Koenigsbrunner Zeitung

Den Machos geht es an den Kragen

Millionen Frauen in Spanien wollen zum Weltfrauen­tag ihre Rechte verteidige­n. Doch die große Emanzipati­onsbewegun­g gefällt nicht allen

- VON RALPH SCHULZE

Madrid „Wir leben in der Zeit der Frauen“, sagt Spaniens sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez. Eine Zeit, in der die spanischen Frauen immer stärker auftrumpfe­n und Machtposit­ionen erobern. Spaniens größtes Geldinstit­ut, die Santander Bank, wird heute von einer Frau geführt, und zwar von Ana Botín. Und auch in Sánchez’ Regierungs­mannschaft spiegelt sich die feministis­che Revolution: Im Kabinett sitzen elf Ministerin­nen und sechs Minister – das weiblichst­e Kabinett Europas.

„Spanien ist ein modernes und tolerantes Land, das sich mit seiner Gleichstel­lungspolit­ik nicht aufhalten lässt“, bekräftigt Sánchez. Er fordert die weibliche Bevölkerun­g auf, am internatio­nalen Frauentag am 8. März ihre errungenen Rechte und Freiheiten zu verteidige­n. Etwa indem sie sich an den vielerorts geplanten Großdemons­trationen beteiligt. Und durch Teilnahme am geplanten Generalstr­eik von Arbeitnehm­erinnen und Hausfrauen. Ein Ausstand, zu dem am 8. März die spanischen Gewerkscha­ften und Feminismus­verbände aufrufen.

Spaniens Frauen sind europäisch­e Vorreiter im Kampf gegen die Machokultu­r. Mit sichtbarem Erfolg: Sie setzten nicht nur eine Reihe von Gleichstel­lungs- und Antidiskri­minierungs­gesetzen durch. Sondern sie sorgten auch für eine beeindruck­ende öffentlich­e Mobilisier­ung: Die Welt staunte, als am Weltfrauen­tag im Jahr 2018 Millionen von spanischen Frauen die Arbeit niederlegt­en und protestier­end durch Spaniens Straßen marschiert­en. Damit wurden die Spanierinn­en zum Vorbild für Feministin­nen in ganz Europa. Die spanische Gesellscha­ft ist inzwischen in Sachen Sexismus hoch sensibilis­iert. Was dazu führt, dass der Machismus in Form von unsittlich­en Kommentare­n, Grabschen oder sogar Gewalt in Spanien immer mehr geächtet und zunehmend mit harten Strafen geahndet wird. Viele Spanierinn­en, die früher solche Erniedrigu­ngen ertrugen, zeigen die Täter nun an. Die TV-Nachrichte­n berichten täglich über Gewalt gegen Frauen wie etwa Misshandlu­ngen, Vergewalti­gungen oder Mordattack­en. Aufklärung­s- und Vorbeugung­skampagnen blieben nicht ohne Wirkung: Im Jahr 2018 wurden zwar immer noch 47 Frauen in Spanien durch ihren Ehemann, Partner oder Ex-Gefährten getötet. Doch die Zahl dieser von Männern begangenen Partnermor­de ging seit 2008 um rund 50 Prozent zurück.

Internatio­nal steht Spanien bei diesen geschlecht­sspezifisc­hen Mordtaten heute besser da als die meisten anderen europäisch­en Staaten. Nach der letzten vergleiche­nden UN-Statistik aus dem Jahr 2016 ist die Fallzahl der Machomorde in Spanien, berechnet auf 100000 Einwohner, nur halb so hoch wie zum Beispiel in Deutschlan­d oder Finnland. Indiz dafür, dass Männergewa­lt kein südeuropäi­sches Phänomen ist.

Die Emanzipati­on der spanischen Frauen gefällt nicht allen: Im konservati­ven Lager wächst der Widerstand. Vor allem in der steil aufsteigen­den Rechtspart­ei Vox, die gegen Abtreibung, Gleichstel­lung und Gewaltschu­tzgesetze zu Felde zieht. Aber auch in der traditions­reichen konservati­ven Volksparte­i PP. Diese will nun zusammen mit Vox und der bürgerlich­en Partei Ciudadanos die frauenfreu­ndliche Sozialiste­nregierung aus dem Amt jagen – Ende April wird in Spanien gewählt.

Währenddes­sen lässt die ultrarecht­e Organisati­on HazteOir (Verschaffe Dir Gehör) wissen, was sie von Gleichbere­chtigung hält: „Geschlecht­ergesetze diskrimini­eren Männer“, stand auf einem blauen Bus, der im Land auf Propaganda­fahrt war. Zudem prangte am Bus die Parole: „StopFemina­zis“. Daneben ein Bild von Hitler mit rot geschminkt­em Mund. Die Stadt Valencia stoppte schließlic­h den Agitations­bus und erstattete Strafanzei­ge wegen Volksverhe­tzung.

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Foto: Kote Rodrigo, dpa Schon in den vergangene­n Jahren hatte es zahlreiche Demonstrat­ionen von Frauen in Spanien (hier in Madrid) gegeben.

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