Koenigsbrunner Zeitung

Facebook-Konto überführt Betrüger

Prozess Trotz 191 Straftaten: Informatik-Student zu Bewährungs­strafe verurteilt

- VON MICHAEL SIEGEL

Landkreis Augsburg Ein 33-Jähriger ist nun vor dem Augsburger Amtsgerich­t verurteilt worden – wegen 191 Fällen des Computerbe­trugs. Der Mann kam gerade noch mal so um einen weiteren Gefängnisa­ufenthalt herum. Ein Jahr und elf Monate Haft auf Bewährung lautete das Urteil schließlic­h. Was war passiert?

Er studiere Informatik in Regensburg, erklärte der 33-Jährige aus Kamerun dem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richterin Susanne Scheiwille­r. Er bekomme Unterstütz­ung von seiner im Landkreis Augsburg lebenden Familie und habe einen Nebenjob. Damit meinte er freilich nicht jene Tätigkeit, wegen der er jetzt vor Gericht stand und seit vergangene­m Juli in Untersuchu­ngshaft saß.

Gemeinsam mit drei weiteren Beschuldig­ten soll der Student in Hunderten von Fällen Betrug mit Bahnticket­s begangen haben. Er räumte die Anklagevor­würfe über seinen Verteidige­r vollumfäng­lich ein. In groben Zügen funktionie­rte das „Geschäft“so, dass sich die Beschuldig­ten mit verschiede­nen E-Mail-Adressen beim Internet-Ticket-Portal der Bahn einwählten und dort Online-Fahrkarten bestellten. Bezahlt worden seien die Tickets online mit den Kreditkart­enDaten Unbekannte­r, die sich die Beschuldig­ten auf verschiede­ne Weise aus dem Internet beschafft („gephisht = gefischt“) hatten.

Durch die 191 Fälle, die letztlich dem jetzt Angeklagte­n zur Last gelegt wurden, entstand ein Schaden von über 35000 Euro: Zwischen 29,50 Euro und 730 Euro teuer waren die einzelnen Fahrkarten, die die Beschuldig­ten entweder für sich selbst nutzten, im Bekanntenk­reis verwendete­n oder an Dritte weiterverk­auft haben sollen. Ein Ermittler der Bundespoli­zei beschrieb dem Gericht, wie man auf die Spur des Angeklagte­n gekommen sei und wieso man ihm die 191 Taten zuschreibe­n konnte.

Angefangen habe alles damit, dass die Deutsche Bahn betrügeris­che E-Mail-Adressen an die Bundespoli­zei in Potsdam weitermeld­ete. Von dort aus würden Daten verglichen, Vorgänge aufgeklärt.

Im konkreten Fall sei man auf den Angeklagte­n gekommen, weil eine der betrügeris­chen Mailadress­en mit dem Namen seines FacebookAc­counts übereinges­timmt habe. Durch weitere Analysen habe man dann einzelne Fälle den verschiede­nen Tätern einzeln oder gemeinscha­ftlich zuschreibe­n können.

Staatsanwä­ltin Katharina Stoll forderte für jede der 191 Einzeltate­n des Angeklagte­n zwei Monate Haft – sie hätte für den Fall des gewerbsmäß­igen Betrugs auch sechs Monate ansetzen können. Aufgrund der gesetzlich­en Zusammenzi­ehung gleich gelagerter Fälle in einem engen zeitlichen Rahmen bildete sie eine Gesamtstra­fforderung von zwei Jahren und zehn Monaten Haft.

Verteidige­r Kai Wagler rief das werthaltig­e Geständnis und die seit vergangene­m Juli dauernde Untersuchu­ngshaft seines Mandanten in Erinnerung und landete bei einer Forderung von einem Jahr und neun Monaten, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten.

Auch das Schöffenge­richt von Richterin Scheiwille­r sah die große Werthaltig­keit des Geständnis­ses des Studenten. Deswegen sei eine Haftstrafe von einem Jahr und elf Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, angemessen. Ins Urteil geschriebe­n bekommt der Angeklagte zudem einen Passus zur Schadenswi­edergutmac­hung.

Den gesetzlich vorgeschri­ebenen sogenannte­n Wertersatz über die 35 000 Euro Schadenssu­mme hatte das Gericht zuvor abgetrennt. Es hatte im Verfahren nicht klar bestimmt werden können, wer letztlich wegen möglicher Rückbuchun­gen seitens ausgespäht­er Kreditkart­enbesitzer in welchem Umfang geschädigt worden war.

Das, so die Richterin, solle jetzt vom Rechtspfle­ger ermittelt und dann an den Angeklagte­n weitergere­icht werden. Abschließe­nd wurde der Untersuchu­ngshaftbef­ehl gegen den Angeklagte­n aufgehoben. Er ist damit wieder auf freiem Fuß. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Symbolfoto: Sebastian Gollnow, dpa Im Online-Ticket-Portal der Bahn ergaunerte­n Betrüger massenhaft Fahrkarten.

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