Hier wird der Koch zum Künstler
Gastronomie I Christian Grünwald hat zum elften Mal in Folge zwei Michelin-Sterne erhalten. Was seine Küche auszeichnet, sind Kreativität, Konsequenz und Know-how. Die Natur spielt in seiner Karriere eine große Rolle
Ist Christian Grünwald nun ein Koch oder ist er ein Künstler? Vielleicht ein wenig von beidem. Die Tester des Restaurantführers Guide Michelin jedenfalls bescheinigen ihm in der neuesten Ausgabe des roten Taschenbuchs, „dass er die Welt und auch das Kochen mit den Augen eines Künstlers sieht“.
Der kochende Künstler selbst gibt sich davon nicht ganz unbeeindruckt. Und froh, das darf man annehmen, ist er natürlich, dass er auch in diesem Jahr wieder seine Sterne halten konnte – zum elften Mal in Folge. „Man darf diese Sterne nie aus dem Blickfeld verlieren“, das sagt er bei einem Gespräch am Mittwochabend aber eher beiläufig. Seit der Michelin seine Ergebnisse veröffentlicht hat, ist erst ein Tag vergangen, Grünwald jedoch feiert nicht, er steckt schon wieder im Alltag eines Zwei-Sterne-Kochs. Der besteht vor allem aus harter Arbeit, an manchen Tagen sind es 14 Stunden am Stück, was nur deshalb funktioniert, weil Grünwalds Lebensgefährtin Bettina Hentschel alles mitträgt.
Im Moment inspirieren Grünwald die frischen Aromen des Frühlings. 23 Gänge gibt es im Rahmen eines Dinners, das gut vier Stunden dauert. Dann serviert er zum Beispiel Post aus Peru. Dahinter steckt eine Postkarte, die ihm einmal ein Gast geschickt hat – verziert mit einer schwarzen Chili. Grünwald regte sie zu einem eigenen Gang an. Die Natur, sagt der 54-Jährige, sei überhaupt seine größte Inspiration: ein Gang über eine blühende Wiese oder ein abgeerntetes Feld. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Schon als Kind reiste der „Geschmacksforscher“mit den Pfadfindern nach Frankreich und Italien, dort habe er gutes Essen kennenund liebengelernt. Er machte eine Lehre als Koch, danach reiste er um die Welt, ohne je in berühmten Häusern gearbeitet zu haben. In den vergangenen knapp 30 Jahren hat er sich selbst ein solches aufgebaut: Angefangen hat alles 1989 in Augsburg. Damals eröffnete Grünwald sein erstes Lokal in der Frauentorstraße. 2006 gab es den ersten Michelin-Stern, 2008 den zweiten und diesen dann Jahr für Jahr, bis jetzt. Der Umzug des August vom Domviertel in die Villa in der Jakober- vorstadt hat nichts geändert, im Gegenteil: „Der Umzug vor einigen Jahren in die Beletage der denkmalgeschützten und im Neorenaissance-Stil erbauten Haag-Villa aus dem Jahr 1877 hat sich auf jeden Fall gelohnt“, heißt es im Guide Michelin. Auch das eine Auszeichnung, Umzüge sind in Sachen Sterneküche ja bekanntlich eher eine kniffelige Angelegenheit.
Über den Michelin-Stern für das Sartory und dessen Koch Simon Lang freut sich Christian Grünwald sehr: „Das ist ein Ritterschlag für einen Koch.“Den Ausgezeichneten mache dies zumindest in bestimmten Kreisen in ganz Deutschland bekannt. Und für Gourmets, die Augsburg besuchen wollen, sei die Auszeichnung ebenfalls eine gute Sache.
Was Grünwald aber überhaupt nicht verstehen kann, sind Klagen über zu hohe Preise für einen Abend im Sternelokal. Bei seinen Gästen sei das aber auch kein Thema, die wüssten, was sie erwartet, ist Grünwald überzeugt. Zwischen 189 und 210 Euro kostet ein Menü im „August“, abhängig ist das von den Zutaten, die Getränke fallen extra an. Eine Speisekarte gibt es nicht, die Gäste bekommen ein festes Menü.
Die Michelin-Tester überzeugte Grünwald unter anderem mit gepickeltem Spargel, Herzmuschel und Hummer, Algen-Krokant und geeistem Feta sowie Nektar von zwölf Gemüsen. Der Koch, heißt es in der Beurteilung, sei einer, „der etwas wagt, der seine ganz eigenen Vorstellungen konsequent durch viele Bereiche dekliniert und Erfolg damit hat“.
Und was macht einen Sternekoch nach Grünwalds Ansicht aus? Der 54-Jährige sagt, man brauche vor allem erstklassige Ware – und viel Know-how, denn Kochen sei auch Wissenschaft, ja, es falle eigentlich in den Bereich Kunst. Aha! Dieser Mann ist eben doch ein Künstler. ⓘ
Info August, Johannes-Haag-Straße 14, Telefon 0821/35279. Geöffnet Mittwoch bis Samstag ab 19 Uhr.