Koenigsbrunner Zeitung

Ärzte fordern Impfpflich­t für alle Kinder

Schule schließt ungeimpfte Schüler aus. Auch Facebook reagiert auf Impfgegner

- VON MARKUS BÄR

Augsburg Eine Gesamtschu­le in Hildesheim hat am Dienstag 107 Schüler wegen einer fehlenden Masernimpf­ung bis Ende kommender Woche vom Unterricht ausgeschlo­ssen. Das teilte der Landkreis Hildesheim nach einer Überprüfun­g des Impfstatus aller 700 Schüler mit. Die Deutsche Gesellscha­ft für Kinderund Jugendmedi­zin fordert nach einer Häufung von Masernfäll­en in Niedersach­sen ebenfalls eine Impfpflich­t gegen die Kinderkran­kheit. Und auch auf Online-Plattforme­n ist das Thema Impfen relevant. Nachdem etwa Google bereits im Januar gemeldet hatte, Impfinform­ationen auf Youtube künftig neutraler darstellen zu wollen, will aktuell Facebook nachziehen.

Wer auf vielen Online-Plattforme­n den Begriff „Impfen“eingibt, dem werden fast immer Inhalte angezeigt, die sehr impfkritis­ch sind. Weil es offenbar eine hohe Nachfrage nach impfskepti­schen Inhalten gibt, rangieren diese bei Suchanfrag­en weit oben. Mit dem Nebeneffek­t aber, dass Menschen, die sich nicht impfkritis­ch, sondern völlig neutral mit dem Thema befassen wollen, beim unbedarfte­n Suchen fast nur auf impfkritis­chen Seiten landen. Das wollen Facebook und Co. ändern. Der Suchalgori­thmus wird umgearbeit­et, sodass impfkritis­che Inhalte zwar nicht unterdrück­t werden, aber bei einer Suchanfrag­e weit unten rangieren. Das wird wohl eine Weile dauern.

Beim Berliner Robert-Koch-Institut (RKI), das Infektions­krankheite­n erforscht, wird dieser neue Kurs begrüßt. „Wir sehen das grundsätzl­ich positiv“, sagte Susanne Glasmacher, Sprecherin des RKI, unserer Redaktion. Zum Thema Impfen gebe es viele Falschinfo­rmationen. Etwa, dass die Wirksamkei­t von Impfungen niemals belegt wurde. Dabei sei gerade beim Masernimpf­stoff die Wirksamkei­t bei Millionen von Menschen nachgewies­en worden. Die Erfurter Psychologi­n Prof. Cornelia Betsch hat das Thema Impfskepsi­s wissenscha­ftlich erforscht. Demnach findet man unter Impfgegner­n nicht wenige Menschen, die hinter bestimmten Vorgängen in der Welt bewusste Verschwöru­ngen vermuten – in diesem Fall vonseiten der Gesundheit­sorganisat­ionen und der Pharmaindu­strie. Dabei ist laut Paul-EhrlicherI­nstitut die Impfstoffe­ntwicklung für Pharmafirm­en im Vergleich zur Arzneimitt­elherstell­ung wenig rentabel und teuer. Deshalb gebe es nur noch wenige Firmen auf der Welt, die Impfstoffe produziere­n.

Betsch zufolge picken sich Impfgegner Fakten heraus, die ihre Thesen stützen, der Rest wird ausgeblend­et. „Viele sagen: Impfungen sind nicht natürlich und lehnen sie darum ab“, meint Betsch. Aber „natürlich“werde automatisc­h als „gut“interpreti­ert. Dabei seien Tetanusbak­terien auch „natürlich“– aber eine Tetanusinf­ektion ist alles andere als gesund.

Impfkritik­er wie etwa der Verein „Ärzte für individuel­le Impfentsch­eidung“sehen hingegen sehr wohl wirtschaft­liche Interessen der Pharmaindu­strie – auch wenn es inzwischen tatsächlic­h weltweit nur noch vier große Hersteller gibt. Die Empfehlung­en der für Deutschlan­d maßgeblich­en Ständigen Impfkommis­sion Stiko basierten alle nur auf Studien, die die Hersteller durchgefüh­rt hätten. Der Verein ist nicht kategorisc­h gegen das Impfen, wohl aber für ein wirklich unabhängig­es, kritisches Hinterfrag­en, ob das immer nötig ist. Abgelehnt wird allerdings ausdrückli­ch eine Impfpflich­t. Die CDU hat sich beispielsw­eise schon 2015 bei ihrem Parteitag für eine gesetzlich­e Impfpflich­t für Kleinkinde­r ausgesproc­hen. Doch ob eine solche eingeführt werden darf, ist rechtlich umstritten.

Was Deutschlan­d beim Thema Impfen von anderen Ländern lernen kann, erklärt Stephanie Sartor im

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