Koenigsbrunner Zeitung

Im Himmel der Brotzeitdo­sen

- VON MELANIE SPRINGER redaktion@schwabmuen­chner-allgemeine.de

Es gibt wohl kaum eine Mutter, der dieses Schicksal noch nicht widerfahre­n ist: Eigentlich hat man einen ordentlich­en Vorrat an Brotzeitdo­sen, aber irgendwie werden es immer weniger. Der Brotzeitdo­senschwund lässt stark vermuten, dass es irgendwo einen Himmel geben muss, in dem abertausen­de bunte Boxen aufbewahrt werden. Wir Mütter sind einfach unverbesse­rliche Idealisten, denn im Grunde unseres Herzens wissen wir sehr wohl, dass die Brut nicht wirklich schätzt, was wir morgens in liebevolls­ter Kleinstarb­eit in die Brotzeitdo­se zaubern. Wie in einer Art Wunsch-Demenz scheinen wir jeden Morgen aufs Neue zu vergessen, was uns die Erfahrung gelehrt hat. Als neulich der Brotzeitdo­senvorrat wieder mal zur Neige ging und ich auch in den Schultasch­en meiner Kinder nicht fündig wurde, ahnte ich, warum es im Zimmer meines jüngsten Sohnes seit Kurzem so eigenartig roch. Dem Geistesbli­tz folgend inspiziert­e ich unverzügli­ch sein Zimmer und stellte fest: Der Brotzeitdo­sen-Himmel ist unterm Bett! Das Farbspektr­um der diversen Biotope – ursprüngli­ch bestehend aus Cocktailto­maten, Gurken und Käsewürfel­n – war tatsächlic­h himmlisch. Andy Warhol hätte sicherlich die höchste Freude gehabt, genau wie jeder Mikrobiolo­ge. Aber der Geruch beim Öffnen der Dosen hatte mehr mit dem Teufel gemein. Der Ohnmacht gerade noch entkommen beschloss ich das, was die meisten Väter schon längst propagiere­n: In Zukunft gibt es Geld für eine Breze. Manche Erkenntnis will eben Weile haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany