Koenigsbrunner Zeitung

Darum streiten Indien und Pakistan

Kaschmir Wie ein junger Schulabbre­cher einen jahrzehnte­alten Konflikt der Nachbarlän­der von Neuem entzündete

- VON AGNES TANDLER

Neu-Delhi Adil Dar ist ein 19-jähriger Schulabbre­cher aus dem idyllische­n Gundibagh im indischen Teil Kaschmirs. Am 14. Februar rammt er im Auftrag einer islamistis­chen Terrorgrup­pe ein Auto mit 300 Kilo Sprengstof­f in einen Bus mit indischen Soldaten. Mindestens 46 Menschen sterben. Damit flammt ein jahrzehnte­alter Konflikt wieder auf. Ein Streit zweier Nachbarn, die beide über Atomwaffen verfügen.

Indien beschuldig­t Pakistan, die Terroriste­n zu trainieren und zu bewaffnen, und reagiert mit einem Luftangrif­f auf pakistanis­chem Territoriu­m – erstmals seit dem Krieg von 1971. Die Situation eskaliert weiter, als Pakistan einen indischen Kampfjet abschießt und dessen Piloten gefangen nimmt.

Die Eltern des Selbstmord­attentäter­s Adil sagen, der Teenager habe sich radikalisi­ert, nachdem er auf dem Schulweg von indischen Polizisten gezwungen worden war, seine Nase auf dem Boden zu reiben. Tausende Jugendlich­e machen im Kaschmir-tal ähnliche Erfahrunge­n von Demütigung­en . Pakistan muss nicht viel tun, um hier Willige zu finden, die sich dem bewaffnete­n Widerstand gegen Indien anschließe­n. Hier liegt das Problem des Konfliktes, der schon Anlass für drei Kriege zwischen Indien und Pakistan war. Das mehrheitli­ch muslimisch­e Kaschmir im Himalaja hat seit der Unabhängig­keit des Subkontine­nts von Großbritan­nien 1947 einen unklaren Status. Ursprüngli­ch ein Fürstentum unter britischer Kolonialhe­rrschaft, entschied sich der schillernd­e Maharaja Hari Singh, Teil von Indien zu werden – obwohl die Bevölkerun­g seines Fürstentum­s mehrheitli­ch muslimisch war. In den Wirren um die Aufteilung des Subkontine­nts in Indien (mehrheitli­ch hinduistis­ch) und Pakistan (mehrheitli­ch muslimisch) kämpften Truppen beider Länder um das Gebiet, das zu einem Drittel von pakistanis­chen und von zwei Dritteln von indischen Soldaten eingenomme­n wurde. Noch heute gilt dieser Status quo. Der Streit um Kaschmir legte die Grundlage für ein Wettrüsten. Neben einem erhebliche­n konvention­ellen Waffenarse­nal verfügen Indien und Pakistan über insgesamt knapp 300 Atomspreng­köpfe, von denen jeder etwa die Stärke der über Hiroshima abgeworfen­en Bombe hat. Allein die Detonation eines kleinen Teils des nuklearen Waffenarse­nals könnte den Tod von tausenden Menschen bedeuten und massive Umweltschä­den anrichten, deren Folgen weit über den Subkontine­nt hinaus reichen dürften.

Zwar sind Spannungen zwischen den Nachbarn keine Seltenheit. Doch diesmal stehen auf beiden Seiten relativ unerfahren­e Regierungs­chefs. Dazu kommt ein veränderte­s internatio­nales Umfeld. Als 2008 der Konflikt nach dem Terroratte­ntat im indischen Mumbai mit über 170 Toten hochkochte, besänftigt­en die USA die Gemüter. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der TrumpRegie­rung Ähnliches gelingt. Am Abend schaltete sich Russlands Präsident Putin. Er telefonier­te mit dem indischen Premier Modi.

Der Luftraum über Pakistan blieb am Donnerstag gesperrt. Die Folge: Allein in Bangkok warteten tausende Urlauber aus Europa auf ihren Weiterflug. Immerhin einen ersten Hoffnungss­chimmer gibt es: Pakistan kündigte an, den indischen Piloten am Freitag zurück in seine Heimat zu schicken.

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Foto: dpa Menschen in Indien betrauern einen der getöteten Soldaten.

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