Koenigsbrunner Zeitung

So schaffen Alleinerzi­ehende den Neuanfang

Nadine Hamann suchte Arbeit, nun hat sie sich mit einem Bistro selbststän­dig gemacht. Die Mutter von Zwillingen schaffte es dank tatkräftig­er Unterstütz­ung. Doch oft stehen Väter und Mütter ohne Partner vor Problemen

- VON MIRIAM ZISSLER

Nadine Hamann steht in ihrem Bistro und nimmt die Bestellung eines Paares auf, das soeben zum Frühstücke­n gekommen ist. Ihr Lokal „La Vi“in der Firnhabera­u betreibt die 32-Jährige seit knapp einem Jahr. Die Alleinerzi­ehende hat damit den Sprung in die Selbststän­digkeit gewagt. Unterstütz­t wurde sie vom Jobcenter, das seit einiger Zeit ein besonderes Augenmerk auf Arbeitssuc­hende wie Hamann hat.

Denn Alleinerzi­ehende sind oft nicht so leicht zu vermitteln wie andere Arbeitssuc­hende. Grund: Bei ihnen kommen teils mehrere Probleme zusammen. „Kinderbetr­euung, Arbeitszei­ten und Mobilität sind immer ein Thema. Auf der anderen Seite müssen Qualifikat­ionen nachgeholt, berufliche Flexibilit­ät geschaffen werden“, sagt Angela Zeh, Beauftragt­e für Chancengle­ichheit am Arbeitsmar­kt beim Augsburger Jobcenter. Vor zehn Jahren wurde dort ein Projekt ins Leben gerufen, dass Alleinerzi­ehende bei der Arbeitssuc­he unterstütz­t.

Im vergangene­n Jahr zählte das Jobcenter 1672 Alleinerzi­ehende, die Kinder bis 15 Jahre betreuen. Der Großteil sind Frauen, nur bei drei bis fünf Prozent der Fälle handelt es sich laut Angela Zeh um Männer. 390 Alleinerzi­ehende konnten 2018 in den Arbeitsmar­kt integriert werden. Nadine Hamann ist eine von ihnen, doch nicht bei allen läuft es so rund, so Zeh und Arbeitsver­mittlerin Dorothea Manger.

In jedem Team der fünf Sozialregi­onen des Jobcenters gibt es ein bis zwei Mitarbeite­r, die sich gezielt um die Belange Alleinerzi­ehender kümmern. „Als das Projekt gegründet wurde, lag die Anzahl von arbeitssuc­henden Alleinerzi­ehenden konstant bei 2200 Personen. Diese Zahl ist deutlich kleiner geworden“, sagt Angela Zeh. Grund seien die erweiterte­n Betreuungs­möglichkei­ten, die die Stadt inzwischen geschaffen habe – und das Fachwissen der Arbeitsver­mittler, die einen besseren Überblick über Netzwerke und Angebote haben als die, die sich um alle Arbeitssuc­henden kümmern. Eine Anlaufstel­le für Alleinerzi­ehende ist der Kooperatio­nspartner Berufsbild­ungszentru­m Augsburg und Schwaben (BBZ). Das dort angesiedel­te Projekt „Perspektiv­e Wiedereins­tieg“feierte am Weltfrauen­tag Zehnjährig­es. „In der Zeit wurden in Augsburg mehr als 2270 Frauen und Männer zum Thema Vereinbark­eit von Familie und Beruf beraten und 1351 Projekttei­lnehmende gefördert, begleitet und gecoacht, sagt Ulrike Stautner vom BBZ. Mit Seminaren, Coaching und Workshops werde der Wiedereins­tieg in verschiede­ne Angebote vorbereite­t, in anderen Fällen eine Ausbildung forciert. Denn: „Viele Alleinerzi­ehende haben gar keine Ausbildung. Kind kommt dann vor allem eine Ausbildung in Teilzeit in Frage“, erklärt Angela Zeh.

Manch einer könne anfangs nur ein niederschw­elliges Angebot in Anspruch nehmen. „Man darf nicht vergessen, dass viele Alleinerzi­ehende gerade erst eine Trennung verkraften und nun erst mit der neuen Lebenssitu­ation zurechtkom­men müssen. Das ist oft eine große psychische Belastung“, sagt Dorothea Manger. Ängst kämen hoch, alles alleine schaffen zu müssen. „Viele trauen sich das erst einmal nicht zu“, erzählt die Arbeitsver­mittlerin. Nicht so Nadine Hamann. Idee, Konzept und später auch Businesspl­an überzeugte­n nicht nur die Arbeitsver­mittlerin, sondern auch die Bank. „Bei ihr kam viel zusammen. Sie hat die richtige Vorbildung und auch den Willen für ein solches Vorhaben“, sagt Dorothea Manger.

Hamann hat in Hamburg eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerb­e absolviert. Anschließe­nd ging sie 2008 nach Wien, um dort weitere Erfahrunge­n in der Gastronomi­e zu sammeln. Dort brachte sie die Zwillinge zur Welt, trennte sich von ihrem Partner und kam 2013 nach Augsburg. Schnell wollte sie wieder Fuß in ihrem Job fassen. Allerdings musste das erst einmal organisier­t werden. „Gastronomi­e und Handel sind aufgrund der Öffnungsze­iten oftmals recht schwierig für Alleinerzi­ehende“, weiß Dorothea Manger. Mithilfe des Jobcenmit ters und der Agentur für Kindertage­spflege (Agita) fand Nadine Hamann schnell eine Tagesmutte­r, die sie heute noch bei der Betreuung der inzwischen siebenjähr­igen Mädchen unterstütz­t.

Zweieinhal­b Jahre arbeitete sie zunächst in Teilzeit im Sterne-restaurant August. Dann schloss die Lechbäck-filiale in der Schillstra­ße und Nadine Hamann fasste einen Entschluss: Hier, in der Nähe ihrer Wohnung, wollte sie sich selbststän­dig machen. Vom Jobcenter erhielt sie für die ersten sechs Monate ein Einstiegsg­eld, das Sozialamt unterstütz­t sie bei der Finanzieru­ng der Kinderbetr­euung. Denn morgens um 5 Uhr geht es für Nadine Hamann in ihrem Bistro bereits los. Dann backt sie Franzbrötc­hen und Ciabatta, die später belegt werden. Sie bereitet das wechselnde Tagesgeric­ht vor und empfängt ihre Töchter später zum Frühstück. „Sie übernachte­n bei der Tagesmutte­r. Momentan sind sie noch zu klein, um sich morgens selbststän­dig fertig zu machen“, sagt die Mutter. Doch das gemeinsame Frühstück ist ihr wichtig. Von dort aus gehen ihre Töchter in die Grundschul­e, nach Unterricht und Hort kommen sie wieder zu ihrer Mutter ins Bistro. Wenn der Hort zwei Wochen im Sommer schließt, nimmt auch die Mutter frei und schließt ihr Geschäft. „Das muss drin sein.“

Der Sommer sei sehr gut gelaufen, der Winter eher verhalten. Hamann hofft, dass durch ein Schild, das noch nicht genehmigt ist, am Lech Spaziergän­ger und Ausflügler auf ihr Bistro aufmerksam werden. „Für mich war immer klar, dass ich arbeiten will und muss. Ich habe die Verantwort­ung für meine zwei kleinen Mädchen und will ihnen ein Vorbild sein.“„La Vi“, der Name ihres Bistros, ist übrigens nicht falsch geschriebe­n, es leitet sich auch nicht vom Französisc­hen „La Vie“(das Leben) ab. Es sind die Anfangsbuc­hstaben der Namen ihrer beiden Töchter Larissa und Viola. Aber irgendwie eröffnet das Bistro der kleinen Familie eben doch auch ein neues Leben.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Mit dem „La Vi“hat sich Nadine Hamann einen Traum erfüllt: Die alleinerzi­ehende Mutter kann arbeiten und sich um ihre beiden Töchter kümmern. Andere Alleinerzi­ehende finden nicht so leicht den berufliche­n Wiedereins­tieg.
Foto: Bernd Hohlen Mit dem „La Vi“hat sich Nadine Hamann einen Traum erfüllt: Die alleinerzi­ehende Mutter kann arbeiten und sich um ihre beiden Töchter kümmern. Andere Alleinerzi­ehende finden nicht so leicht den berufliche­n Wiedereins­tieg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany