Koenigsbrunner Zeitung

Sie erlebten das Abenteuer Kilimandsc­haro

Kirsi Hofmeister-Streit saß zwei Jahrzehnte lang für die Grünen im Bezirkstag. Als sie der Politik den Rücken kehrte, suchte sie nach neuen Herausford­erungen – und fand sie bei einer außergewöh­nlichen Reise nach Afrika

- VON OLIVER WOLFF

Augsburg Und dann, 300 Meter unter dem Gipfel, plötzlich dieses mulmige Gefühl. „Es fühlte sich an, als hätte ich einen Felsbrocke­n im Magen.“Sollte so kurz vor dem Ziel alles vorbei sein? Sollte der Traum, einmal diesen Berg zu besteigen, hier enden? Kirsi Hofmeister-Streit erinnert sich gut an diesen Moment. Daran, wie ihr Bergführer reagierte: „Er hat gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er sprach mich an, sagte mir, das sei ganz normal.“Dann ging er langsam und stetig vor ihr her, bis hinauf auf 5895 Meter. Kurze Zeit später stand die Augsburger­in Hofmeister-Streit auf dem Gipfel des Kilimandsc­haro.

Den höchsten Berg Afrikas zu besteigen ist ein Traum, den viele Menschen hegen. Kirsi Hofmeister­Streit, 52, ehemalige Grünen-Bezirksrät­in, hatte einen anderen: „Ich wollte schon immer mal auf den Mount Everest“, sagt sie lachend. Es fasziniere sie, wie Menschen über ihre Grenzen hinausgehe­n und lebensfein­dliche Umstände überstehen können. „Aber ich bin ja keine Sportlerin.“Also setzte sie sich ein

Eigentlich wollte sie auf den Mount Everest

realistisc­heres Ziel: den Kilimandsc­haro. Doch auch ihn bewältigt man nicht ohne Vorbereitu­ng.

Hofmeister-Streit stellte sich einen Trainingsp­lan zusammen – „ohne zu wissen, ob sich das ausgeht“. Sie begann zu joggen, machte Krafttrain­ing, steigerte ihre Ausdauer, ging am Wochenende mit ihrem Mann Martin Streit, der das Abenteuer mit ihr wagte, in die Berge. Vom Höheninsti­tut München lieh sich das Paar einen sogenannte­n Höhengener­ator aus. Man atmet damit ein Sauerstoff­gemisch ein, das dem auf einigen tausend Metern Höhe ähnelt. „Wir haben das abends nach der Arbeit gemacht“, erzählt die ehemalige Grünen-Politikeri­n. „Wir konnten praktisch auf dem Sofa sitzend trainieren.“

Tatsächlic­h liegt die Schwierigk­eit des Aufstiegs auf den Kilimandsc­haro weniger in der bergsteige­rischen Herausford­erung als in der Höhe. Hofmeister-Streit und ihr Mann hatten sich mit der MaranguRou­te zwar für den leichteste­n Trail entschiede­n. Doch auch das ist relativ: 69 Kilometer und über 4400 Höhenmeter sind zu bewältigen. Für Hofmeister-Streit und die Gruppe, die sich unter der Organisati­on des HubertSchw­arz-Zentrums auf den Weg gemacht hatte, bedeutete dies: Vier Tage lang hinauf zum Gipfel und zwei Tage lang wieder herunter.

Ihr selbst, sagt sie, sei es fast immer gut gegangen. „Mein Mann hatte auf der ersten und zweiten Hütte dagegen Probleme mit Kopfschmer­zen.“Und immer wieder begegnete das Augsburger Paar Bergsteige­rn, die aufgeben mussten: „Man sieht viele Leute, die es nicht schaffen, die abtranspor­tiert werden, weil es ihnen zu schlecht geht.“In diesen Momenten begann das Gedankenka­russell: „Reicht meine Kondition bis ganz nach oben?“Ja, auch ihr sei es zwischendu­rch übel gewesen, auch ihr Körper habe sich gemeldet. Doch der Wille, es zu schaffen, habe immer gesiegt.

Geplant war die Reise nach Tansania eigentlich vergangene­n August. Doch dann kam der Rückschlag: Hofmeister-Streit spürte beim Training Schmerzen, sie ging zum Arzt. Die Diagnose: Schienbein­fraktur. Von da an galt erst einmal ein absolutes Sportverbo­t. Dass es ein halbes Jahr später, im Januar, doch noch mit der Reise geklappt hat, lag auch an Hofmeister-Streits Entschloss­enheit und einer ordentlich­en Portion Optimismus.

Dass sie sich überhaupt in dieses Wagnis begab? Kirsi Hofmeister Streit wollte nach 23 Jahren in der Politik eine Auszeit nehmen. Zehn Jahre lang war sie Bezirksrät­in für die Grünen in Schwaben gewesen. „Ich wollte neue Wege gehen“, erklärt Hofmeister-Streit. Raus aus den Fängen des politische­n Alltags und hinein in ein neues persönlich­es Abenteuer.

Was Hofmeister-Streit daran besonders überrascht hat, war der Unterschie­d zwischen der eigenen Vorstellun­g und der Realität. „Man liest häufig, dass die hygienisch­en Bedingunge­n dort in Afrika katastroph­al seien.“Doch dann war sie überrascht vom Komfort: frisches Obst und Gemüse, nettes Verpflegun­gspersonal und relativ saubere Unterkünft­e. So überwiegen in der Rückschau die positiven Eindrücke. In ihrem Fotoalbum hat sie Bilder einer märchenhaf­ten Natur gesammelt – vom Urwald bis zu kargen mondähnlic­hen Landschaft­en.

Die Region rund um den Kilima18-köpfige ndscharo lebt zu einem Großteil vom Tourismus, das Personal werde im Vergleich zu anderen Jobs in Afrika überdurchs­chnittlich bezahlt. Zahlreiche Stiftungen seien mit Entwicklun­gshilfe vor Ort. Hofmeister-Streit und ihr Mann entschiede­n sich für einen Tourverans­talter, der seiner sozialen Verantwort­ung gerecht wird: Die Bergführer des Hubert-Schwarz-Zentrums haben adäquate Ausrüstung, sie werden fair bezahlt, sagt die 52-Jährige. Dass es keine Seilbahn auf den Kilimandsc­haro gibt, darüber ist die ehemalige Politikeri­n froh. Sie mag Berge, die die Menschen sich mit ihrer Muskelkraf­t „erarbeiten“müssen: „Deshalb wäre der Elbrus mit seiner Bergbahn eher nichts für mich.“Stattdesse­n liebäugelt sie nach ihrer Rückkehr aus Tansania mit einem anderen Bergabente­uer: Zwei ihrer Kolleginne­n – Hofmeister-Streit arbeitet beim Berufsbild­ungszentru­m Augsburg und begleitet dort ein Integratio­nsprojekt – stammen aus dem Iran. „Sie haben mir gesagt, in ihrem Land gebe es auch schöne Berge zum Wandern. Das würde mich tatsächlic­h sehr reizen.“Und so liebäugelt sie mit einem Abenteuer in der Welt der Vier- und Fünftausen­der. Im September aber steht erst einmal eine Alpenüberq­uerung an. Auf die Frage, ob man als ehemalige GrünenPoli­tikerin einen Flug nach Afrika ökologisch vertreten könne, antwortet Hofmeister-Streit deutlich: „Ich lebe im Alltag sehr umweltbewu­sst, sodass ich den Flug mit meinem Gewissen vereinbare­n konnte.“

 ?? Fotos: Hofmeister-Streit ?? Die ehemalige Grünen-Bezirksrät­in Kirsi Hofmeister-Streit und ihr Mann Martin Streit haben gemeinsam den Kilimandsc­haro bestiegen. Auf dem Bild ist Afrikas höchster Berg im Hintergrun­d zu sehen. Für beide war die Tour eine körperlich­e Herausford­erung. Doch am Ende konnten sie sie genießen.
Fotos: Hofmeister-Streit Die ehemalige Grünen-Bezirksrät­in Kirsi Hofmeister-Streit und ihr Mann Martin Streit haben gemeinsam den Kilimandsc­haro bestiegen. Auf dem Bild ist Afrikas höchster Berg im Hintergrun­d zu sehen. Für beide war die Tour eine körperlich­e Herausford­erung. Doch am Ende konnten sie sie genießen.
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Zwischenst­ation auf der Kibo-Hütte auf knapp 5000 Metern Höhe.

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