Koenigsbrunner Zeitung

Besonnen handeln

- VON FRANZISKA OTTLIK klartext@schwabmuen­chner-allgemeine.de

Was ist das denn? Ist wohl nur für alte Leute gedacht. Wer viel leistet, zählt viel. Aber schaut auch jemand darauf, was er leistet? Wer durch sein Leben rennt, verliert sich meistens. Denn Handeln ohne Besonnenhe­it ist oft ziellos und unbedacht. Deshalb weiß der kluge Mensch, dass er jeden Abend seinen Tag reflektier­en sollte. Da mein Körper behindert ist, habe ich viel Zeit zum Reflektier­en, und dabei fällt mir auf, wie unbedacht viele Menschen sind. Sie handeln viel zu spontan und sind dann beleidigt, wenn sie jemand darauf aufmerksam macht. Ich bin auch beleidigt, wenn ich kritisiert werde, aber wenn meine Assistenti­n besonnen darauf reagiert, kühle ich schnell ab. Besonnenhe­it ist also so wichtig wie unser tägliches Brot. Ist sozusagen eine wichtige Seelennahr­ung. Besonnenhe­it erfordert Geduld und die Fähigkeit, über sich nachzudenk­en. Selbstrefl­exion also. Ja, traut ihr einem behinderte­n Menschen das zu? Wohl kaum. Und dennoch ist es so. Oftmals kann ich besser erkennen, was richtig ist, aber durch die Behinderun­g kann ich nicht darüber reden, und mein Körper macht sich manchmal auch selbststän­dig. Menschen mit Behinderun­g können ihre Gedanken nicht in Handlungen umsetzen. Sie brauchen Dolmetsche­r, die sie verstehen und ihnen Mut machen, ihre Weisheit zu offenbaren. Ja, Weisheit, da habt ihr schon richtig gelesen. Weisheit kommt nicht von Wissen, sondern von Verstand und Intuition. Wenn beide gut zusammenwi­rken, kommt ein Stückchen Himmel auf Erden. Denn es ist wie bei einem Komponiste­n, das weise Gesagte ist ein empfangene­s Wort und ein empfangene­r Klang. Wer sich mit guten Dingen verbindet, wird sich erfreuen, wie viel Weisheit ihm dabei zuteilwird. Frag doch mal einen behinderte­n Menschen und begreif, dass er vielleicht viel mehr weiß als du. Wenn du mich auf der Straße ansprichst, dann lass dich nicht ablenken von meinem behinderte­n Getue, sondern bleib ganz bei dir, lausche und lass dich überrasche­n. Überraschu­ngsei.

Franziska Ottlik ist 24 Jahre alt und von Geburt an schwerbehi­ndert. Sie ist halbseitig gelähmt und kann nicht sprechen, sondern nur Laute von sich geben. In unserer Kolumne schreibt Franziska über ihren Alltag mit Behinderun­g. Wer mehr über sie erfahren will, schaut auf ihren Blog: www.franziskao­ttlik.wordpress.com.

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