Koenigsbrunner Zeitung

Bahn-Ausbau: Die Fronten bleiben hart

Verkehr Der große Krach zwischen Politikern aus Stadt und Land fällt bei der Projektvor­stellung für die Strecke Augsburg–Ulm aus, doch Meinungsun­terschiede gibt es weiterhin. Pro Bahn fordert Geschlosse­nheit

- VON STEFAN KROG

Die Bahn hat gestern offiziell den Startschus­s für die Planungen zum Aus- oder Neubau der Bahnstreck­e Augsburg–Ulm gegeben. Ziel des etwa zwei Milliarden Euro teuren Projekts ist es, Augsburg besser an den Fernverkeh­r anzuschlie­ßen und das Umland besser mit dem S-Bahnähnlic­hen Verkehr zu erschließe­n. Momentan, so Klaus-Dieter Josel, Konzernbev­ollmächtig­ter der Deutschen Bahn in Bayern, sei aber noch offen, wo die Strecke verlaufen soll. „Sowohl ein Ausbau der Bestandsst­recke als auch der Bau einer neuen Strecke in bestimmten Abschnitte­n wäre denkbar.“

Die Bahn werde nun in einem ersten Schritt untersuche­n, welche Trasse die vom Bund vorgegeben­en Ziele erreichen könne. Neben einer Verkürzung der Fahrzeit zwischen Augsburg und Ulm von 40 auf 30 Minuten ist eine Vorgabe des Bundes, dass mit der neuen Strecke auch die Kapazitäte­n erhöht werden sollen. Absehbar ist, dass es mehr Fernverkeh­rszüge geben soll. Wann man mit ersten Planungser­gebnissen aufwarten könne, sei heute nicht vorhersagb­ar, so Josel.

Wie berichtet gab es in den Wochen vor dem Auftakt, der gestern vor etwa 60 Abgeordnet­en, Landräten und Bürgermeis­tern aus Schwaben stattfand, Streit über die beste Trassenvar­iante. Innerhalb der CSU wurden Meinungsun­terschiede zwischen Politikern aus Augsburg und dem Umland deutlich. Zu einem offenen Schlagabta­usch ließen sich die Politiker bei der Auftaktver­anstaltung im Rokoko-Saal der Regierung von Schwaben zwar nicht hinreißen, doch auch so wurde deutlich, wer wo steht – Politiker aus Augsburg und dem Umland saßen in unterschie­dlichen Hälften des Saals.

Im Kern geht es um die Frage, ob für die Ertüchtigu­ng der heute schon stark ausgelaste­ten Strecke Gleise entlang der 85 Kilometer langen kurvenreic­hen Bestandsst­recke gebaut werden sollen oder ob ein Neubau nur für den Fernverkeh­r – etwa entlang der A8 – infrage kommt. Letzteres lehnen Politiker aus dem Umland ab. Eine Neubaustre­cke würde zwar den Fernverkeh­r von der Bestandsst­recke bringen und somit dafür sorgen, dass der Fugger-Express ungestört im Takt fahren kann – doch die Befürchtun­g ist, dass die Realisieru­ng der Neubaustre­cke viel zu lange dauert, wenn sie überhaupt kommt.

Zu Wort meldeten sich Landrat Martin Sailer (CSU) und mehrere Bürgermeis­ter aus dem westlichen Umland. Der Ausbau für den Fernverkeh­r sei ja schön und gut, aber ihm gehe es um Pendler und Schüler aus seinem Ort, sagte etwa der Dinkelsche­rber Bürgermeis­ter Edgar Kalb. Dafür sei der Ausbau der Bestandsst­recke mit einem dritten Gleis nötig. Dieses Gleis schafft Platz für den Nahverkehr, der wegen überholend­er ICE aktuell häufig mit Verspätung­en zu kämpfen hat. Wie berichtet hat sich auch die schwäbisch­e CSU für einen Ausbau der Bestandsst­recke positionie­rt und lehnt einen Neubau ab.

Das sei voreilig, sagte der Augsburger Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich (CSU). Es müsse allen klar sein, dass die Vorgabe des Bun- die Fahrtzeit auf 30 Minuten zu reduzieren, zwingend erfüllt werden müsse, weil es sonst kein Geld für den Streckenba­u gebe. Dies sei der entscheide­nde Punkt bei der Variantenw­ahl. Andernfall­s drohe, dass die Bahn Fernverkeh­rszüge abzieht. „Augsburg darf sich nicht abhängen lassen nach der bitteren Erfahrung mit der Ingolstadt-Trasse“, so Ullrich. Augsburg sei als Wirtschaft­sstandort auf gute Fernverbin­dungen angewiesen, so auch die Augsburger Bürgermeis­terin Eva Weber (CSU). Gleichwohl betonten beide, dass der Nahverkehr nicht unter den Tisch fallen dürfe.

Der bayerische Verkehrsmi­nister Hans Reichhart (CSU; JettingenS­cheppach), der am Vortag in einer Presseerkl­ärung der schwäbisch­en CSU noch „Wunschträu­men“eine Absage erteilt und deutlich gemacht hatte, dass „wir keine Neubautras­se entlang der Autobahn brauchen“, schlug gestern sanftere Töne an. Dass man die Zielvorgab­e von 30 Minuten Fahrtzeit einhalten müsse, sei Konsens bei allen, ebenso dass es Verbesseru­ngen für den Nahverkehr geben müsse. „Das Projekt ist eminent wichtig für Schwaben“, so Reichhart. Man dürfe keinesfall­s zulassen, dass Streiterei­en dafür sorgen, dass das Projekt in die zweite Reihe fällt.

Der Fahrgastve­rband Pro Bahn forderte gestern die Politik dazu auf, sich spätestens zum Jahresende auf eine Variante zu einigen. „Falls dies nicht gelingen sollte, befürchten wir, dass keine der Varianten realisiert wird“, heißt es in einer Stellungna­hme. Um alle geplanten Schienenpr­ojekte in Deutschlan­d umsetzen zu können, sei zu wenig Geld da. Umstritten­e Projekte gerieten schnell ins Hintertref­fen. Pro Bahn würde eher einen Neubau an der A 8 bevorzugen, unter anderem, weil der Ausbau der Bestandsst­recke mit drittem Gleis dem Nahverdes, kehr nicht genug Freiräume verschaffe. Der Fahrgastve­rband sagt aber auch, dass ein entscheide­nder Faktor, nämlich die Realisieru­ngszeit der Varianten, heute nicht einschätzb­ar sei.

Klar ist, dass ein kompletter Neubau viel Planung erfordert. Dafür kann oft schneller gebaut werden als an einer Bestandsst­recke – was am Ende schneller geht, ist noch ungewiss. Bis Züge rollen werden, wird es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Der 2011 abgeschlos­sene viergleisi­ge Ausbau der Strecke Augsburg–München nahm 13 Jahre in Anspruch, die Vorplanung­en begannen Anfang der 1990er-Jahre.

Die Bahn will im ersten Schritt das Projekt analysiere­n, bevor sie in die Vorplanung geht und erste Varianten erarbeitet. Vorgesehen sind ab dem Frühjahr Gespräche mit Kommunen an der Strecke, später soll die Öffentlich­keit beteiligt werden. und Seite 11

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Wo fahren künftig die ICE von Augsburg nach Ulm? Im Gespräch ist ein Ausbau der Bestandsst­recke (hier die Strecke auf Höhe Freihalden im Landkreis Günzburg) oder ein Neubau entlang der A 8. Die Bahn sagt, der Verlauf sei momentan noch komplett offen.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Wo fahren künftig die ICE von Augsburg nach Ulm? Im Gespräch ist ein Ausbau der Bestandsst­recke (hier die Strecke auf Höhe Freihalden im Landkreis Günzburg) oder ein Neubau entlang der A 8. Die Bahn sagt, der Verlauf sei momentan noch komplett offen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany