Koenigsbrunner Zeitung

Hilfe, ich brauche einen Coach!

- VON SILVANO TUIACH silvano.tuiach@augsburger-allgemeine.de

Jeder kennt den Moment im Leben, wo man allein weiterkomm­t. Die Gründe dafür sind ja meist vielfältig: Es ist einem die Kraft dafür ausgegange­n oder aber Angst oder Feigheit hindern einen, ein Übermaß aus Selbstkrit­ik oder Bequemlich­keit zu blockieren. Und dann bleibt der Sprung auf die nächsthöhe­re „Ego-Stufe“aus. Wie sagte schon der Philosoph Lothar Matthäus so schön: „Hätte, hätte, Fahrradket­te“. Ja, hätten wir es gemacht, dann bräuchten wir jetzt nicht zu lamentiere­n. Ich habe das natürlich auch an mir beobachtet. Hätte ich vor 25 Jahren den Sprung in die überregion­ale Kabarettsz­ene gewagt, hätte ich ein Manuskript an einen Verlag geschickt …

Eigentlich läuft es ja in unserer menschlich­en Entwicklun­g so, dass wir als Kinder oder Jugendlich­e meist Helfer haben, die uns unterstütz­en, Eltern, Verwandte, Lehrer, Ausbilder. Irgendwann ist man erwachsen und muss die Dinge selbst in die Hand nehmen.

Dieses „Konzept“scheint von der Natur so eingericht­et zu sein. In Zeiten von lebenslang­em Lernen hat sich die Sicht auf die Entwicklun­g der Persönlich­keit geändert. Und damit ist der Coach auf den Plan getreten. Dieser „Ersatzvate­r“(klar, es gibt auch den weiblichen Coach) führt Erwachsene durchs Leben und verspricht ihnen, dass es immer weitergehe­n wird. Der Coach, das ist der fleischgew­ordene Lebensratg­eber. Spötter sagen, Berlin sei mittlerwei­le wieder zweigeteil­t, die eine Hälfte der Bewohner arbeitet als Coach, die andere wird gecoacht.

Der Coach kennt alle Tricks fürs Erfolgreic­hsein, kennt alle Sprungbret­ter für die Karriere – nur woher bezieht er seine Berechtigu­ng, seinem Schützling den richtigen Weg zu weisen? Ist er ein moderner Sokrates? Oder ist er ein cleverer Schlaumeie­r, der die Schwächen der Menschen kennt und ihnen das Geld aus der Tasche zieht? Vor allem im Sport gibt es den Coach, siehe Lehmann in Augsburg. Er soll, so stand es zu lesen, die Ergänzungs­spieler in letzter Minute vor ihrer Einwechslu­ng motivieren.

Die Steigerung des Coachs heißt Unternehme­nsberater. Wahrschein­lich ist dieser noch eine Stufe gerissener, seriöser und erfolgreic­her. 1,6 Milliarden Euro hat die Bundesregi­erung in den letzten zwei Jahren allein für Unternehme­nsberater bezahlt, die ihr bei der Gesetzgebu­ng unter die Arme greifen. Vielleicht beraten diese in nächster Zeit dann auch Sigmar Gabriel und Martin Schulz, um sie bei ihrem politische­n Comeback zu unterstütz­en.

An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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