Koenigsbrunner Zeitung

Diese drei Gewerkscha­fter haben viel zu erzählen

Auszeichnu­ng Seit 70 Jahren sind sie Mitglied. Als alte „Eisenbahne­r“erlebten sie noch den 16-Stunden-Tag

- VON ANDREA WENZEL

Eugen Sirch ist 88 Jahre alt und vor Kurzem für 70 Jahre Mitgliedsc­haft bei der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft ausgezeich­net worden. Was im Saal des Kolpinghau­ses in Augsburg nach einem gemütliche­n Kaffeeklat­sch aussieht, hat für den Mann eine ganz andere Bedeutung.

Für ihn hat die Gewerkscha­ft sein Berufslebe­n, aber auch sein Leben generell wesentlich beeinfluss­t – vor allem in jungen Jahren. „Als ich eingetrete­n bin, da haben wir noch 16 Stunden am Tag gearbeitet und auch den ganzen Samstag“, erzählt er. Die Gewerkscha­ften hätten sich nach Kriegsende neu gebildet und dafür gesorgt, dass sich die Arbeitsbed­ingungen zum Besseren wenden und Beschäftig­te und ihre Sorgen gehört werden. „Das hat für mich ein Stück Freiheit bedeutet und war lebenswich­tig“, erzählt Sirch. Deshalb ist er auch über 70 Jahre lang der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG), die 2010 aus den beiden Gewerkscha­ften GDBA und Transnet entstanden ist, treu geblieben. Jedem jungen Menschen würde er raten, ebenfalls Gewerkscha­ftsmitglie­d zu werden. „Es gibt auch heute noch in vielen Bereichen Unternehme­n, die nicht immer freiwillig geben, was den Mitarbeite­rn zusteht“, ist er überzeugt.

So geht es auch Robert Brenner. Auch er ist seit 70 Jahren Mitglied der EVG und 1948 eingetrete­n, weil er sich von seinem Arbeitgebe­r ungerecht behandelt gefühlt hat. Entgegen seiner Ausbildung wurde er damals zum Gleisbau „abkommandi­ert“. „Wir standen mit Schaufel und Pickel im staubigen Kies. Das waren schlechte Zeiten damals.“Deshalb trat er als damals 18-Jähriger in die Gewerkscha­ft ein und kämpfte gemeinsam mit anderen um eine Verbesseru­ng der Zustände. Und auch wenn die Gewerkscha­ften selbst erst im Aufbau waren, konnte doch Wesentlich­es bewegt werden, ist sich Brenner sicher. Auch was das Gehalt angeht. „Damals haben wir für einen Stundenloh­n von 95 Pfennig gearbeitet“, erzählt er.

Dass sich vieles seither verändert und zum Besseren gewendet hat, sei unter anderem ein Erfolg der Gewerkscha­ften, sind sich auch andere Jubilare an diesem Tag einig. Das führe aber nicht dazu, dass sie sich damit als Organisati­on selbst überflüssi­g gemacht hätte. Im Gegenteil: „Die Streiks der Zug- und Lokführer zeigen, dass es nach wie vor Bedarf gibt, sich zu solidarisi­eren und seine Interessen gegenüber dem Arbeitgebe­r gemeinscha­ftlich und organisier­t zu vertreten“, heißt es. Unter den Eisenbahne­rn scheint es zudem eine besondere Affinität zur Gewerkscha­ft zu geben. 75 Prozent der Mitarbeite­r seien auch heute noch entspreche­nd organisier­t, sagt Michael Ferber, Geschäftss­tellenleit­er der EVG in Augsburg. Ein Wert, der deutlich über jenem in anderen Branchen liegt.

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Foto: Bernd Hohlen Drei EVG-Mitglieder, die vor Kurzem für ihr 70-Jähriges ausgezeich­net worden sind. Von links: Robert Brenner, Heinz Szcech und Eugen Sirch.

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