Mord: Die lange Suche nach dem Angeklagten
Justiz Seit Dezember steht Stefan E. vor Gericht, weil er die Prostituierte Angelika Baron 1993 umgebracht haben soll. Im Laufe der Jahre hatten die Ermittler auch andere Männer überprüft, darunter einen Serienmörder aus Belgien
Die amerikanischen Ermittler meldeten sich 2002 bei ihren Augsburger Kollegen. In den USA suchte man gerade nach einem möglichen Serienmörder von Prostituierten, und es war ein Mann in Verdacht geraten, der von 1991 bis 1994 als Soldat in Augsburg stationiert gewesen war. In Augsburg war 1993 ebenfalls eine Prostituierte umgebracht worden, Angelika Baron, im Alter von 36 Jahren. War der USSoldat ein möglicher Täter?
Die vage Möglichkeit zerschlug sich schnell, da der Mann für Taten in den USA ein Alibi hatte und damit als möglicher Serienmörder nicht mehr in Betracht kam. Auch in Augsburg ließ man die Sache schließlich ruhen. Den Fall Angelika Baron hingegen nicht, ihn verfolgte die Polizei weiter. Vor der Schwurgerichtskammer des Augsburger Landgerichts sitzt seit Dezember Stefan E. wegen des Mordvorwurfs auf der Anklagebank, 50 Jahre alt, ein ehemaliger Freier der Frau. Bis die Ermittler auf seine Spur kamen, verging fast ein Vierteljahrhundert. Bis dahin waren im Laufe der Jahre immer mal wieder andere Männer zumindest kurz in den Fokus der Polizei gerückt und wurden überprüft, wie nun ein erfahrener Mordermittler als Zeuge vor Gericht schilderte.
Da war der amerikanische Soldat, aber da war zum Beispiel auch Tiago K.*, der der Liebhaber der Prostituierten und möglicherweise auch ihr Zuhälter gewesen war. Er trat im Prozess bereits als Zeuge auf und lieferte einen denkwürdigen Auftritt voller widersprüchlicher Aussagen ab. Angelika Baron soll nach Aussagen von Zeugen 10000 bis 15000 Mark im Monat verdient haben; Geld, von dem Tiago K. offenbar in nicht unerheblichem Maße profitiert hatte. So soll die Prostituierte ihm unter anderem einen S-KlasseMercedes gekauft haben. Auch war er Begünstigter einer Versicherung, die sie abgeschlossen hatte. Der Mann sei auch „intensiv überprüft“worden, sagte der Mordermittler vor Gericht. Er hatte allerdings ein Alibi, und DNA-Spuren von ihm fanden sich nicht an der Leiche.
Auch andere Männer, die zwischenzeitlich überprüft worden waren, schlossen die Ermittler aus diesem Grund als Verdächtige aus. Ein belgischer Serienmörder etwa, wegen dreier grausiger Taten zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach seiner Festnahme in Belgien hatte das Bundeskriminalamt (BKA) Dienststellen in Deutschland angeschrieben, ob der Mann auch hier für Taten infrage kommen könnte. Oder ein Mann, der Ende der 90erJahre seine Ehefrau umgebracht hatte. Die Schwester des Opfers fand später im Haus des Täters Zeitungsartikel über den Mordfall Angelika Baron. Warum er sie aufbe- wahrt hatte? Der Mann selbst konnte es sich offenbar nicht erklären. Auch sein genetischer Fingerabdruck stimmte nicht mit den Spuren überein, die Ermittler an der Leiche gesichert hatten.
Gegen einen weiteren Mann aus Schleswig-Holstein führten die Polizisten phasenweise sogar recht konkrete Ermittlungen aufgrund einer zunächst vielversprechend erscheinenden DNA-Spur. Er war wegen Besitzes von kinderpornografischen Schriften im Norden verurteilt worden, 1993 aber hatte er im süddeutschen Raum gelebt. Doch auch in seinem Fall ergab sich nichts, und er kam nach einem modernen DNA-Analyseverfahren auch nicht mehr als möglicher Täter infrage.
Das Erbgut des Angeklagten Stefan E. hingegen befand sich an mehreren Stellen der Leiche von Angelika Baron – so kamen die Ermittler auf seine Spur. Der Prozess gegen ihn ist in der Schlussphase, die meisten Zeugen haben mittlerweile ausgesagt.
Wie lange diese Schlussphase dauern kann, ist hingegen noch offen: Die Verteidiger Klaus Rödl und Michael Zapf haben zuletzt mehrere Anträge gestellt, etwa, dass ein Gutachter die Glaubwürdigkeit eines wichtigen Zeugen untersuchen soll. Der Zeuge hatte ausgesagt, dass der Angeklagte genau so einen Möbelfuß in seinem Auto liegen gehabt hatte wie derjenige, mit dem die Prostituierte vor ihrem Tod geschlagen wurde. Die Polizei fand das Holzteil neben der Leiche in einem Graben nahe Gessertshausen. Staatsanwältin Martina Neuhierl lehnt das Gutachten ab. Das Gericht habe selber die erforderliche Sachkunde, um die Glaubwürdigkeit zu beurteilen; es handle sich nicht um einen Ausnahmefall, der einen Sachverständigen erforderlich mache. Die Kammer hat noch nicht entschieden, ob es den Anträgen der Verteidiger folgt. Fortgesetzt wird der Prozess am 11. März. Dann sollen auch zwei verdeckte Ermittler als Zeugen aussagen, die Monate lang Vertrauen zu Stefan E. aufgebaut hatten. *Name geändert