Die Einkaufsstadt Augsburg verliert an Zugkraft
2018 kamen laut einer Passantenzählung weniger Menschen in die Innenstadt als in den Jahren zuvor. Für die Stadt ist dies kein Alarmsignal, doch sie sieht Handlungsbedarf. Veränderungen betreffen Händler und Kunden
Wie attraktiv ist die Augsburger Innenstadt? Einen Teil der Antwort liefert die jährliche Zählung von Passanten, die Kunden werden dabei auch nach ihrem Einkaufsverhalten befragt. Das Ergebnis für 2018 liegt nun vor – und es lässt aufhorchen: 2018 waren rund 20000 Menschen weniger unterwegs als 2017. In absoluten Zahlen liest sich das so: 352500 Passanten an drei Umfragetagen 2018 stehen 373300 im Jahr 2017 gegenüber. 2016 waren es 371 200 Passanten.
Vor allem auswärtige Kunden hatten zuletzt über die Situation in Augsburg geklagt. Die Innenstadt sei – nicht zuletzt wegen der Baustellen – schwer zu erreichen, die Preise fürs Parken werden ebenfalls regelmäßig moniert. Mit ihrer Initiative „Und jetzt kommst Du“versucht die Stadt seit längerem, wieder ein positives Image aufzubauen. Doch gelingt das auch?
Für Wirtschaftsreferentin Eva Weber (CSU) ist die aktuelle Passantenbefragung jedenfalls kein Indiz dafür, dass der Handel in Augsburg an Attraktivität verloren hat oder dass Kunden die Einkaufsstadt meiden: „Man muss letztlich sehen, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, die von mehreren Faktoren beeinflusst wird.“Dazu zählt Weber auch das Wetter, das im Mai und Juni, wenn die Umfrage stattfindet, stark variiere. Als Alarmsignal will Weber das Zahlenmaterial nicht verstehen. Aber: „Es ist einmal mehr Anlass, über die Lage des Handels und dessen Perspektiven nachzudenken.“
Dies tut die Stadt derzeit gemeinsam mit dem Unternehmen Cima Beratung und Management. Diplom-Geograf Christian Hörmann präsentierte am Dienstag in der Sitzung des städtischen Wirtschaftsförderungsausschusses Erkenntnisse, die sich aus der jüngsten Passantenzählung ergeben haben.
35 Prozent der Befragten gaben an, dass Einkaufen der Hauptgrund für einen Augsburg-Besuch sei. Diese Zahl liegt unwesentlich niedriger als in den Jahren zuvor. Etwas zugelegt hat die Zahl der Menschen, die wegen der Arbeit und der Ausbildung gekommen sind – es sind 17 Prozent (2017 waren es noch 13 Prozent). Ebenfalls auf ähnlichem Niveau wie in den Vorjahren bewegt sich die Antwort auf die Frage, wie häufig die befragten Passanten nach Augsburg kommen: Knapp 40 Prozent tun dies mindestens einmal wöchentlich.
Wirtschaftsreferentin Weber und Geograf Hörmann wollen aus den neuesten Entwicklungen Antworten auf drängende Fragen geben. Eine ist die nach der Schnelllebigkeit des Handels: Das türkische Modehaus Breezy hat in der Annastraße gerade seine erste deutsche Filiale eröffnet, nicht weit davon sitzt seit kurzem das dänische Unternehmen Søstrene Grene mit einer Filiale. Das italienische Einrichtungshaus „Who’s perfect“verlässt dagegen Karstadt, der Schuhladen Shoez in der Altstadt schließt, auch die „Strumpfecke“hört auf. Andere kleine Läden gibt es ebenfalls nicht mehr.
Der Handel ist in Bewegung gekommen, wie womöglich nie zuvor. den Marketing-Experten Christian Hörmann ist ein Ende dieser Entwicklung überhaupt nicht absehbar. Im Gegenteil: „Die Digitalisierung bedeutet eine Veränderung total. Wir erleben eine Revolution.“Seine wichtigste Botschaft lautet: Der Handel muss sich noch viel mehr auf weitreichende Neuerungen einstellen – und die Kunden somit auch. Augsburg sei dabei keine Besonderheit, es schwimme im Strom aller Städte mit.
Die größte Veränderung ist laut Hörmann, dass sich der Einkauf in Innenstädten künftig noch weit mehr auf Zentren und ausgewählte Orte konzentrieren werde. Geschäfte in den schlechteren Lagen, die als B- und C-Standorte eingestuft sind, müssten wohl noch mehr ums Überleben kämpfen. Es reiche nicht, einen Laden einfach zu eröffnen. Die Ansprüche der Kunden wachsen, was durch den vergleichsweise einfachen Kauf im Internet bedingt sei. Hörmanns Antwort darauf: „In den Geschäften muss die Beratung stimmen. Dazu sind Kundenveranstaltungen wichtig.“
Hörmann geht davon aus, dass es kleine Fachgeschäfte in Augsburgs Stadtteilen auf Dauer noch schwerer haben werden, sich am Markt zu halten. Es dürfe andererseits nicht überraschen, wenn ein Schuhgeschäft in der Jakobervorstadt schließe und kein Nachfolger gefunden werde. Das müsse unter dem Aspekt des Zeitgeistes hingenommen werden, „auch wenn es mancher so nicht gerne hört“. Wenn Stadtteile sich im Handel nach vorne entwickeln wollen, müssten sie auf sogenannte Zentren setzen, so Hörmann. Positives Beispiel sei aus seiner Sicht das umgebaute Bauprojekt am Schlössle in Lechhausen.
Wirtschaftsreferentin Eva Weber spricht von einer Reihe an Herausforderungen. So stehe Augsburg auch deshalb vor HerausforderunFür gen, weil Nachbarstädte wie Gersthofen und Friedberg gewaltig aufgerüstet hätten. Das Einkaufszentrum beim Möbelhaus Segmüller in Friedberg zum Beispiel sei eine Adresse, die Augsburg starke Konkurrenz mache.
Was zu tun ist, um die Einkaufsstadt Augsburg neu zu beleben, war am Dienstag nicht das Thema. Die Stadträte nahmen den Bericht ohne längere Aussprache zur Kenntnis. In einem Punkt hat sich die Stadt aber festgelegt: Die Passantenzählung wird bald anders ablaufen. Die Besucher werden von einem Lasergerät erfasst, das an fünf Standorten aufgestellt ist. Das Lasergerät erfasse Passanten, die nach Größe zugeordnet werden könnten. Folglich sind Kinder erkennbar. Das Gerät wird täglich im Betrieb sein. Die Stadt will es von einem Hersteller leasen, die Kosten liegen jährlich in einem unteren vierstelligen Bereich.