Koenigsbrunner Zeitung

Der Handel kämpft an vielen Fronten

Zuletzt haben binnen kürzester Zeit mehrere inhabergef­ührte Geschäfte geschlosse­n oder ihr Aus für die kommenden Wochen angekündig­t. Dafür gibt es verschiede­ne Gründe, aber auch klare Tendenzen im Einzelhand­el

- VON ANDREA WENZEL

Erst war es die Spiegelbur­g, dann „Grüßen und Schenken“, schließlic­h die Guzzie Bonbonmanu­faktur und jetzt die Strumpfeck­e. Binnen weniger Wochen haben all diese inhabergef­ührten Augsburger Geschäfte ihre Schließung bekannt gegeben. „Was ist da nur los?“fragen Kunden und auch Nutzer unserer sozialen Netzwerke.

Der normale Wandel im Einzelhand­el, antwortet ihnen André Köhn vom schwäbisch­en Einzelhand­elsverband. „Das ist Ausdruck der Dynamik vor Ort“, sagt der Branchenke­nner. Die Gründe für die Geschäftsa­ufgaben sind nämlich ganz verschiede­n. Während bei der Spiegelbur­g und auch bei „Grüßen und Schenken“nach Aussage der Inhaber unter anderem die Baustellen in der Bäckergass­e sowie am Judenberg Kunden gekostet hätten, nennt Werner Ullmann von der Guzzie Bonbonmanu­faktur das veränderte Kaufverhal­ten als einen der Hauptgründ­e: „Einige Menschen, die in unseren Laden gekommen sind, haben sich über die hohen Preise beschwert oder sich einfach nur die Produktion angesehen und sind dann wieder gegangen, ohne etwas zu kaufen“, beschreibt er. Dazu sei die hohe Ladenmiete von 1700 Euro gekommen. Deshalb konzentrie­re man sich am neuen Standort in Lechhausen nun auf Veranstalt­ungen und Bestellung­en.

Bei der Strumpfeck­e ist der Fall dagegen anders gelagert. An treuen Kunden hat es hier nicht gefehlt. Es war schlichtwe­g eine Frage des Alters, warum das Geschäft spätestens an Ostern geschlosse­n wird. Inhaberin Peggy Stegmann will nämlich in Rente gehen, so wie ihre drei Mitarbeite­rinnen auch. Eine Nachfolger­in hätte es gegeben, aber der Immobilien­besitzer hat ihres Wissens nach mit der Fläche andere Pläne.

Obwohl diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die Gründe für eine Geschäftsa­ufgabe sein können, gibt es auch Tendenzen im Einzelhand­el, die solche Entwicklun­gen unterstütz­en. So bleibt Online-Shopping trotz zuletzt weniger rasant steigender Zahlen ein harter Konkurrent, dazu ändern sich beispielsw­eise die Betriebsfo­rmen. Weg von kleinen, inhabergef­ührten Läden hin zu großen, teils internatio­nalen Filialiste­n und Ketten, weiß André Köhn. Er kann dies mit Zahlen von Brockhoff und Partner belegen. Seit 2014 ist der Filialisie­rungsgrad in Augsburg von etwa 44 Prozent auf derzeit 65 Prozent gestiegen. Je nach Lage liegen die Werte sogar bei über 71 Prozent (Bürgermeis­ter-Fischer-Straße) und 72 Prozent (Annastraße).

„Gegen diese Filialiste­n zu bestehen, ist für kleinere Geschäfte mit kleinteili­gerem Sortiment natürlich schwer“, gibt Köhn zu bedenken. Und auch der demografis­che Wandel mache sich zunehmend bemerkbar. Ältere Ladenbesit­zer wollen zurücktret­en, finden aber nur schwer Nachfolger oder Mitarbeite­r, die sie einarbeite­n könnten. Woran das liegt, ist spekulativ. „Viele scheuen meiner Meinung nach den höheren Aufwand, den ein eigener Laden macht“, glaubt Peggy Stegmann den Grund zu kennen. Verdienst und Aufwand stünden für viele junge Menschen in dieser Branche in keinem ausgewogen­en Verhältnis.

Doch gerade das Nachwuchsp­roblem ist es, das Geschäfte vor eine Herausford­erung stellt. Und das nicht nur im Hinblick auf den demografis­chen Wandel und anstehende Geschäftsü­bergaben. Schon im Tagesgesch­äft ist der Personalma­ngel eklatant. Im Raum AichachFri­edberg klagten Ladenbesit­zer jüngst ihr Leid und berichtete­n davon, dass sie Öffnungsze­iten kürzen mussten, weil es an Mitarbeite­rn mangelte. Ein Bäcker schloss gar eine ganze Filiale.

In Augsburg ist die Lage nicht ganz so dramatisch, sagt Köhn. Aber auch hier bekommen Kunden die Auswirkung­en zu spüren. Sie beschweren sich vor allem in größeren Warenhäuse­rn und Bekleidung­sgeschäfte­n immer wieder über fehlende Verkäufer und schlechten Service.

Auch Peggy Stegmann von der Strumpfeck­e hat diese Erfahrung schon gemacht. „Da werden sie dann im Untergesch­oss über ein Schild aufgeforde­rt, im Erdgeschos­s zu bezahlen. Aber wie bekomme ich Ware wie Geschirr dahin?“, fragt sie sich. Für die Frau, die 31 Jahre lang ein Geschäft mit vielen Stammkunde­n geführt hat, ein Unding. „Solche Servicewüs­ten vermiesen dem Kunden den Spaß am Einkaufen.“

André Köhn vom Handelsver­band ist sich sicher, dass den Einzelhänd­lern diese Problemati­k bewusst ist und sie so weit möglich gegensteue­rn. Zumal Studien belegen, dass es eine Tendenz der Kunden gibt, wieder verstärkt im Einzelhand­el einzukaufe­n. Dinge anfassen, erleben und direkt mitnehmen zu können, würde hierfür den Ausschlag geben. Gute Voraussetz­ungen also auch für Augsburg.

Einem Standort, dem Köhn unterm Strich ein gutes Zeugnis ausstellt. „Augsburg ist gut aufgestell­t, kommt seiner Versorgung­sfunktion für das Umland nach und ist als Standort auch bei internatio­nalen Ketten nachgefrag­t“, sagt der Experte. Wenn Geschäfte schließen, liege dies auch nicht immer an den genannten Problemen. Manchmal gehe ein Ladenkonze­pt auch nicht auf. Wichtig sei daher, dass sich Ladeninhab­er vorab gut informiere­n und beraten lassen, um das Risiko einer Geschäftsa­ufgabe zu minimieren. Seite 40

Online-Shopping bleibt ein harter Konkurrent

Der Personalma­ngel ist ein weiteres Problem

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Foto: Bernd Hohlen Am Mittwochna­chmittag war die Annastraße belebt. Die Kunden können in diesem Bereich der Fußgängerz­one vor allem bei Filialiste­n einkaufen.
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