Beim Blick auf den Planeten geht es drunter und drüber
Gastspiel Aber die Performance des Berliner Theaterkollektivs andcompany&Co ist schwindelerregend geistreich
Trotz des digitalen Dauerrauschens keinen blassen Schimmer! Oder hätten Sie gewusst, dass es ein sozialistisch inspiriertes Internet gab? Jemals vom britischen Kybernetiker Stafford Beer gehört, der zur Regierungszeit von Salvador Allende 1973 in Chile zusammen mit Fernando Flores am „Cybersyn“-Projekt beteiligt war, um dort mit einem Superrechner und unzähligen Fernschreibern die Wirtschaft zu steuern?
Auch in Erinnerung daran hat das Berliner Theaterkollektiv andcompany&Co seine schwindelerregend geistreiche „Frontal-Performance“ersonnen. Sie macht den Zuschauern ein verlockendes Angebot: Dank der ebenso amüsanten wie philosophisch und utopisch durchdachten Text-Video-Sound-Collage lassen sich alle möglichen historischen und epochalen Querverbindungen entdecken und damit die eigenen und die offensichtlichen Lücken im Netz (er)schließen. Auch die Ethik reift mit Big Data! „Homo homini lupus“wird bei andcompany&Co. zum „Der Mensch ist dem Menschen ein LOOP!“und damit zur unausweichlichen FeedbackFalle.
Für zwei Festivalabende funktionierte das 2003 gegründete Theaterkollektiv – Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulimma – die Abraxasbühne mit immensem technischen Bühnenbild-Aufwand zum interstellaren Kontrollraum um. Im Raumfahrerlook bespielte es die kommunikative Plattform, „auf der alles erlaubt ist“und doch szenisch eher wenig passierte. „FEED“! Auch ohne das ergänzende „Back“wurden die vier leuchtenden Buchstaben über dem Videoscreen zum PerformanceSchlüssel. Es gab in 90 kurzweiligen Minuten reichlich „Futter“fürs Zuschauerhirn, das dem universalen Ausblick der drei Datenforscher und damit dem heillosen „Drunter und Drüber“-Blick auf den Blauen Planeten bereitwillig folgte.
So schön kann postdramatisches Theater sein, bei dem man einmal mehr den originalen Brecht trotz subtiler „Mahagonny“-Reminiszenzen gar nicht recht vermisste!