Koenigsbrunner Zeitung

Boeing in schweren Turbulenze­n

Nach zwei tödlichen Flugzeugab­stürzen wird der Verkaufssc­hlager des US-Konzerns zum Problemfal­l. Immer mehr Länder sperren den Luftraum für die Maschine des Typs 737 Max. Die US-Regierung reagiert nicht

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Chicago Nach dem Absturz einer Passagierm­aschine in Äthiopien gerät der US-Luftfahrtr­iese Boeing immer tiefer in die Krise: Die europäisch­e Luftfahrtb­ehörde EASA hat den europäisch­en Luftraum für Maschinen des Typs Boeing 737 Max gesperrt. Die Ankündigun­g kam nur wenige Stunden, nachdem bereits mehrere EU-Länder ihren Luftraum für die Boeing-Maschinen gesperrt hatten, darunter Deutschlan­d und Großbritan­nien. Auch andere Staaten wie China, Australien, Indonesien, Singapur und Malaysia lassen den Flugzeugty­p nicht mehr fliegen. Zahlreiche Airlines legten die Maschinen wegen Zweifeln an der Sicherheit der Baureihe 737 Max bis auf Weiteres still. Damit ist inzwischen etwa die Hälfte der seit 2017 ausgeliefe­rten rund 350 Flugzeuge aus dem Verkehr gezogen. Es drohen Flugausfäl­le.

Das stürzt Boeing nicht nur in eine tiefe Imagekrise: Die 737-MaxSerie ist der gefragtest­e Flugzeugty­p des Airbus-Rivalen. Bei andauernde­n Problemen könnten auch massive Umrüstungs­kosten und Geschäftse­inbußen drohen.

Boeing beharrt indes auf der Sicherheit der nach zwei Abstürzen innerhalb eines halben Jahres stark in die Kritik geratenen Baureihe. „Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit“, teilte der Konzern mit. Boeing verwies erneut darauf, dass die US-Luftfahrtb­ehörde FAA derzeit keine weiteren Maßnahmen fordere. In den kommenden Wochen will der Konzern jedoch ein wichtiges Software-Update für die Baureihe anbieten. Die Devise laute, „ein bereits sicheres Flugzeug noch sicherer machen“, versprach Boeing. Beim Absturz einer Maschine der Fluggesell­schaft Ethiopian Airlines in der Nähe von Addis Abeba waren am Sonntag 157 Menschen ums Leben gekommen.

Unterdesse­n wird der internatio­nale Flugverkeh­r aus Furcht vor weiteren Zwischenfä­llen zunehmend in Mitleidens­chaft gezogen. Angesichts zahlreiche­r Start- oder Überflugve­rbote der Luftfahrtb­ehörden kann die Boeing 737 Max 8 kaum mehr in Europa, China, weiten Teilen Südostasie­ns und Australien fliegen. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) sagte: „Sicherheit geht absolut vor. Bis alle Zweifel ausgeräumt sind, habe ich veranlasst, dass der deutsche Luftraum für die Boeing 737 Max ab sofort gesperrt wird.“Deutsche Fluggesell­schaften nutzen dem Verkehrsmi­nisterium zufolge keine Boeing 737 Max 8.

Das weitgehend­e Flugverbot hat nach Einschätzu­ng des Verbandes ADV keine allzu großen Auswirkung­en auf den Betrieb an den deutschen Flughäfen. „Bei uns herrscht keine Krisenstim­mung wegen dieses Fliegers“, sagte ADV-Hauptgesch­äftsführer Ralf Beisel. Die europäisch­e Luftfahrtb­ehörde EASA kündigte eine neue Bewertung der Lage an. Der weltgrößte Reisekonze­rn Tui legt infolge des Flugverbot­s in Großbritan­nien seine 15 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max 8 vorübergeh­end still. Auch die Billigflug­gesellscha­ft Norwegian wird ihre 18 Maschinen vorerst außer Betrieb nehmen, andere Airlines wie Turkish reagierten ebenfalls.

Viele Länder folgen diesmal nicht – wie üblich – der Linie der USLuftfahr­tbehörde FAA. „Diese Untersuchu­ng hat gerade erst begonnen, und uns liegen bislang keine Daten vor, um Schlussfol­gerungen zu ziehen oder Maßnahmen zu ergreifen“, teilte die FAA mit. Die US-Behörde kündigte an, sie werde „geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass dies erforderli­ch ist“. Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 im Oktober in Indonesien mit 189 Todesopfer­n gab es der FAA zufolge bereits zahlreiche technische Prüfungen und Maßnahmen.

US-Politiker sprachen sich für ein Startverbo­t des betroffene­n Flugzeugty­ps aus. Alle Flieger sollten am Boden bleiben, bis die Ursachen der jüngsten Abstürze und die Flugtaugli­chkeit geklärt seien, forderte der frühere republikan­ische Präsidents­chaftskand­idat Mitt Romney. US-Präsident Donald Trump sprach sich gegen den Einsatz von zu viel Computerte­chnologie in der Luftfahrtb­ranche aus. „Flugzeuge werden viel zu komplizier­t zum Fliegen“, schrieb Trump auf Twitter, ohne Boeing zu erwähnen. Statt Piloten brauche es heutzutage Computersp­ezialisten. Doch diese Komplexitä­t berge Gefahren, so Trump. „Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich will keinen Albert Einstein als meinen Piloten. Ich will großartige Flugprofis, die einfach und schnell die Kontrolle über ein Flugzeug übernehmen dürfen.“

Die Boeing 737 ist das meistverka­ufte Verkehrsfl­ugzeug der Welt. Die 737-Max-Reihe ist die neueste Variante des Verkaufssc­hlagers.

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Foto: Ben Stansall, afp Eine Boeing 737 Max setzt zur Landung an. Der Absturz einer Maschine des amerikanis­chen Hersteller­s sorgt für Unsicherhe­it in der Branche.

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