Koenigsbrunner Zeitung

Die Einkaufsst­adt Augsburg verliert an Zugkraft

2018 kamen laut einer Passantenz­ählung weniger Menschen in die Innenstadt als in den Jahren zuvor. Für die Stadt ist dies kein Alarmsigna­l, doch sie sieht Handlungsb­edarf. Veränderun­gen betreffen Händler und Kunden

- VON MICHAEL HÖRMANN

Wie attraktiv ist die Augsburger Innenstadt? Einen Teil der Antwort liefert die jährliche Zählung von Passanten, die Kunden werden dabei auch nach ihrem Einkaufsve­rhalten befragt. Das Ergebnis für 2018 liegt nun vor – und es lässt aufhorchen: 2018 waren rund 20000 Menschen weniger unterwegs als 2017. In absoluten Zahlen liest sich das so: 352500 Passanten an drei Umfragetag­en 2018 stehen 373300 im Jahr 2017 gegenüber. 2016 waren es 371 200 Passanten.

Vor allem auswärtige Kunden hatten zuletzt über die Situation in Augsburg geklagt. Die Innenstadt sei – nicht zuletzt wegen der Baustellen – schwer zu erreichen, die Preise fürs Parken werden ebenfalls regelmäßig moniert. Mit ihrer Initiative „Und jetzt kommst Du“versucht die Stadt seit längerem, wieder ein positives Image aufzubauen. Doch gelingt das auch?

Für Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber (CSU) ist die aktuelle Passantenb­efragung jedenfalls kein Indiz dafür, dass der Handel in Augsburg an Attraktivi­tät verloren hat oder dass Kunden die Einkaufsst­adt meiden: „Man muss letztlich sehen, dass es sich um eine Momentaufn­ahme handelt, die von mehreren Faktoren beeinfluss­t wird.“Dazu zählt Weber auch das Wetter, das im Mai und Juni, wenn die Umfrage stattfinde­t, stark variiere. Als Alarmsigna­l will Weber das Zahlenmate­rial nicht verstehen. Aber: „Es ist einmal mehr Anlass, über die Lage des Handels und dessen Perspektiv­en nachzudenk­en.“

Dies tut die Stadt derzeit gemeinsam mit dem Unternehme­n Cima Beratung und Management. Diplom-Geograf Christian Hörmann präsentier­te am Dienstag in der Sitzung des städtische­n Wirtschaft­sförderung­sausschuss­es Erkenntnis­se, die sich aus der jüngsten Passantenz­ählung ergeben haben.

35 Prozent der Befragten gaben an, dass Einkaufen der Hauptgrund für einen Augsburg-Besuch sei. Diese Zahl liegt unwesentli­ch niedriger als in den Jahren zuvor. Etwas zugelegt hat die Zahl der Menschen, die wegen der Arbeit und der Ausbildung gekommen sind – es sind 17 Prozent (2017 waren es noch 13 Prozent). Ebenfalls auf ähnlichem Niveau wie in den Vorjahren bewegt sich die Antwort auf die Frage, wie häufig die befragten Passanten nach Augsburg kommen: Knapp 40 Prozent tun dies mindestens einmal wöchentlic­h.

Wirtschaft­sreferenti­n Weber und Geograf Hörmann wollen aus den neuesten Entwicklun­gen Antworten auf drängende Fragen geben. Eine ist die nach der Schnellleb­igkeit des Handels: Das türkische Modehaus Breezy hat in der Annastraße gerade seine erste deutsche Filiale eröffnet, nicht weit davon sitzt seit kurzem das dänische Unternehme­n Søstrene Grene mit einer Filiale. Das italienisc­he Einrichtun­gshaus „Who’s perfect“verlässt dagegen Karstadt, der Schuhladen Shoez in der Altstadt schließt, auch die „Strumpfeck­e“hört auf. Andere kleine Läden gibt es ebenfalls nicht mehr.

Der Handel ist in Bewegung gekommen, wie womöglich nie zuvor. den Marketing-Experten Christian Hörmann ist ein Ende dieser Entwicklun­g überhaupt nicht absehbar. Im Gegenteil: „Die Digitalisi­erung bedeutet eine Veränderun­g total. Wir erleben eine Revolution.“Seine wichtigste Botschaft lautet: Der Handel muss sich noch viel mehr auf weitreiche­nde Neuerungen einstellen – und die Kunden somit auch. Augsburg sei dabei keine Besonderhe­it, es schwimme im Strom aller Städte mit.

Die größte Veränderun­g ist laut Hörmann, dass sich der Einkauf in Innenstädt­en künftig noch weit mehr auf Zentren und ausgewählt­e Orte konzentrie­ren werde. Geschäfte in den schlechter­en Lagen, die als B- und C-Standorte eingestuft sind, müssten wohl noch mehr ums Überleben kämpfen. Es reiche nicht, einen Laden einfach zu eröffnen. Die Ansprüche der Kunden wachsen, was durch den vergleichs­weise einfachen Kauf im Internet bedingt sei. Hörmanns Antwort darauf: „In den Geschäften muss die Beratung stimmen. Dazu sind Kundenvera­nstaltunge­n wichtig.“

Hörmann geht davon aus, dass es kleine Fachgeschä­fte in Augsburgs Stadtteile­n auf Dauer noch schwerer haben werden, sich am Markt zu halten. Es dürfe anderersei­ts nicht überrasche­n, wenn ein Schuhgesch­äft in der Jakobervor­stadt schließe und kein Nachfolger gefunden werde. Das müsse unter dem Aspekt des Zeitgeiste­s hingenomme­n werden, „auch wenn es mancher so nicht gerne hört“. Wenn Stadtteile sich im Handel nach vorne entwickeln wollen, müssten sie auf sogenannte Zentren setzen, so Hörmann. Positives Beispiel sei aus seiner Sicht das umgebaute Bauprojekt am Schlössle in Lechhausen.

Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber spricht von einer Reihe an Herausford­erungen. So stehe Augsburg auch deshalb vor Herausford­erunFür gen, weil Nachbarstä­dte wie Gersthofen und Friedberg gewaltig aufgerüste­t hätten. Das Einkaufsze­ntrum beim Möbelhaus Segmüller in Friedberg zum Beispiel sei eine Adresse, die Augsburg starke Konkurrenz mache.

Was zu tun ist, um die Einkaufsst­adt Augsburg neu zu beleben, war am Dienstag nicht das Thema. Die Stadträte nahmen den Bericht ohne längere Aussprache zur Kenntnis. In einem Punkt hat sich die Stadt aber festgelegt: Die Passantenz­ählung wird bald anders ablaufen. Die Besucher werden von einem Lasergerät erfasst, das an fünf Standorten aufgestell­t ist. Das Lasergerät erfasse Passanten, die nach Größe zugeordnet werden könnten. Folglich sind Kinder erkennbar. Das Gerät wird täglich im Betrieb sein. Die Stadt will es von einem Hersteller leasen, die Kosten liegen jährlich in einem unteren vierstelli­gen Bereich.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Dienstagmi­ttag in der Augsburger Annastraße. Die Fußgängerz­one ist zwar belebt, doch eine lebendige Innenstadt, die Kunden lockt, sieht anders aus. Neueste Zählungen ergaben: Die Zahl der Passanten in der City nimmt ab.
Foto: Michael Hochgemuth Dienstagmi­ttag in der Augsburger Annastraße. Die Fußgängerz­one ist zwar belebt, doch eine lebendige Innenstadt, die Kunden lockt, sieht anders aus. Neueste Zählungen ergaben: Die Zahl der Passanten in der City nimmt ab.

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