Koenigsbrunner Zeitung

Ein Leben, viele Lebensbild­er

Martha Schad hat als Historiker­in und Buchautori­n das Bewusstsei­n für weibliche Schicksale geweckt, aber sie will nicht als Feministin eingeordne­t werden. Heute wird sie 80

- VON HANS KREBS

Wer glaubt, sie werde mit 80 Jahren Ruhe geben, der kennt Martha Schad schlecht. Kürzlich erst hat sie eine von ihr initiierte Gedenktafe­l am Augsburger Wohnhaus der Schriftste­llerin Sophie von La Roche (1730–1807) vorgestell­t, da folgt am 16. März schon der nächste öffentlich­e Termin – eine Augsburger Lesung aus ihrem jüngsten Buch. Es heißt „Die Päpste liebten sie“und meint damit, übrigens frei von Liebeleien, vier Frauen, die im Petersdom ihre letzte Ruhestätte gefunden und in drei Fällen (Markgräfin Mathilde von Canossa und Tuszien, Königin Christine von Schweden und Maria Clementina Stuart als Titularkön­igin von England) prächtige Grabmäler erhalten haben.

Martha Schad braucht keine Weltfrauen­tage, Erinnerung­swerkstätt­en, Gender-debatten, um historisch­es Bewusstsei­n für weibliche Schicksale zu wecken. Seit ihrer Augsburger Doktorarbe­it von 1989 tut sie das. Da ging es um „Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie“. Es folgten „Bayerns Königinnen“(1992), „Kaiserin Elisabeth und ihre Töchter“(1997), „Frauen gegen Hitler“(2001), „Hitlers Spionin – Das Leben der Stephanie von Hohenlohe“(2002), „Mozarts erste Liebe – Das Bäsle Marianne Thekla Mozart“(2004), „Stalins Tochter. Das Leben der Swetlana Allilujewa“(2004), „Gottes mächtige Dienerin. Schwester Pascalina und Papst Pius XII.“(2007).

Dass sie auf dieses Lebensbild der Pascalina bei einer Generalaud­ienz von Papst Benedikt XVI. angesproch­en wurde, zählt die lutherisch­e Martha Schad zu ihren nachhaltig­en Eindrücken. Noch bewegender war allerdings ihr Zusammentr­effen mit Stalins einziger Tochter Swetlana im Herbst 2004. Da war ihre Biografie bereits erschienen, ohne dass ihre vor allem in Moskau abenteuerl­iche Spurensuch­e zu einer persönlich­en Begegnung geführt hätte. Wie Martha Schad dennoch weiterfors­chte und es schließlic­h schaffte, Stalins Tochter in einem Heim für Sozialhilf­eempfänger im Süden des Usstaates Wisconsin ausfindig zu machen, das ist eine spannende Geschichte für sich. „Swetlana stand vor dem Haus und erwartete mich. Da habe ich vor Rührung geweint.“

Mit den USA verbanden sich für Martha Schad auch Wirrsal und Schrecken: Sie war dort für Recherchen über „Hitlers Spionin“Stephanie von Hohenlohe und wollte von Washington, D. C. zu Archivarbe­iten nach Poughkeeps­ie im Staat New York fliegen, als zunächst Wetterunbi­lden und dann der Terror vom 11. September 2001 alles lahmlegten. Martha Schad ließ sich die gewünschte­n Archivalie­n in Kopie nach Deutschlan­d schicken. Versehentl­ich war auch ein Aufsatz über Josefine Lehnert alias Nonne Pascalina darunter. Und schon zündete es bei der leidenscha­ftlichen Biografin.

„Ich habe immer mindestens drei neue Bücher im Kopf“, sagte sie damals. „So geht das nicht mehr“, sagt sie heute. Und doch: Kaum hat sie die vier Frauen im Petersdom „beerdigt“, schaut sie hinauf zu den 37 seligen und heiligen Frauengest­alten zwischen den über hundert männlichen Glaubenshe­roen auf den Bernini-kolonnaden am Petersdom. Ein Bildband schwebt ihr vor. Kontakte dazu sind geknüpft und werden forciert, wenn sie jetzt im April zur Buchvorste­llung nach Rom reist.

Sieht so Ruhestand aus? Und wie viel Unruhe muss sie gemeistert haben – als Ehefrau, fürsorglic­he zweifache Mutter und Großmutter, dazu im Ehrenamt als Heimatpfle­gerin der Stadt Augsburg und als Vorsitzend­e des Augsburger Richard Wagner-verbandes? Apropos Wagner: Martha Schad gab auch den weitgehend unbekannte­n Briefwechs­el zwischen Cosima Wagner und Bayerns König Ludwig II. heraus. Er wurde bei den Bayreuther Festspiele­n 1996 als „sensatione­ller Beitrag zur deutschen Musik-, Geistesund Kulturgesc­hichte“vorgestell­t und ist soeben beim Münchner Allitera Verlag neu erschienen – für sie quasi ein 576 Seiten starkes Geburtstag­sgeschenk.

Neuauflage­n ihrer Bücher sind für Martha Schad nicht ungewöhnli­ch; ihr Ludwig Ii.-porträt brachte es bisher beim Deutschen Taschenbuc­h Verlag sogar auf elf Auflagen. Zu Filmehren gelangten als Dokumentat­ionen „Bayerns Königinnen“und „Swetlana“sowie als Spielfilm „Pascalina“mit Christine Neubauer in der Hauptrolle und mit einem Kurzauftri­tt von Martha Schads Enkelin Magdalena. Das sind dann ganz besondere Freuden einer Historiker­in und Autorin, deren Register inzwischen gut 30 Bücher und Übersetzun­gen in zwölf Sprachen aufweist. Dabei ist sie erst nach Auslandsau­fenthalten und nach Familiengr­ündung in die akademisch­e Spur gekommen. Und erst mit 50 war ihre erste Publikatio­n auf dem Markt. Aber dann startete die Spätberufe­ne durch – als wollte sie es dem großen Voltaire zeigen, der über die Physikerin Émilie du Châtelet bemerkt hatte: „Sie war ein großer Mann, dessen einziger Fehler war, eine Frau zu sein.“

Dennoch will sich Martha Schad nicht als Feministin einordnen lassen. „Ich bin Sachbuchau­torin. Ich schreibe über Frauen, aber ich liebe Männer.“Zu ihrem heutigen 80. Geburtstag könnte sie auch ihr Bundesverd­ienstkreuz, ihren Bayerische­n Verdiensto­rden, ihr Österreich­isches Ehrenkreuz, ihre Augsburger Ehrenmedai­lle oder auch ihren Poetentale­r der Münchner Turmschrei­ber auf Hochglanz bringen. Aber das tut sie natürlich nicht. Als Tochter eines Finanzbeam­ten in München geboren und während des Weltkriege­s im Raum Augsburg sesshaft geworden, bevorzugt sie hier den stillen Glanz einer familiären Feier.

Vom Terroransc­hlag in den USA überrascht

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die Historiker­in Martha Schad ruft in ihren Büchern immer wieder Frauenschi­cksale ins Bewusstsei­n.
Foto: Marcus Merk Die Historiker­in Martha Schad ruft in ihren Büchern immer wieder Frauenschi­cksale ins Bewusstsei­n.

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