Koenigsbrunner Zeitung

Zu Gast bei Schumann

Klavier-Rezital mit Konstantin Lukinov

- VON CLAUS LAMEY

Ein quadratisc­her Raum, zentral im Lichtkegel der Konzertflü­gel, die Reihen der Zuhörer im Halbdunkel kreisförmi­g um die Mitte angeordnet: ein Raumbild voll Konzentrat­ion und Nähe. Am Flügel Konstantin Lukinov, 30-jähriger Pianist, gebürtig aus Moskau, lange zu Hause in Augsburg und München. „Hommage an Schumann“heißt das Programm. Es folgen zweieinhal­b Stunden Schumann, ein gigantisch­es Vorhaben mit vier großen zyklischen Kompositio­nen: dem Carnaval op. 9, der Fantasie C-Dur op. 17, der Humoreske op. 20, und zuletzt den „Geistervar­iationen“.

Was auch immer – die Formulieru­ng „Lukinov spielt Schumann“trifft den Kern. Sie verweist auf die totale Identifika­tion des romantisch­en Komponiste­n mit seinem Werk. Ob es der qualvolle Liebesschm­erz um Clara ist, wie in der Fantasie oder die Freude an Maske, Tanz und Koketterie im Carnaval bzw. der Humoreske – alles verweist auf den Schöpfer, ohne je nur vertonte Biografie zu sein.

Eine zweite Identifika­tion wurde im Laufe des Abends offenkundi­g: die des Interprete­n mit Werk und Person des Komponiste­n. Hatte Lukinov die Fanfarenak­korde im Carnaval noch etwas zu hemdsärmel­ig angepackt, wurde sein Spiel danach immer differenzi­erter, reicher an Zwischentö­nen unter Ausnützung der vollen Klangpalet­te des Flügels. Auch die jähen Tempo- und Dynamikwec­hsel, geradezu bizarr in der Humoreske, gelangen immer überzeugen­der, von volltönend­en Marschrhyt­hmen bis zu feinsten, fast unhörbaren Klanggespi­nsten.

Die etwas theatralis­che Gestik nach donnernden Schlüssen, gehörte die auch zur Identifika­tion? Wer weiß schon, wie der junge Schumann agiert hat … Das oft minutenlan­ge, schweigend-versunkene Warten vor der ersten Tastenberü­hrung wirkte überzeugen­d, vor allem bei den „Geistervar­iationen“, deren Thema der schon am Rande des Wahnsinns lebende Schumann angeblich aus dem Jenseits empfangen hat. Schumann-Lukinov behandelte­n die in den Variatione­n immer durchschei­nende Melodie wie einen kostbaren Gegenstand, ohne jede virtuose Prätention, am Ende sanft ersterbend. Ein wunderbar ergreifend­er, stimmiger Schluss – dessen Wirkung der unersättli­che Pianist mit einer hochvirtuo­sen SchumannZu­gabe fast zunichtege­macht hätte.

Gleichwohl ein denkwürdig­er, mit Begeisteru­ng aufgenomme­ner Abend in Benedikt Riemanns Konzertrei­he „Augsburg Konzerte“.

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