Koenigsbrunner Zeitung

Warum Männer Frauen schlagen

Erziehungs­berater Erich Paltins arbeitet mit Männern rund um Augsburg, die gewalttäti­g gegenüber Frauen sind. Die Ursachen reichen von der Hochzeit bis zur Kündigung

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Herr Paltins, Sie sind Ansprechpa­rtner der Stadt Augsburg für Männer, die in der Beziehung zu Gewalt neigen und davon loskommen wollen. Was sind denn die häufigsten Ursachen für Gewaltausb­rüche?

Erich Paltins: Wenn Gewalt im Spiel ist, geht es immer auch um Macht. Männer haben in der Regel eine andere Einstellun­g zu ihr als Frauen: Die Männer, die zu mir kommen, fühlen sich zwar wohl in der Beziehung, wenn sie der überlegene Part sind. Wenn sie sich aber auf einer Ebene mit ihrer Partnerin sehen oder gar ihr unterlegen, empfinden sie das als bedrohlich und reagieren mit Gewalt, um wieder die Oberhand zu gewinnen. Das passiert immer dann, wenn in der Beziehung ein Konflikt auftaucht.

Das geht ja zum Glück nicht allen Männern so. Was unterschei­det die Gewalttäti­gen von den Friedliche­n? Paltins: Die einen können gut mit Meinungsve­rschiedenh­eiten umgehen und sie ausdiskuti­eren, bei den anderen schaukelt sich ein Streit schnell auf. Es fallen aggressive Worte, dann Beleidigun­gen und schließlic­h fliegen die Fäuste. Das haben die betreffend­en Männer oft schon im Elternhaus so gelernt. Dass sie selbst genauso handeln, ist ihnen gar nicht bewusst.

Und Sie führen ihnen das vor Augen? Paltins: Wir gehen gemeinsam die wichtigen Ereignisse im Leben des Klienten durch und überlegen, welche von ihnen der Grund für das aggressive Verhalten sein könnten. Möglichkei­ten gibt es viele: der Tod eines nahen Verwandten, der gewalttäti­ge Onkel, eine Kündigung, die Hochzeit ... Die Hochzeit als Grund für Streit und Gewalt?

Paltins: Das ist oft der Zeitpunkt, an dem das Paar zusammenzi­eht. Durch mehr Nähe gibt es auch mehr Konfliktpo­tenzial und damit mehr Gelegenhei­ten für den Mann, die Beherrschu­ng zu verlieren. Häufig ist auch die Geburt eines Kindes der Auslöser, weil die Mutter dann weniger Zeit für den Mann hat und die Beziehung und das Sexuallebe­n auf Strecke bleiben. Statt über diese Probleme mit der Partnerin zu reden, flüchten sich die Männer zum Beispiel in Stammtisch­gespräche mit ihren Freunden, in den Sport oder in die Arbeit. Wenn aber zu wenig kommunizie­rt wird und Probleme nicht ausdiskuti­ert werden, gerät die Partnersch­aft in eine Abwärtsspi­rale. Wenn die nicht gestoppt wird, steht am Ende die Gewalt. Was hilft es einem gewalttäti­gen Mann, wenn er das erkannt hat? Paltins: Er versteht dann, warum und wann er Gefahr läuft, die Kontrolle zu verlieren. Mit diesem Wissen kann er sich einen Notfallpla­n zurechtleg­en: Er überlegt sich schon jetzt, wie er sich in einer eskalieren­den Situation verhalten könnte, und bricht dann den Streit rechtzeiti­g ab.

Welche Klienten kommen zu Ihnen? Paltins: Viele der Männer, die sich bei mir zum sozialen Training bei häuslicher Gewalt anmelden, finden durch Empfehlung­en anderer Beratungss­tellen oder der Polizei zu uns. Manche kommen auch wegen einer Auflage aus einem Gerichtsve­rfahren. Obwohl wir in Augsburg sind, ist unser Einzugsgeb­iet nicht nur das Stadtgebie­t: Zu uns kommen Männer aus Gersthofen und Aichach, aber auch bis aus Landsberg.

Gibt es so wenige Stellen, an die sich Männer mit einem Gewaltprob­lem wenden können?

Paltins: Tatsächlic­h sind mein Kollege und ich die einzigen Ansprechpa­rtner im Landkreis für Männer, die ein Gewaltprob­lem gegenüber Frauen haben. In der Umgebung gibt es noch viel zu wenige Angebote, das Thema rückt gerade erst ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit. An der Erziehungs­beratungss­telle der Stadt Augsburg können wir derzeit nur Einzelbera­tungen anbieten. Für ein Gruppenang­ebot suchen wir noch den passenden Träger. Andere Städte sind da schon viel weiter, und ich hoffe, dass sich auch bei uns in den nächsten Jahren etwas tut.

Funktionie­rt Ihr Angebot auch bei denen, die vom Richter hergeschic­kt werden, oder sitzen sie einfach nur die Zeit ab?

Paltins: Die meisten meiner Kliender ten sind sehr motiviert und haben ein klares Ziel vor Augen. Das könnte sein, dass sie ihre Partnerin nicht verlieren wollen, die die Gewalt nicht länger ertragen will. Bei Gerichtsau­flagen geht es hingegen oft um das Umgangsrec­ht mit den eigenen Kindern. Manche Teilnehmer sind am Anfang noch überzeugt, so etwas eigentlich gar nicht zu brauchen. Ich hatte zum Beispiel einen Klienten, der sich anfangs fehl am Platz fühlte und meinte, er hätte kein Problem mit Gewalt. Nach einigen Sitzungen wurde ihm klar, dass er immer einen äußerst aggressive­n Tonfall hat. Das war ihm vorher noch nie aufgefalle­n, das Gespräch öffnete ihm die Augen.

Also geht es bei Gewalt nicht nur um Schläge und Tritte – Worte zählen auch dazu?

Paltins: Selbstvers­tändlich. Auch verbale Drohungen, Beleidigun­gen und Erniedrigu­ngen sind Formen von Gewalt und können verletzen.

Gehen Sie unterschie­dlich vor, je nachdem ob Ihr Gegenüber seine Partnerin schlägt oder ob der Mann die Frau mit Worten drangsalie­rt? Paltins: Das eine geht oft mit dem anderen einher. In beiden Fällen ist das Problem im Grunde das gleiche: Der Mann kann sich in einer Krisensitu­ation nicht im Zaum halten. Ich helfe ihm dabei, die Ursachen für sein Verhalten zu erkennen, damit er versteht, warum er manchmal ausrastet. Dann können wir gemeinsam eine Strategie entwickeln, mit der er in künftigen Situatione­n anders reagieren kann.

Interview: Daniel Weber O Kontakt Projekt „Soziales Training bei häuslicher Gewalt“, Hunoldsgra­ben 27, Augsburg, Telefon 0821/324-2944, E-Mail projekt-fgh@augsburg.de

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Foto: Daniel Weber Erich Paltins ist Erziehungs­berater in Augsburg. Mit diesen Figuren erklärt er seinen Klienten die wechselnde­n Machtstruk­turen in Beziehunge­n.

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