Koenigsbrunner Zeitung

Adliger, Widerständ­ler, Spion

Serie Hans-Heinrich Herwarth Freiherr von Bittenfeld verriet Angriffspl­äne Hitlers an die Russen

- VON JÜRGEN DILLMANN

Landkreis Augsburg Heute geht es um eine Persönlich­keit des letzten Jahrhunder­ts, die zwar nicht im bayerische­n Schwaben geboren ist und gelebt hat, aber doch hier ihre Wurzeln hatte: Die Familie des Diplomaten Hans-Heinrich Herwarth Freiherr von Bittenfeld, dem die Universitä­t Augsburg die Ehrenbürge­rwürde verliehen hat, stammt aus dem Raum Augsburg und ist in den Annalen 1198 erwähnt. Spuren dieser Patrizierf­amilie finden sich in und um Augsburg bis heute.

Zur Welt gekommen ist Freiherr von Bittenfeld am 14. Juli 1904 in Berlin. Dort ging er zur Schule und machte das Abitur. Nach diversen Anstellung­en in Industrieu­nternehmen begann er Jura und Volkswirts­chaft zu studieren und besuchte die Universitä­ten Berlin, Breslau und München. 1927 ging er in den diplomatis­chen Dienst, 1930 wurde er an die deutsche Botschaft in Paris abgeordnet. Bereits ein Jahr später war er Attaché in Moskau. Dort nahm er Kontakt auf zu US-amerikanis­chen Botschafts­angehörige­n sowie zu britischen Geheimdien­stlern.

Seine Triebfeder bei diesem brisanten Vorgehen war die Vermeidung des Krieges. Und so spielte er den Amerikaner­n ein geheimes Zusatzprot­okoll des deutsch-sowjetisch­en Nichtangri­ffspaktes zu, in dem die Aufteilung Polens im Kriegsfall geregelt wurde. Ein Spiel mit dem Feuer, zumal von Bittenfeld eine jüdische Großmutter hatte und somit bei den Nazis gefährdet war. 1939 wurde er dann trotz dieses familiären Mankos eingezogen. 1940 verriet er auch die geheimen Angriffspl­äne der deutschen Wehrmacht auf Russland. Im Rahmen seines Militärein­satzes wurde er im Geheimdien­st der Wehrmacht bei den Osttruppen eingesetzt. Dabei erlangte er Informatio­nen über das geplante Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerun­g im Osten. All das veranlasst­e ihn, seinen Widerstand gegen das Regime zu intensivie­ren. Und so schloss er sich der militärisc­hen Widerstand­sbewegung gegen Hitler im Umkreis von Graf Stauffenbe­rg an und entging nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 nur knapp der Verfolgung durch die Nazis.

Nach Kriegsende stellte sich Herwarth in Österreich den Amerikaner­n. Und dort traf er zufällig einen der Amerikaner, die er in seiner Moskauer Zeit mit geheimen Informatio­nen versorgt hatte. Der erreichte die baldige Freilassun­g aus der Kriegsgefa­ngenschaft.

Nach 1945 fungierte er als hoher Ministeria­lbeamter in München und Bonn. Wie die Uni Augsburg weiter auflistet, war er 1955-1961 Botschafte­r in London, 1961-65 Staatssekr­etär von Bundespräs­ident Heinrich Lübke, danach bis 1971 Botschafte­r in Rom, 1971-77 Präsident des Goethe-Instituts und 1989 Akademisch­er Ehrenbürge­r. Gestorben ist Hans-Heinrich Herwarth Freiherr von Bittenfeld am 21. August 1999 im oberfränki­schen Küps.

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