Immer schön aus dem Handgelenk
Die Karnevalsstimmung der großen Profiturniere sucht man bei den Augsburg Dart-open in Bobingen vergeblich. Dafür gibt es in der Singoldhalle viele Experten, die bestens erklären können, was den Sport so schön macht
Bobingen Ausgelassene Fans in fantasievollen Kostümen, Gesänge und Showeinlagen, dazwischen hochkonzentrierte Pfeileprofis, die magisch präzise die Triple – den kleinen Streifen der Scheibe, der die höchste Punktzahl bringt – anvisierten. So vermittelte das Fernsehen die jüngste Dart-weltmeisterschaft im Londoner Alexandra Palace. War dieser Hype auch bei der 30. Augsburger Dart-open in der Singoldhalle zu spüren? Nun: Einhorne, Wikinger und Glückskobolde saßen nicht im Publikum. Es gab auch keine Anfeuerungsrufe oder Choreografien von Cheerleadern. Und doch vermittelte die Veranstaltung eine ungezwungene Atmosphäre und fröhliche Stimmung sowie den einen oder anderen sportlichen Gänsehaut-moment.
„Das mediale Spektakel der Dartwm hat unserem Sport eine ungeheure Popularitätssteigerung verschafft“, sagte der Präsident des Nordschwäbischen Dart-verbands (NSDV), Jürgen Dannhorn. Unterstützung erhielt er von Adi Seidl, Vorsitzender vom Verein Clochard Darter Augsburg, der die Open im Verbund mit den bayerischen Meisterschaften und einem Ranglistenturnier veranstaltete. „Die Mitgliedszahlen boomen“, freute er sich. Dabei habe sich der Dartsport vom einstigen Kneipensport längst gelöst. Events wie die Weltmeisterschaften und das German Masters hätten dem Geschicklichkeitsspiel in den letzten Jahren zu mehr Ansehen verholfen. Geblieben sei jedoch das verbindende Miteinander: „Unser Sport kennt keine Altersklassen und keine Geschlechterunterschiede“, sagte Dannhorn. Dennoch übt Dart einen besonderen Reiz aus. Es sei ein absoluter Präzisionssport, der viel Konzentration fordert, machte Rickey Eiseb von den Münchner Spartans aufmerksam, der seit rund 20 Jahren mit den Wurfpfeilen aktiv ist. Trotz Teamsport sei dennoch jeder für sich allein verantwortlich: „Wichtig ist eine ruhige und zielsichere Hand. Ein Fehler beim Wurf wird nicht verziehen.“
Davon wussten auch die Jugendnationalspieler Dominik Grüllich, Julian Fischer und Christina Schuler zu berichten. „Darts hat nichts mit Party zu tun“, stellten sie unisono klar. Dahinter stecke viel Technik und mentale Anstrengung, sagt Grüllich, der für die Black Birds Kelheim an den Start ging und auf eine erfolgreiche letztjährige Saison zurückblickte. Er gewann das Ranglistenturnier des Deutschen Dartverbands in Nürnberg und trat beim Europe Cup Youth in Ankara an. Der 16-Jährige spielt seit vier Jahren Darts und kam durch seine Eltern zu diesem Sport.
Auch in der Familie von Christina Schuler spielt Dart eine große Rolle. Sowohl die Eltern als auch ihre beiden Schwestern haben sich erfolgreich dem Sport verschrieben. Christina Schuler war zwei Mal Vize-europameisterin, Vize-weltmeisterin und Weltmeisterin im Doppel. Zuletzt gewann sie unter anderem beim Vier-nationen-turnier in den Niederlanden und sicherte sich ihren zweiten deutschen Meistertitel bei den Juniorinnen. Die 17-Jährige aus Buchloe gilt in der Szene als eine der aussichtsreichsten Nachwuchshoffnungen im deutschen Damen-dart. Sie wertet Dart als Trendsportart. Der Hype sei längst auch in Deutschland angekommen, bekräftigte sie.
Worauf kommt es überhaupt beim Dart an? „Auf Präzision, Fitness und Ausdauer“, antwortete sie. Hinzu komme strategische Planung und Konzentration: „Wichtig ist ein freier Kopf. Probleme müssen außen vor bleiben.“Gelingt dies, sei Dart Entspannung. Zudem rege der Sport zum Kopfrechnen an, ergänzte sie: „Innerhalb von Sekunden müssen die Wurfresultate summiert und protokolliert werden.“
Für Aleksander Spoljarevic, der für den DC Black Birds Kelheim in der Bundesliga antritt, ist Dart ein Mentalsport. Trotz etlicher internationaler Erfolge befinde sich Deutschland beim Dart noch im Aufbau, gestand er. Hier hätten England und die Niederlande die Nase vorn: „Uns fehlen noch die Zugpferde. Talente sind aber vorhanden.“
Und die Frauen? Obwohl Dart boomt, sei beim Frauenanteil kein sichtbarer Trend nach oben bemerkbar, resümierte Adi Seidl. Den Vereinsdurchschnitt schätzte er bei zehn bis 20 Prozent.
Dabei spielen bei Dart die Kräfteverhältnisse zwischen Mann und Frau keine Rolle: Der Wurf mit den normalerweise 16 bis zu 26 Gramm schweren Pfeilen erfolgt für beide aus einer Entfernung von 2,37 Metern. Monique Lessmeister aus Traunreut, zweimalige Deutsche Einzelmeisterin und versehen mit dem Spitznamen „Queen of Dart“: Je weniger Muskeln beim Wurf beteiligt sind, desto genauer sei der Treffer.
Der perfekte Wurf komme aus dem Handgelenk. So einfach sei das, lächelte die 31-Jährige.