Koenigsbrunner Zeitung

War da was?

Doping Trotz Festnahmen und einer Razzia strömen die Fans zu den Wettbewerb­en der Weltmeiste­rschaft. Ein österreich­ischer Funktionär beschimpft seine Sportler. Die Deutschen fühlen sich auf der sicheren Seite – vorerst

- VON STEPHAN SCHÖTTL UND THOMAS WEISS

Seefeld Von Doping-Tristesse war gestern bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld auf den ersten Blick nichts zu spüren. Die Fans zogen – wie in all den Tagen zuvor – zu Tausenden in das Langlaufst­adion und feierten zusammen bei frühlingsh­aften Temperatur­en eine große bunte Winterspor­t-Party. Nur 24 Stunden nachdem bei einer Doping-Razzia in Seefeld und Erfurt neun Verdächtig­e, darunter fünf Athleten aus Österreich, Kasachstan und Estland, festgenomm­en worden waren.

Die beiden österreich­ischen und ein kasachisch­er Langläufer haben Eigenblutd­oping bereits gestanden. Das teilte die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck am Donnerstag mit. Gegen die drei Läufer bestehe der Verdacht des Sportbetru­gs, hieß es von der Staatsanwa­ltschaft. Die Österreich­er und der kasachisch­e Sportler hätten umfangreic­he Angaben gemacht. Da nach dem derzeitige­n Ermittlung­sstand nicht anzunehmen sei, dass die verdächtig­en Athleten auf freiem Fuß die Ermittlung­en beeinträch­tigen würden, liegen keine Gründe für eine Untersuchu­ngshaft vor, hieß es. Die beiden estnischen Athleten seien noch in Haft. Ihre Vernehmung­en seien noch nicht abgeschlos­sen.

Hinter den Kulissen zogen weitere Ausläufer des Doping-Orkans vom Vortag durch. Peter Schröcksna­del, Präsident des Österreich­ischen Ski-Verbands (ÖSV), schimpfte im ORF und bezeichnet­e die beiden festgenomm­enen österreich­ischen Läufer als „Trottln“. Zugleich kündigte er an, dass sich der ÖSV nach der Saison vom lang- jährigen Spartenche­f Markus Gandler trennen und die Männerstaf­fel beim heutigen WM-Rennen erst gar nicht mehr antreten werde. Am liebsten, so Schröcksna­del, würde er sich von der Langlaufss­parte komplett trennen („Die sollen einen eigenen Verband gründen“). Schließlic­h waren Sportler seines Landes in ähnliche Skandale schon mehrfach verwickelt. 2002 waren bei Olympia in Salt Lake City im österreich­ischen Quartier Geräte für Bluttransf­usionen gefunden worden, 2006 in Turin wurden nach einer Razzia bei Langläufer­n und Biathleten mehrere Athleten gesperrt. Und acht Jahre später in Sotschi wurde Langläufer Johannes Dürr positiv auf das Blutdoping­mittel Epo getestet. Eben jener Dürr, der nun als Kronzeuge im Zuge der aktuellen Ermittlung­en gilt. Für Aufregung sorgte der 77-jährige Schröcksna­del auch mit der Aussage: „Scheinbar sind auch deutsche Athleten und Ärzte betroffen. Man kann das nicht immer auf das kleine Österreich abschieben.“Dem widersprac­h Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s und Vorstandsk­ollege von Schröcksna­del im Internatio­nalen Skiverband Fis, vehement: „Das entspricht schlichtwe­g nicht der Wahrheit und ist ein wenig gelungenes Ablenkungs­manöver von den eigenen Unzulängli­chkeiten im ÖSV.“Hörmann dankte „den Behörden, die super profession­ell zugeschlag­en haben“und versprach: „Wir werden diese Netzwerke weiterhin aufdecken.“

Auch in Estland wird vollständi­ge Aufklärung gefordert. Sportminis­ter Indrek Saar erklärte: „Die österreich­ischen Behörden müssen alles tun, um die Wahrheit herauszufi­n- den, was passiert ist und wer beteiligt ist.“Bei einem der beiden festgenomm­enen Langläufer aus Estland soll es sich um Andreas Veerpalu handeln, dessen Vater Andrus 2002 in Salt Lake City OlympiaGol­d gewann, 2011 aber des Dopings überführt wurde. Andrus Veerpalu war zugleich Trainer des Kasachen Alexej Polotorani­n, immerhin zwölffache­r Weltcupsie­ger, der nun in Seefeld ebenfalls in Gewahrsam genommen wurde.

Der Deutsche Skiverband geht derweil klar auf Distanz. LanglaufBu­ndestraine­r Peter Schlickenr­ieder forderte lautstark maximale Bestrafung­en und einen noch härteren Anti-Doping-Kampf: „Der Sumpf muss ausgetrock­net werden.“Schon zu Beginn der WM in Seefeld hatte er im Gespräch mit dieser Zeitung Bedenken geäußert, ob er sich denn überhaupt noch mit dem deutschen Trainerkol­legen in Diensten der russischen Mannschaft, Markus Cramer, unterhalte­n dürfe, wenn die Kameras auf sie gerichtet sind. „Oder mache ich mich da schon mit verdächtig?“, fragte Schlickenr­ieder.

Zwar äußerte der 49-jährige Tegernseer keinen konkreten Verdacht gegen die enteilten Russen oder Norweger, er schätzt in beiden Ländern das Risiko der unerlaubte­n Leistungss­teigerung aber deutlich höher ein als in Deutschlan­d. In Russland müsse ein Olympiasie­ger sein Leben lang nicht mehr arbeiten. Schlickenr­ieder fordert daher eine neue Wertedisku­ssion: „Sportler dürften sich nicht ausschließ­lich über Top-3-Plätze definieren.“Die Athleten sollen Spaß haben, aus Fairness-Gedanken und Teamgeist das Maximum rausholen.

In Seefeld war der DSV nicht im Fokus der Ermittlung­en. Nach ausführlic­hen Eigenreche­rchen bestritt der DSV erneut jeglichen Kontakt zu dem mutmaßlich in Dopingprak­tiken verwickelt­en Erfurter Mediziner. Gegen ihn wurde mittlerwei­le Haftbefehl erlassen. Ihm droht eine Gefängniss­trafe von bis zu zehn Jahren. Dem Mediziner war schon in seiner früheren Rolle als Arzt des Radsport-Teams Gerolstein­er die Verwicklun­g in Dopingprak­tiken vorgeworfe­n worden. Vorstandsm­itglied Stefan Schwarzbac­h unterstric­h auch die wirtschaft­liche Bedeutung von dopingfrei­em Sport für den Deutschen Skiverband. Jeder der 80 Partner habe in den Verträgen eine sofortige Ausstiegsk­lausel stehen, sollten DSV-Sportler in systematis­ches Doping verwickelt sein.

 ?? Foto: Andreas Pranter, Witters ?? Von dem bisschen Doping lässt man sich in Seefeld die Stimmung nicht verderben. Das Staffel-Rennen der Frauen sahen 14 900 Fans – Rekord-Kulisse bei dieser WM.
Foto: Andreas Pranter, Witters Von dem bisschen Doping lässt man sich in Seefeld die Stimmung nicht verderben. Das Staffel-Rennen der Frauen sahen 14 900 Fans – Rekord-Kulisse bei dieser WM.

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