„Der Nutzen muss beim Bürger ankommen“
Interview In Kleinaitingen wurde in den vergangenen Monaten viel über Gewerbeflächen diskutiert, es gab sogar ein Bürgerbegehren. Rupert Fiehl spricht vor der Bürgerversammlung über den Gutshof und seine Zukunft als Bürgermeister
dominierende Thema 2018 war die geplante Flächennutzungsplanänderung beim ehemaligen Gutshof. Warum möchten Sie das Gelände als mögliches Gewerbegebiet nutzen?
Rupert Fiehl: Der Gemeinderat war sich in diesem Punkt mehrheitlich einig. Wir wollten aber keine 100 Hektar oder mehr zupflastern – das hat niemand von uns beabsichtigt und ist bei der Öffentlichkeit vielleicht falsch angekommen. Wir werden ja nicht größenwahnsinnig.
Vielleicht nicht der jetzige Gemeinderat, aber 2020 sind Kommunalwahlen, und wer weiß, wie sich dann der neue Gemeinderat entscheidet.
Fiehl: So tickt kein Gemeinderat. Für einen Umgriff in dieser Größenordnung wird es weder in dieser noch in der kommenden Zusammensetzung eine Mehrheit geben. Ich würde für diese Größenordnung niemals meine Hand heben.
Warum war dann zu Beginn eine Fläche von mehr als 170 Hektar im Gespräch?
Fiehl: Wir haben bei dem Umgriff zu Beginn tief Luft geholt und gesagt, dass wir die komplette Fläche untersuchen wollen. Wir wollten wissen, wo was überhaupt in welcher Größendimension möglich ist. Es gibt dort viele Einschränkungen wegen der Bundeswehr, der Wasserwirtschaft und dem Naturschutz.
Und dann kam das Bürgerbegehren mit mehr als 300 Unterschriften? Fiehl: Es gab im Juli ein kurzes, aber ordentliches und produktives Gespräch mit den Initiatoren, die ihren Standpunkt darlegten. Ich bin nicht geschockt gewesen von dem Gespräch. Ich habe das Bürgerbegehren aber nicht befürwortet, das war mir eine Nummer zu groß. Meiner Meinung nach kann man Bedenken nur im Dialog ausräumen.
Was hat Sie beim Bürgerbegehren gestört?
Fiehl: Ich habe große Bedenken wegen der Fragestellung, weil das Thema sehr einseitig dargestellt wird und nicht alle Fakten in Betracht gezogen worden sind. Es gab auch keine Infoveranstaltung zu dem Thema, bei der sich der Bürger ausführlich informieren konnte.
Sind Sie generell gegen Bürgerbegehren?
Fiehl: Ich bin überzeugter Demokrat, denn es gibt keine bessere Staatsform als die Demokratie. Aber Volks- und Bürgerbegehren stehe ich nicht so positiv gegenüber. Die sind zu einseitig, und es können nie alle Aspekte des Sachverhalts dargestellt werden.
Ist das Thema weiterer Gewerbeflächen am Gutshof nun gestorben? Fiehl: Zunächst einmal ist das Thema durch den Abhilfebeschluss der Gemeinde für ein Jahr ausgesetzt. Aber wir machen in dem Gebiet weitere Untersuchungen und erstellen Gutachten. Das müssen wir schon alleine aus umwelttechnischer Sicht machen. Denn das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Als wir das 17 Hektar große Areal an BMW verkauft haben, haben wir insgesamt 55 Hektar auf Altlasten untersucht und Kampfmittel räumen lassen. Es kamen 16 Tonnen Munitionsreste und 52 Tonnen Schrott aus dem Boden. Dieser massiven sicherheitstechnischen Verantwortung müssen wir auch auf dem restlichen Gelände gerecht werden – auch wenn die Kampfmittelräumung ein Vermögen kostet.
Vor Kurzem hat sich der Gemeinderat gegen eine Bauvoranfrage von MAN entschieden. Welchen Anteil daran hat das Bürgerbegehren?
Fiehl: Das Thema Aufzahlungsverpflichtung an den Freistaat war meiner Meinung nach entscheidender. Denn es gibt noch immer keine Einigung mit dem Freistaat. Denn ein Grundstücksverkauf und eine Gewerbeansiedlung müssen sich für uns finanziell lohnen, und der Nutzen muss beim Bürger direkt ankommen.
Würden Sie das Thema Flächennutzungsplanänderung inzwischen anders angehen?
Fiehl: Ja. Vielleicht würde ich es jetzt projektbezogen angehen mit konkreten Anfragen. Die Absicht der Gemeinde war, im Rahmen einer Machbarkeitsstudie den idealen Standort für ein interkommunales Gewerbegebiet zu finden.
Die Gemeinde Kleinaitingen steht fiDas nanziell gut da. Warum treiben Sie die wirtschaftliche Entwicklung so voran? Fiehl: Den Gutshof konnten wir 2004 nur wegen des Grundstücksverkaufs an Aldi kaufen – und zwar ohne neue Kredite. Wir sind erst seit 2010 schuldenfrei, da hat mein Amtsvorgänger gut gewirtschaftet. Wir haben jetzt zwar Rücklagen, müssen uns aber auch auf eventuell schlechtere Zeiten vorbereiten. Wir leben zudem neben der Hauptschlagader B 17, und die Firmen bauen nur ihre großen Logistikzentren, weil der Verbraucher durch sein Kaufverhalten dies mit beeinflusst. Wir bekommen ohne unser Zutun auch immer wieder Anfragen; allein in der letzten Woche habe ich drei großen Interessenten abgesagt.
Wieso wollen Sie ein interkommunales Gewerbegebiet mit Graben vorantreiben? Welchen Vorteil hat Kleinaitingen davon?
Fiehl: Es steht noch ein Deal mit der Gemeinde Graben aus. Die Nachbargemeinde hat sich 2004, als wir die Fläche am Gutshof vom Freistaat abkaufen wollten, zurückgehalten – obwohl ein zwölf Hektar großes Areal auf Gräbinger Flur liegt. Die damaligen Bürgermeister haben sich darauf verständigt, dass diese zwölf Hektar irgendwann wieder an Graben gehen. Ich habe die Verantwortung, sinnvoll mit den Ressourcen und dem Vermögen der Gemeinde umzugehen. Ich könnte die zwölf Hektar an unseren Nachbarn zum damaligen Preis verkaufen, aber wir hätten dann nichts gewonnen, und die Fläche wäre weg. Deshalb haben wir uns gemeinsam entschieden, ein 24 Hektar großes interkommunales Gewerbegebiet in Angriff zu nehmen, in der jede Gemeinde die gleich große Fläche einbringt.
Wo soll dieses gemeinsame Gewerbegebiet einmal entstehen?
Fiehl: Auf alle Fälle auf dem ehemaligen Gutshofgelände. Das südöstliche Areal von BMW ist eine von vielen Varianten. Aber so weit sind wir noch lange nicht.
Das Lechfeld im Allgemeinen wird immer wieder als Negativbeispiel herangezogen, wenn es um Flächenversiegelung geht. Wie sehr stört Sie das? Fiehl: Das Gewerbe ist derzeit in der Schusslinie, wenn es um Flächenverbrauch geht. Dass Parkplätze nicht unterirdisch oder nur ebenerdig angelegt werden, muss nicht sein. Da ist aber die Landespolitik gefordert, die so einen Sachverhalt in Form eines Gesetzes auch vorgeben sollte. Beim Thema Wohnungsbau aber wird von fast niemandem der Flächenverbrauch angeprangert. Im Gegenteil, es wird immer noch mehr Wohnraum gefordert.
Wie sieht es mit neuem Wohnraum in Kleinaitingen aus?
Fiehl: Der Bedarf ist da – sowohl für ein Neubaugebiet als auch auf bestehenden Flächen. Wir wollen das Thema auf alle Fälle noch in dieser Legislaturperiode in Angriff nehmen.
Was gibt es Neues bei den Themen Sporthalle, Wasserturm und Friedhof?
Fiehl: Das ist ähnlich wie beim Wohnraum. Andere Themen hatten eine höhere Priorität, dazu zählte unter anderem der Straßenausbau. Außerdem sind wir in Gesprächen, wie es mit der alten Schule weitergeht, nachdem dort keine Bankfiliale mehr ist. Aber noch ist nichts spruchreif. Beim neuen Friedhof fehlt noch die Wegbeleuchtung, außerdem wird noch ein Kreuz aufgestellt. Im Sommer soll dann die Eröffnung sein.
Haben Sie sich entschieden, ob sie 2020 noch einmal als Bürgermeister antreten?
Fiehl: Ich bin noch in der Findungsphase und kann es noch nicht sagen. Es macht mir super viel Spaß, mich zu engagieren. Aber es stimmen einige Rahmenbedingungen nicht. Das Bürgermeisteramt hat nichts mit einem Ehrenamt zu tun, das funktioniert in Teilzeit nicht – egal wie klein eine Gemeinde ist. ⓘ
Bürgerversammlung Die diesjährige Kleinaitinger Bürgerversammlung findet am Mittwoch, 27. Februar, um 19.30 Uhr in der Lechfeldhalle statt.