Koenigsbrunner Zeitung

Sahra Wagenknech­t

Die Linke verliert ihr bekanntest­es Gesicht

- Margit Hufnagel

Wetten, dass? Wer Menschen auf der Straße nach einem Politiker der Linksparte­i fragt, der wird in acht von zehn Antworten den Namen einer Frau zu hören bekommen: Sahra Wagenknech­t. Sie ist nicht nur das Gesicht einer Partei, sie ist auch eine der schillernd­sten Politikeri­nnen, die Deutschlan­d derzeit hat. Strenge Frisur, feine Gesichtszü­ge, scharfe Kommentare – Wagenknech­t schafft es, auch in jenen Kreisen für eine gewisse Faszinatio­n zu sorgen, die mit ihrer Politik nur wenig anfangen können. Die Unnahbare wird sie genannt. Fast schon paradox: Ihr Talent, mit ihren Reden ganze Hallen für sich einzunehme­n, machte sie zugleich zu einer der häufigsten Talkshow-Gäste.

Und noch etwas muss man der 49-Jährigen lassen: Sie hat ein Gespür für den perfekten Zeitpunkt. Exakt 20 Jahre, nachdem ihr Mann Oskar Lafontaine seine Ämter bei der SPD abgab, verkündete sie ihren Rückzug von der Spitze der Linken. Gesundheit­liche Probleme aufgrund von Stress und Überlastun­g sind laut Wagenknech­t der Grund dafür. Aber es dürfte auch der Machtkampf in den eigenen Reihen sein, der sie so viel Kraft gekostet hat. Denn während die Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger die Linke salonfähig, sprich: koalitions­fähig machen wollen, scheute sich Sarah Wagenknech­t nie vor einer gehörigen Portion Populismus: Sie biederte sich bei den französisc­hen Gelbwesten an, gründete die linke Bewegung „Aufstehen“und machte mit ihren Äußerungen zur Flüchtling­spolitik bisweilen fast der AfD Konkurrenz. Die Partei schäumte und träumte schon vom Putsch. Doch den Mund verbieten ließ sich Wagenknech­t noch nie. Die 49-Jährige aus Jena, Tochter einer Deutschen und eines Iraners, eckte schon als junge Frau in der DDR an und durfte nicht studieren. Nach der Wende holte sie das unter anderem in Groningen nach. Als Volkswirti­n erwarb sie den Doktortite­l und setzte sich fortan für ein anderes wirtschaft­liches System in Deutschlan­d ein. „Die DDR war mein Land, ich wollte sie anders, ich wollte sie besser, aber ich wollte nicht, dass sie kaputtgeht“, erklärte sie in einem Interview im Jahr 1995. Lange war sie Wortführer­in der „Kommunisti­schen Plattform“, lässt ihre Mitgliedsc­haft ruhen, als ihr der Aufstieg an die Parteispit­ze gelingt. In die politische Mitte gerückt ist die Thüringeri­n deshalb aber nie.

Und das wird sie wohl auch in Zukunft nicht: „Ich bleibe ein politische­r Mensch“, betonte sie. Sie wolle auch wieder mehr schreiben und Bücher rausbringe­n – auch das sei ja ein politische­s Statement. Es sei ihr ein Bedürfnis, in Diskussion­en eingreifen zu können. Ob das als Drohung oder als Verspreche­n aufgefasst wird, bleibt der Partei überlassen. Abstrampel­n wird sich Wagenknech­t künftig aber nur noch auf dem Fahrrad. Mit ihrem Mann unternimmt sie lange Touren – Standard seien 100 Kilometer, aber es dürfen auch mal 150 sein.

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Foto: dpa

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