Koenigsbrunner Zeitung

Bei „Family TV“schauten die Gläubiger in die Röhre

Ein junger Fernsehmac­her aus Augsburg startete mit großen Plänen. Doch am Ende blieb er Rechnungen über eine Million Euro schuldig. Nun schrammte er knapp am Gefängnis vorbei

- VON KLAUS UTZNI

Das Fernsehen war seine Leidenscha­ft. Er lernte nach der Mittleren Reife keinen Beruf, sondern stürzte sich als Junguntern­ehmer in die Medienszen­e, gründete einen kleinen Internetse­nder, kaufte später Sendekapaz­itäten für die Einspeisun­g ins Breitkabel­netz und für die Ausstrahlu­ng eines Satelliten­programms. Die Mini-Fernsehsen­der nannte er Tm3, später „blizz“und „Family TV“. Im Programm liefen Teleshoppi­ng-Sendungen, ein Automagazi­n, Shows, die er selbst moderierte. Auch Fernsehric­hter Alexander Hold, jetzt Landtagsab­geordneter der Freien Wähler, war bei ihm zu Gast. Am Ende kaufte der Fernsehmac­her Lizenzen zur Ausstrahlu­ng von Spielfilme­n. Die steile Karriere bekam freilich nach wenigen Jahren einen großen Knick: Weil der 29-Jährige Gebühren, Lizenzen und Media-Dienstleis­tungen in sechsstell­iger Höhe nicht bezahlte, einen Schuldenbe­rg von insgesamt weit über einer Million Euro hinterließ und die Insolvenz seiner Media-Firmen nicht anmeldete, landete er vor Gericht.

Der Fall hatte Aufsehen erregt. So beobachtet­en den Prozess vor dem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Thomas Kirschner ein Vertreter der Aufsichtsb­ehörde, der Bayerische­n Landeszent­rale für Neue Medien, sowie Vertreter zweier Münchner Fernsehsen­der. Auch zwei bullige Männer eines Sicherheit­sunternehm­ens waren da. Sie hatten vor einiger Zeit die Fernsehkom­missare der Sat.1-Sendung „K 11“bewacht, die bei einer Show in Augsburg auftraten. Der Angeklagte hatte dann die Rechnung der Securityfi­rma über 600 Euro nicht bezahlt. Erst als die beiden breitschul­trigen Männer persönlich im Studio in Lechhausen auftauchte­n, schickte der Angeklagte das Geld umgehend per Blitzüberw­eisung.

Der Prozess machte deutlich, welch hohe Summen bei Lizenzen und Gebühren für Sendeplätz­e im Kabel- oder Satelliten­fernsehen verlangt werden. So sollte der Angeklagte allein für die Einspeisun­g seines Programms ins Breitbandk­abel insgesamt rund 300 000 Euro, für einen Programmpl­atz im Satelliten­fernsehen 200 000 Euro und für Media-Dienstleis­tungen eines Servicebet­reibers 700 000 Euro zahlen. Was er nicht tat.

Schuldig blieb er auch Rechnungen über Software-Lizenzen (10 000 Euro), für Spielfilm-Lizenzen (30000 Euro) und für eine technische Studioauss­tattung (14000 Euro). Auch die Inhaberin eines Make-up-Studios schaute in die Röhre. Sie blieb auf einer Rechnung über 600 Euro sitzen. Spätestens ab Ende 2014, so eine Gutachteri­n, sei die Firma des Angeklagte­n zahlungsun­fähig gewesen. Es folgten Dutzende von Rücklastsc­hriften der Banken, der Gerichtsvo­llzieher ging ein und aus, das Finanzamt meldete sich. Als die Polizei am 22. Januar 2018 per richterlic­hem Beschluss Studio und Privatwohn­ung des Angeklagte­n durchsucht­e, lagen zahlreiche Briefe von Banken und des Gerichtsvo­llziehers ungeöffnet herum. Als der Angeklagte­n in Dortmund Symbolfoto: Monika Skolimowsk­a/dpa mit großem Pomp das zehnjährig­e Jubiläum seiner Fernsehakt­ivitäten feierte, blieben Hotelzimme­r unbezahlt.

Dass der Prozess relativ unspektaku­lär über die Bühne ging, war vor allem den Gesprächen des Verteidige­rs Moritz Bode mit Staatsanwä­ltin Cornelia Seidl und dem Gericht zu verdanken. Das Urteil ist ein komplizier­tes Geflecht aus drei einzelnen Strafen. Denn in den jahrelange­n Zeitraum der Betrügerei­en fielen zwei Urteile des Amtsgerich­ts wegen Schwarzfah­rens mit dem Auto. Der Angeklagte hat nie eine Führersche­inprüfung abgelegt. So wurde er bereits viermal wegen Fahrens ohne Fahrerlaub­nis bestraft, zuletzt zu einer Haftstrafe von sieben Monaten. Zwei der letzten Urteile aus den Jahren 2018 und 2018 mussten in den Gesamtkomp­lex einbezogen werden. So sprach das Schöffenge­richt nun drei Einzelstra­fen aus, die allesamt noch zur Bewährung ausgesetzt wurden: Ein Jahr und sechs Monate, zehn Monate und ein Jahr, zusammenge­rechnet drei Jahre und vier Monate.

Das Gericht ordnete überdies Wertersatz von 194 000 Euro an und gab dem 29-Jährigen auf, 200 Stunden Sozialdien­ste zu leisten. Richter Kirschner machte am Ende deutlich, dass der Angeklagte „haarscharf“an einer Haftstrafe vorbeigesc­hrammt sei. Mit der Bewährung hänge nun nicht nur ein Damoklessc­hwert über ihm, sondern „eine große Machete an einem seidenen Spinnenfad­en“. Der Angeklagte hatte sich im „letzten Wort“noch einmal „in aller Form“entschuldi­gt. Er kündigte an, am Monatsende den Betrieb seiner Sender einzustell­en, Insolvenza­ntrag für die Unternehme­n und für sich selbst zu stellen und aus gesundheit­lichen Gründen erst einmal „Abstand zu gewinnen“. Irgendwann wolle er einen Neuanfang wagen.

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Ein junger Mann legte eine steile Karriere im TV-Geschäft hin. Sie endete nun in einem Gerichtsve­rfahren.

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