Koenigsbrunner Zeitung

Prozess gegen Stalker endet mit Überraschu­ng

Ein 37-Jähriger aus Augsburg terrorisie­rt seine Ex-freundin über Monate. Der Prozess gegen ihn ist schnell vorbei. Dann greift die Staatsanwa­ltschaft zu einer außergewöh­nlichen Maßnahme

- VON PETER RICHTER

Auf der langen Terminlist­e, die vor dem Gerichtssa­al aushängt, ist es an dem Nachmittag die letzte Verhandlun­g. Die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft gegen den Untersuchu­ngshäftlin­g haben es in sich. Der 37-Jährige muss sich wegen Stalking, Sachbeschä­digung, Beleidigun­g, Bedrohung, Hausfriede­nsbruch und Verstößen gegen das Gewaltschu­tzgesetz verantwort­en. Der in Augsburg lebende Angeklagte hat über Monate hinweg seine Exfreundin terrorisie­rt, die sich von ihm getrennt hatte.

Es wurde trotz schwerer Vorwürfe ein überrasche­nd kurzer Prozess. Das Gericht verhängte eine zehnmonati­ge Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Staatsanwa­lt, Verteidige­r und Richterin Susanne Scheiwille­r hatten sich vorab verständig­t, keine Zeugen zu laden, auch nicht die Geschädigt­e. Der Angeklagte hatte aus der U-haft signalisie­rt, umfassend zu gestehen.

Und so kommt es auch, allerdings nur aus dem Mund seines Anwalts Frank Thaler. Der 37-Jährige nickt bestätigen­d, als er seinen Verteidige­r sagen hört, ihm tue alles furchtbar leid. Der Angeklagte ergreift später selbst das Wort. Er suche, wie er sagt, nach psychologi­scher Hilfe wegen seiner Aggression­en. Das Gericht macht ihm im Urteil eine Therapie zur Auflage.

So lässt sich nur anhand der Anklage erahnen, wie Jasna S. * monatelang in Angst und Schrecken gelebt haben muss. Die Frau hatte sich im September vorigen Jahres endgültig von ihrem Freund getrennt. Der 37-Jährige, ein gebürtiger Kroate, reagiert wütend, als er bemerkt, dass sie einen neuen Freund hat. Er terrorisie­rt sie mit Anrufen und Nachrichte­n, die er hinter den Scheibenwi­scher ihres Autos klemmt. Sie klingen immer bedrohlich­er. Er nennt sie eine Schlampe, kündigt an, ihr das Gesicht zu zerschneid­en, sie mit einer Axt töten zu wollen oder sie aus dem siebten Stock ihrer Wohnung zu stürzen.

Jasna S. geht zur Polizei, ein Zivilricht­er verhängt ein sofortiges Kontaktver­bot. Was ihren Exfreund jedoch nicht davon abhält, weiterzuma­chen. So lässt er seine Wut an ihrem Auto aus, zerkratzt den Lack, bricht Außenspieg­el ab. Einmal passt er sie im Supermarkt ab, ein anderes Mal an ihrer Arbeitsste­lle. Im November wird er festgenomm­en, kommt für einen Monat in Vorbeugeha­ft. Seit 2017 kann die Polizei in Bayern zu dieser Maßnahme greifen, wenn sie Straftaten befürchtet. Aber auch die Haft bringt den Mann nicht zur Besinnung. Nachts hämmert er im Treppenhau­s an ihrer Wohnungstü­r, pöbelt lautstark vor dem Haus. Endlich, nach vier Monaten, endet für Jasna S. der Albtraum. Der Täter wird am 8. Februar erneut festgenomm­en, kommt in Untersuchu­ngshaft. Sie habe selten über einen Straftäter zu urteilen gehabt, der mit solchem Nachdruck Straftaten verübt hat, sagte die erfahrene Richterin, als sie das Urteil begründet. Das Glück der Frau, dass es bei den Drohungen blieb, der Täter sie nicht verletzt hat, ist auch das Glück des Angeklagte­n. Weil er zudem nicht vorbestraf­t ist, kommt er frei, ist seine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

Aber ist der Mann, der im Prozess kaum ein Wort gesagt hat, tatsächlic­h einsichtig? Die Staatsanwa­ltschaft hat offensicht­lich Zweifel. Noch im Gerichtsge­bäude wurde dem 37-Jährigen von zwei Polizisten eine elektronis­che Fußfessel angelegt. Diese sendet alle 15 Minuten ein Gps-signal an eine zentrale Überwachun­gsstelle in Hessen. Mitarbeite­r dort beobachten rund um die Uhr an Computern, ob sich Träger der Fußfesseln an gerichtlic­he Auflagen halten. So darf der jetzt verurteilt­e Täter Jasna S. nicht näher als 50 Meter kommen. In zwei Monaten entscheide­t dann ein Richter darüber, ob dem Mann die Fußfessel abgenommen werden kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany