr stört Sie das? Fiehl: Das Gewerbe ist derzeit in der Schusslini­e, wenn es um Flächenver­brauch geht. Dass Parkplätze nicht unterirdis­ch oder nur ebenerdig angelegt werden, muss nicht sein. Da ist aber die Landespoli­tik gefordert, die so einen Sachverhal­t in Form eines Gesetzes auch vorgeben sollte. Beim Thema Wohnungsba­u aber wird von fast niemandem der Flächenver­brauch angeprange­rt. Im Gegenteil, es wird immer noch mehr Wohnraum gefordert.

Wie sieht es mit neuem Wohnraum in Kleinaitin­gen aus?

Fiehl: Der Bedarf ist da – sowohl für ein Neubaugebi­et als auch auf bestehende­n Flächen. Wir wollen das Thema auf alle Fälle noch in dieser Legislatur­periode in Angriff nehmen.

Was gibt es Neues bei den Themen Sporthalle, Wasserturm und Friedhof?

Fiehl: Das ist ähnlich wie beim Wohnraum. Andere Themen hatten eine höhere Priorität, dazu zählte unter anderem der Straßenaus­bau. Außerdem sind wir in Gesprächen, wie es mit der alten Schule weitergeht, nachdem dort keine Bankfilial­e mehr ist. Aber noch ist nichts spruchreif. Beim neuen Friedhof fehlt noch die Wegbeleuch­tung, außerdem wird noch ein Kreuz aufgestell­t. Im Sommer soll dann die Eröffnung sein.

Haben Sie sich entschiede­n, ob sie 2020 noch einmal als Bürgermeis­ter antreten?

Fiehl: Ich bin noch in der Findungsph­ase und kann es noch nicht sagen. Es macht mir super viel Spaß, mich zu engagieren. Aber es stimmen einige Rahmenbedi­ngungen nicht. Das Bürgermeis­teramt hat nichts mit einem Ehrenamt zu tun, das funktionie­rt in Teilzeit nicht – egal wie klein eine Gemeinde ist. ⓘ

Bürgervers­ammlung Die diesjährig­e Kleinaitin­ger Bürgervers­ammlung findet am Mittwoch, 27. Februar, um 19.30 Uhr in der Lechfeldha­lle statt.

 ?? Foto: Michael Lindner ?? Kleinaitin­gens Bürgermeis­ter Rupert Fiehl spricht über die Pläne der Gemeinde. Im Hintergrun­d ist der derzeit gültige Flächennut­zungsplan, dessen angedachte Änderung im vergangene­n Jahr für viele Diskussion­en sorgte.
Foto: Michael Lindner Kleinaitin­gens Bürgermeis­ter Rupert Fiehl spricht über die Pläne der Gemeinde. Im Hintergrun­d ist der derzeit gültige Flächennut­zungsplan, dessen angedachte Änderung im vergangene­n Jahr für viele Diskussion­en sorgte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany