Sie erlebten das Abenteuer Kilimandscharo
Kirsi Hofmeister-Streit saß zwei Jahrzehnte lang für die Grünen im Bezirkstag. Als sie der Politik den Rücken kehrte, suchte sie nach neuen Herausforderungen – und fand sie bei einer außergewöhnlichen Reise nach Afrika
Augsburg Und dann, 300 Meter unter dem Gipfel, plötzlich dieses mulmige Gefühl. „Es fühlte sich an, als hätte ich einen Felsbrocken im Magen.“Sollte so kurz vor dem Ziel alles vorbei sein? Sollte der Traum, einmal diesen Berg zu besteigen, hier enden? Kirsi Hofmeister-Streit erinnert sich gut an diesen Moment. Daran, wie ihr Bergführer reagierte: „Er hat gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er sprach mich an, sagte mir, das sei ganz normal.“Dann ging er langsam und stetig vor ihr her, bis hinauf auf 5895 Meter. Kurze Zeit später stand die Augsburgerin Hofmeister-Streit auf dem Gipfel des Kilimandscharo.
Den höchsten Berg Afrikas zu besteigen ist ein Traum, den viele Menschen hegen. Kirsi HofmeisterStreit, 52, ehemalige Grünen-Bezirksrätin, hatte einen anderen: „Ich wollte schon immer mal auf den Mount Everest“, sagt sie lachend. Es fasziniere sie, wie Menschen über ihre Grenzen hinausgehen und lebensfeindliche Umstände überstehen können. „Aber ich bin ja keine Sportlerin.“Also setzte sie sich ein
Eigentlich wollte sie auf den Mount Everest
realistischeres Ziel: den Kilimandscharo. Doch auch ihn bewältigt man nicht ohne Vorbereitung.
Hofmeister-Streit stellte sich einen Trainingsplan zusammen – „ohne zu wissen, ob sich das ausgeht“. Sie begann zu joggen, machte Krafttraining, steigerte ihre Ausdauer, ging am Wochenende mit ihrem Mann Martin Streit, der das Abenteuer mit ihr wagte, in die Berge. Vom Höheninstitut München lieh sich das Paar einen sogenannten Höhengenerator aus. Man atmet damit ein Sauerstoffgemisch ein, das dem auf einigen tausend Metern Höhe ähnelt. „Wir haben das abends nach der Arbeit gemacht“, erzählt die ehemalige Grünen-Politikerin. „Wir konnten praktisch auf dem Sofa sitzend trainieren.“
Tatsächlich liegt die Schwierigkeit des Aufstiegs auf den Kilimandscharo weniger in der bergsteigerischen Herausforderung als in der Höhe. Hofmeister-Streit und ihr Mann hatten sich mit der MaranguRoute zwar für den leichtesten Trail entschieden. Doch auch das ist relativ: 69 Kilometer und über 4400 Höhenmeter sind zu bewältigen. Für Hofmeister-Streit und die Gruppe, die sich unter der Organisation des HubertSchwarz-Zentrums auf den Weg gemacht hatte, bedeutete dies: Vier Tage lang hinauf zum Gipfel und zwei Tage lang wieder herunter.
Ihr selbst, sagt sie, sei es fast immer gut gegangen. „Mein Mann hatte auf der ersten und zweiten Hütte dagegen Probleme mit Kopfschmerzen.“Und immer wieder begegnete das Augsburger Paar Bergsteigern, die aufgeben mussten: „Man sieht viele Leute, die es nicht schaffen, die abtransportiert werden, weil es ihnen zu schlecht geht.“In diesen Momenten begann das Gedankenkarussell: „Reicht meine Kondition bis ganz nach oben?“Ja, auch ihr sei es zwischendurch übel gewesen, auch ihr Körper habe sich gemeldet. Doch der Wille, es zu schaffen, habe immer gesiegt.
Geplant war die Reise nach Tansania eigentlich vergangenen August. Doch dann kam der Rückschlag: Hofmeister-Streit spürte beim Training Schmerzen, sie ging zum Arzt. Die Diagnose: Schienbeinfraktur. Von da an galt erst einmal ein absolutes Sportverbot. Dass es ein halbes Jahr später, im Januar, doch noch mit der Reise geklappt hat, lag auch an Hofmeister-Streits Entschlossenheit und einer ordentlichen Portion Optimismus.
Dass sie sich überhaupt in dieses Wagnis begab? Kirsi Hofmeister Streit wollte nach 23 Jahren in der Politik eine Auszeit nehmen. Zehn Jahre lang war sie Bezirksrätin für die Grünen in Schwaben gewesen. „Ich wollte neue Wege gehen“, erklärt Hofmeister-Streit. Raus aus den Fängen des politischen Alltags und hinein in ein neues persönliches Abenteuer.
Was Hofmeister-Streit daran besonders überrascht hat, war der Unterschied zwischen der eigenen Vorstellung und der Realität. „Man liest häufig, dass die hygienischen Bedingungen dort in Afrika katastrophal seien.“Doch dann war sie überrascht vom Komfort: frisches Obst und Gemüse, nettes Verpflegungspersonal und relativ saubere Unterkünfte. So überwiegen in der Rückschau die positiven Eindrücke. In ihrem Fotoalbum hat sie Bilder einer märchenhaften Natur gesammelt – vom Urwald bis zu kargen mondähnlichen Landschaften.
Die Region rund um den Kilima18-köpfige ndscharo lebt zu einem Großteil vom Tourismus, das Personal werde im Vergleich zu anderen Jobs in Afrika überdurchschnittlich bezahlt. Zahlreiche Stiftungen seien mit Entwicklungshilfe vor Ort. Hofmeister-Streit und ihr Mann entschieden sich für einen Tourveranstalter, der seiner sozialen Verantwortung gerecht wird: Die Bergführer des Hubert-Schwarz-Zentrums haben adäquate Ausrüstung, sie werden fair bezahlt, sagt die 52-Jährige. Dass es keine Seilbahn auf den Kilimandscharo gibt, darüber ist die ehemalige Politikerin froh. Sie mag Berge, die die Menschen sich mit ihrer Muskelkraft „erarbeiten“müssen: „Deshalb wäre der Elbrus mit seiner Bergbahn eher nichts für mich.“Stattdessen liebäugelt sie nach ihrer Rückkehr aus Tansania mit einem anderen Bergabenteuer: Zwei ihrer Kolleginnen – Hofmeister-Streit arbeitet beim Berufsbildungszentrum Augsburg und begleitet dort ein Integrationsprojekt – stammen aus dem Iran. „Sie haben mir gesagt, in ihrem Land gebe es auch schöne Berge zum Wandern. Das würde mich tatsächlich sehr reizen.“Und so liebäugelt sie mit einem Abenteuer in der Welt der Vier- und Fünftausender. Im September aber steht erst einmal eine Alpenüberquerung an. Auf die Frage, ob man als ehemalige GrünenPolitikerin einen Flug nach Afrika ökologisch vertreten könne, antwortet Hofmeister-Streit deutlich: „Ich lebe im Alltag sehr umweltbewusst, sodass ich den Flug mit meinem Gewissen vereinbaren konnte.“