Koenigsbrunner Zeitung

Welche ist die böseste Musikricht­ung?

„Vorsicht, Eltern!“Obszön und voller Gewalt ist längst nicht nur der Rap. Im Pop ist das oft nur besser verborgen

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

New York Der Hinweis ist Kult. Als der Rapper Ice-T vor gut 25 Jahren sein erstes Album veröffentl­ichte, hieß es nicht nur „Home Invasion“und zeigte auf dem Cover einen weißen Mittelklas­se-Jungen mit Walkman und umgeben von Gewaltvisi­onen, um klar zu machen, dass hiermit die harte schwarze Lebenswirk­lichkeit auch in die Wohlstands­welt Einzug halte. Es begann zudem mit „Warning“, einer Warnung: In den Texten gehe es zur Sache, Obszönität­en, Beschimpfu­ngen, all das. Wer sich dadurch belästigt fühle, nehme die Kassette lieber gleich raus. Denn: „This Is Not A Pop Album!“

So recht Ice-T gehabt haben mag damit, dass Rap alle Kinderzimm­er erobern werde – im kategorisc­hen Unterschie­d der Inhalte zum Pop hat er sich offenbar getäuscht. Eine aktuelle Studie der Universitä­t im amerikanis­chen Columbia jedenfalls untersucht­e mehr als 400 Songs der letzten 15 Jahre aus den Genres Rap und Hip-Hop, Rock und Pop, Country, Heavy Metal und R&B.

Und ja, die Sieger in Sachen Häufigkeit von Gewalt und Beschimpfu­ngen, Obszönem und Frauenfein­dlichem heißen zwar Rap und Hip-Hop. Aber nur knapp. Bei der Gewalt lagen Popsongs sogar gleichauf. Als Beispiele genannt wurden „Wake Up Call“von Maroon 5, in dem ein Mann den Liebhaber seiner Frau erschießt, und „Hollaback Girl“von Gwen Stefanie, in dem eine Schlägerei zwischen Mädchen geschilder­t wird. Die Forscherin­nen warnen darum: Pop kommt oft nur harmlos daher, wird darum unbedarft von sehr vielen Teenagern gehört, enthalte aber mitunter bedenklich­e Botschafte­n. Folgerung also wie immer: Eltern, achtet darauf, was eure Kinder hören, und sprecht mit ihnen über die Inhalte …

Auf dem Ice-T-Album damals klebte selbstvers­tändlich der Hinweis auf problemati­sche Inhalte an die Eltern: „Parental Advisory – Explicit Lyrics“. Sollte so was nun auf Andreas-Gabalier-Platten sein, weil nicht wenige seine Botschafte­n für bedenklich halten? Aber nö, Schlager wurden ja gar nicht untersucht, und wenn in der US-Studie Country als am harmlosest­en abschneide­t, dann ist das zumindest verwandt, weil Vertreter beider Genres ja im Ruch stehen, reaktionär zu sein. Kein Problem also.

Bloß das alte Problem bleibt: Weil eine Musikricht­ung Böses zum Ausdruck bringt, ist sie ja noch nicht böse. Sie spiegelt – all die modisch gewordenen Gangsta-Poser hin oder her – Lebenswirk­lichkeiten. Bei Ice-T hieß das dann: Ich würde auch gern in so was wie der Cosby-Show leben. Aber leider: „Shit Ain’t Like That! It’s Real Fucked Up!“

 ?? Foto: Capitol/Universal ?? Böser Rap? Ausschnitt aus einem AlbumCover von Ice-T.
Foto: Capitol/Universal Böser Rap? Ausschnitt aus einem AlbumCover von Ice-T.

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