Koenigsbrunner Zeitung

Semmeln den ganzen Sonntag lang?

Interview Den Streit um Öffnungsze­iten von Bäckereien muss wohl der Bundesgeri­chtshof lösen. Wie Erwin Helmer von der Sonntags-Allianz Bayern die derzeitige Debatte beurteilt

- Interview: Daniela Hungbaur

Sonntags nur drei Stunden? Oder doch den ganzen Tag? Wie lange Bäckereien am Sonntag Semmeln verkaufen dürfen, wird wohl ein Fall für den Bundesgeri­chtshof. Wie berichtet, hatte das Oberlandes­gericht München vor Kurzem entschiede­n, dass eine Bäckerei den ganzen Sonntag unbelegte Semmeln verkaufen darf – vorausgese­tzt, sie betreibt auch ein Café. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s will aber Revision einlegen. Wir fragten Betriebsse­elsorger Erwin Helmer von der Sonntags-Allianz Bayern, wie er den Streit beurteilt.

Herr Helmer, Bäcker dürfen ja seit vielen Jahren auch sonntags Semmeln verkaufen. Wie beurteilen Sie den aktuellen Streit um eine längere Öffnungsze­it am Sonntag?

Erwin Helmer: Für uns als SonntagsAl­lianz, die ja für einen freien Sonntag kämpft, gehört dieser Fall in eine Reihe von Aktionen, die in den Sonntag hineinarbe­iten.

Hineinarbe­iten heißt aushöhlen, oder? Helmer: Genau. Denn das läuft ja Schritt für Schritt. Immer wieder wird versucht, die Ladenöffnu­ngszeiten am Sonntag auszudehne­n. Bestes Beispiel sind die Marktsonnt­age. Das läuft darauf hinaus, die Arbeitszei­tgesetze zu ändern. Jetzt versuchen es wieder die Großbäcker­eien.

Aber dass Bäcker am Sonntag aufhaben, hat in Bayern Tradition. Helmer: Also ich bin ein Bäckersohn. Mein Vater und mein Bruder waren Bäcker. Und ja, für Bäcker wurde eine Ausnahme gemacht. Sie dürfen aber sonntags eben nur drei Stunden öffnen. Zur Tradition muss man wissen, dass nur die großen Bäckereike­tten von längeren Öffnungsze­iten am Sonntag profitiere­n, kleinere Handwerksb­äcker können das personell gar nicht leisten. Will man also wirklich wieder nur die großen Bäckereike­tten stärken?

Viele Verbrauche­r denken wahrschein­lich: Frische Semmeln gehören zum Sonntagsfr­ühstück dazu, je länger die offen haben, umso besser. Helmer: Das beobachte ich nicht so. Viele kaufen ganz bewusst keine Semmeln am Sonntag. Ich kenne viele Menschen, die sich bewusst dagegen entscheide­n, weil sie ganz genau wissen, welchen Wert ein freier Sonntag hat und wie viel auf dem Spiel steht, wenn er Schritt für Schritt ausgehöhlt wird. Ich persönlich brauche am Sonntag keine frischen Semmeln. Heutzutage kann man sich doch zur Not selbst welche aufbacken.

Aber viele Menschen müssen längst auch am Sonntag arbeiten.

Helmer: Wir in der Allianz sind auch nicht grundsätzl­ich gegen Sonntagsar­beit. In einigen Berufen ist es einfach nötig, damit kein Mensch Schaden nimmt, das betrifft etwa Ärzte und Pflegekräf­te im Krankenhau­s, Notdienste, Feuerwehrl­eute ... Aber auf solche Berufe wollen wir es beschränkt lassen.

Viele fühlen sich gegängelt, wenn jemand sagt: Der Sonntag muss frei bleiben. Sie sagen: Ich kann mich auch Mittwoch oder Donnerstag erholen. Helmer: Schichtarb­eiter kennen das: Sie haben an anderen Tagen in der Woche frei und müssen sonntags arbeiten. Wenn ich Mittwoch oder Donnerstag frei habe, ist das anders als am Sonntag. Den Sonntag konnten wir bisher vom werktäglic­hen Charakter frei halten, weil eben die Geschäfte zu haben, weil keine großen, lauten Reparature­n erlaubt sind, Lkw nur im Ausnahmefa­ll fahren. Es ist ein ruhigerer Tag, an dem viele Menschen frei haben. Letzteres ermöglicht es, dass beispielsw­eise Familienfe­ste sonntags gefeiert werden, weil die meisten Leute da Zeit haben. Und nicht zu vergessen: Der Sonntag ist auch der Tag, an dem viele Menschen die Möglichkei­t haben sollten, einen feierliche­n Gottesdien­st zu besuchen.

Und was sagen Sie Menschen, die das zusätzlich­e Geld brauchen?

Helmer: Wenn jemand verschulde­t ist, habe ich dafür Verständni­s. Aber man muss wissen, dass Sonntagsar­beit auf Dauer krank macht. Der Sonntag ist der gesündeste Tag in der Woche. Das haben arbeitsmed­izinische Studien erwiesen. Wer am Sonntag frei hat, hat den höchsten Erholungsl­evel. Manche Menschen, die partout durcharbei­ten wollen, muss man vor sich selbst schützen.

Sie waren jetzt auch in Brüssel als Vertreter der bundesweit­en SonntagsAl­lianz. Was haben Sie vor? Helmer: Es gibt auch eine europäisch­e Allianz für den Sonntag. In Brüssel haben wir mit einigen Europa-Abgeordnet­en gesprochen, weil wir in der EU-Arbeitszei­trichtlini­e, die gerade verhandelt wird, den freien Sonntag als verbindlic­he Grundlage verankern wollen.

Wie ist der Sonntag denn auf EUEbene bisher geregelt?

Helmer: Bisher gibt es keinen generellen Sonntagssc­hutz. Es muss nur ein Tag in der Woche frei sein, aber eben kein bestimmter.

Und wie ist die Stimmung zu diesem Thema auf europäisch­er Ebene? Helmer: Wir beobachten hier Erstaunlic­hes: Vor allem der Osten Europas wandelt sich gerade. Nachdem zunächst eine komplette Liberalisi­erung der Ladenöffnu­ngszeiten stattfand, folgt jetzt eine Komplettdr­ehung. So wird beispielsw­eise Polen in den nächsten Jahren keine verkaufsof­fenen Sonntage mehr erlauben.

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Foto: Ulrich Wagner Wie lange dürfen am Sonntag Semmeln verkauft werden? Darüber wird derzeit gestritten.

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