Koenigsbrunner Zeitung

„Und niemand im Verein schützt dich“

Interview Torhüter Marwin Hitz erklärt, warum er sich nach der Verpflicht­ung von Fabian Giefer vom FCA in Stich gelassen fühlte und warum er trotzdem noch ein Jahr in Augsburg blieb, ehe er ablösefrei nach Dortmund ging

- Interview: Robert Götz

Stimmt es, dass Sie noch eine Wohnung in Augsburg besitzen?

Hitz: Nein, die haben wir jetzt nach langen Überlegung­en verkauft.

Am Freitag kehren Sie mit Borussia Dortmund für ein paar Stunden in die WWK-Arena zurück. Sind Sie froh, dass Sie angesichts der prekären Lage des FCA rechtzeiti­g vor der Saison nach Dortmund gewechselt sind?

Hitz: Es war in den vergangene­n Jahren auch immer so, dass wir primär um den Klassenerh­alt gespielt haben. Deswegen ist die Situation jetzt nicht völlig überrasche­nd.

Wie beurteilen Sie die Situation bei Ihrem Ex-Klub?

Hitz: Es ist immer schwierig, so etwas von außen zu beurteilen. Das vergangene Spiel war sicher nicht so, wie es sich alle vorgestell­t haben. Allerdings habe ich nur 30 Minuten gesehen, weil ich dann zum Training musste.

Warum haben Sie den FCA vor dieser Saison verlassen?

Hitz: Es waren fünf wunderschö­ne Jahre mit vielen Emotionen. Wir haben hier geheiratet, meine beiden Kinder sind hier auf die Welt gekommen, wir haben Europa League gespielt, hatten Abstiegska­mpf, aber auch ruhige Jahre. Es war für mich einfach Zeit, etwas Neues zu versuchen. Da war die Gelegenhei­t mit Dortmund da, und die wollte ich auch packen.

Das klingt jetzt nicht so, dass Sie unbedingt wegwollten. Ihr Vertrag lief ja zum Saisonende aus. Gab es kein Angebot vonseiten des FCA?

Hitz: Ich habe kein Angebot erhalten, aber auch nicht darum gebeten. Ich wollte meine Entscheidu­ng nicht aufgrund von Zahlen treffen, sondern einfach aufgrund meines Gefühls. Klar hatte ich in Augsburg eine schöne Zeit. Aber ich hatte mir schon viele Gedanken gemacht und nicht das Gefühl, dass man die Ziele, die mir vorschwebt­en, hier noch erreichen könnte. Privat hätten wir nicht weggehen müssen. Wir haben hier immer noch Freunde, wir hatten einen tollen Kindergart­en, eine tolle Wohnung, meine Frau hat sich zu 100 Prozent wohlgefühl­t. Das geht hier aber allen Spielern so. Die Stadt, die Fans - jeder redet positiv über Augsburg.

War ein Grund für Ihren Wechsel auch die Verpflicht­ung von Fabian Giefer im Sommer 2017? Damit hatte die sportliche Führung des Vereines ja ein klares Zeichen gesetzt. Giefer sagte damals auch, er ist gekommen, um zu spielen.

Hitz: Ich habe immer schon gesagt, dass die letzten eineinhalb Jahre beim FCA nicht mehr unbedingt so waren, wie ich mir das vorgestell­t habe. Aber im Fußball ist es eben so, dass sich auch der Verein über die Zukunft Gedanken macht. Das muss man als Spieler und als Angestellt­er des Vereins auch einfach akzeptiere­n.

Ist man in dieser Zeit immer fair mit Ihnen umgegangen? Wollte der Verein, dass Sie gehen?

Hitz: Ich versuche mich auch in die Partei hinein zu versetzen. Wenn der Verein denkt, er braucht einen weiteren Torhüter, dann gehört das dazu. Auch andere Spieler bekommen Konkurrenz. Aber für mich war klar, dass ich die Entscheidu­ng, zu wechseln oder nicht, auf jeden Fall selber treffen werde.

Es spricht für Sie, dass Sie sich dann gegen Fabian Giefer und Andreas Luthe durchgeset­zt haben. Fabian Giefer blieb sogar nur der Platz auf der Tribüne. Der Druck auf Sie muss aber immens gewesen sein. Fehler durften Sie sich keinen erlauben, oder?

Hitz: Natürlich macht man sich seine Gedanken und muss das erst einmal sacken lassen, wenn ein neuer Torwart kommt und solche Ansprüche öffentlich stellt – und niemand im Verein schützt dich. Ich wollte ein Jahr vor Ende meines Vertrages die Entscheidu­ng selbst treffen. Meine Frau und ich haben uns dann entschiede­n zu bleiben, auch, weil sich meine Familie in Augsburg zu 100 Prozent wohl gefühlt hat. Und ich denke, ich habe mich in meiner letzten Saison nicht schlecht präsentier­t. Diese Zeit war für mich auf jeden Fall sehr lehrreich.

Sie konnten dann ablösefrei wechseln und haben sich für Borussia Dortmund entschiede­n. War es die richtige Entscheidu­ng?

Hitz: Stand jetzt ja. Ich wusste, dass es eine riesengroß­e Aufgabe wird. Der BVB ist wirklich etwas ganz Spezielles, wenn man erst mal hautnah selbst erlebt, was das für Ausandere maße sind, wenn du da ein Spiel gewinnst und vor der Südtribüne stehst. Dass ich mir mehr Spiele erhofft habe, kann sich wohl jeder vorstellen.

Sie haben vor der Saison auf die WMTeilnahm­e mit der Schweiz verzichtet. War das auch gleichzeit­ig Ihr Rücktritt aus der Nationalma­nnschaft? Hitz: Nein, das war es nicht. Ich habe einfach die WM abgesagt. Ich bin ein Familienme­nsch. Es stand für uns ein Umzug mit Haus- und Wohnungssu­che an, und in dem Bewusstsei­n, dass man sich in einer solchen Phase zwei Monate nicht sehen würde, habe ich mich entschiede­n, nicht als dritter Torwart nach Russland zu reisen. Es war die richtige Entscheidu­ng.

Warum?

Hitz: Ich habe in der Vorbereitu­ng in Dortmund viel gelernt. Ich wusste, dass es eine Riesen-Umstellung wird. Es ist ein komplett anderer Fußball. Das Trainingsn­iveau ist viel höher. Ich musste mein Spiel anpassen.

Was ist der Unterschie­d zum FCA? Hitz: Wenn man mehr Ballbesitz hat, wenn der Trainer will, dass der Torwart mitspielt und man nicht nur eine Variante hat, weit auf den größten Stürmer den Ball zu schlagen, muss man besonders sein Fußballspi­el anpassen. Ich denke, das ist mir ganz gut gelungen.

Sie sind 31, beim FCA trägt jetzt ein 21-Jähriger Keeper die Verantwort­ung im Abstiegska­mpf. Wie beurteilen Sie die Torwart-Situation in Augsburg?

Hitz: Es steht mir nicht zu, darüber etwas zu sagen. Sie haben den Zweikampf mit Roman Bürki verloren, sind jetzt Ersatzmann. Eine Situation, die Sie während Ihrer Zeit in Augsburg nicht gekannt haben.

Hitz: Das ist nicht immer einfach. Es braucht viel Selbstdisz­iplin. Ich arbeite jetzt mehr im Kraftraum, kann mich mehr meinem Körper widmen, weil ich nicht immer nur von Spiel zu Spiel denken muss. Man darf aber nicht vergessen, dass ich in der Vorrunde trotzdem in jedem Wettbewerb einen Einsatz hatte. Es ist jetzt meine Aufgabe, zu 100 Prozent da zu sein, wenn ich gebraucht werde. Wir sind Erster, da gibt es auch wirklich keinen Grund, etwas zu verändern.

Wie schätzen Sie denn die Chancen im Zweikampf mit Bayern München ein. Wird Dortmund Meister?

Hitz: Unser vorrangige­s Ziel ist und bleibt die Qualifikat­ion für die Champions League, das sieht gut aus. Natürlich ist es ein spannender Kampf um die Meistersch­aft. Wir tun aber gut daran, weiter nur von Spiel zu Spiel und nur auf uns selbst zu schauen. Wir haben eine Mannschaft mit viel Talent, sie ist aber auch noch sehr jung. Ich glaube, jeder Spieler hat sich in den zurücklieg­enden sechs Monaten verbessert. Ich habe immer meine Probleme damit, wenn Experten sagen, der und der wird Meister. Wer weiß, was in drei Wochen ist. Wenn aber alle Spieler gesund und in Form bleiben, bleibt es sicher bis zum Schluss spannend.

Schauen wir auf Freitagabe­nd. Was erwartet Sie und die Borussia in der WWK-Arena?

Hitz: Auch das ist schwer vorherzusa­gen. Der FCA hat in dieser Saison sehr viele Gesichter gezeigt. Die Bayern haben sich auch sehr schwergeta­n. Aber wir wollen natürlich dieses Spiel gewinnen.

Ihr Vertrag läuft in Dortmund bis 2021, aber könnten Sie sich vorstellen, noch einmal für den FC Augsburg zu spielen?

Hitz: Ich stehe zu 100 Prozent zu Borussia Dortmund. Wir haben ein großes Ziel vor Augen. Ich bin auch nicht der Typ, der schnell das Weite sucht, wenn es etwas schwierig wird. Aber wenn man sich so wohlgefühl­t hat in einer Stadt, wie wir in Augsburg, ist alles vorstellba­r.

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Foto: Ulrich Wagner Marwin Hitz verabschie­dete sich im Mai zusammen mit Sohn Matteo von den Augsburger Fans.

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