Koenigsbrunner Zeitung

Somalische­r Verein richtet sich ein

Glaube Oberhausen hat eine neue Moschee. Der Somalische Kulturvere­in betont jedoch, dass Religion nicht sein Hauptanlie­gen sei

- VON STEFANIE SCHOENE

Neben den vier türkischsp­rachigen und der Ahmadiyya-Moschee in Oberhausen haben jetzt auch Muslime aus Somalia in Eigenregie einen Heimat- und Moscheever­ein aufgebaut. In den Gassen westlich der Ulmer Straße mietete der Somalische Kulturvere­in Augsburg eine ehemalige Schlossere­i an. Ab 2016 begannen die Mitglieder, sich in der alten Hinterhofw­erkhalle einzuricht­en. Die vorwiegend jüngeren Männer, die wegen des Bürgerkrie­gs ab 2010 das Weite suchten und in Augsburg landeten, legten selbst Hand an. Sie strichen die Wände des 300 Quadratmet­er großen Flachbaus, teilten die Räume neu auf und sorgten mit ehrenamtli­cher Hilfe des Architekte­n Ralf Walloschke für den Brandschut­z.

Rechts vom Eingangsto­r führt eine Treppe in den Keller. Kabel laufen oberhalb des Türstocks ordentlich verlegt in den dortigen Waschraum. Die Vereinsmit­glieder haben auch die sanitären Anlagen für die rituelle Waschung ertüchtigt. Erst vor wenigen Wochen kam der Teppich, 80 Quadratmet­er Textil, der dem fensterlos­en Raum die Würde eines muslimisch­en Gebetsorte­s gibt. Sein Muster mit den wiederkehr­enden Spitzbögen weist jedem Betenden einen Platz zu, mit Blick auf den Mihrab (Gebetsnisc­he) und Richtung Mekka. Rund 200 Männer hätten hier an hohen Feiertagen Platz, erklärt Kassenführ­er Yusuf Mohamed Ali.

An diesem Tag begibt sich ein Teil der fünf Männer, die sich mit Walloschke, Wolfgang Taubert vom Freiwillig­enzentrum und dem Oberhauser Quartiersm­anager Bernd Rebstein verabredet haben, zunächst zu einem kurzen Gebet. Den Ritus halten sie für sich ab. „Einen festen Vorbeter haben wir nicht“, sagt Mohamed Ali. Nur freitags ist das anders. Dann übernimmt eines der sieben Vorstands- oder der etwa 70 einfachen Mitglieder die rituelle Freitagsan­sprache. „Das geht reihum, wer eben Zeit hat“, so Mohamed Ali. Über was gepredigt wird, ist dem jeweiligen Vorbeter selbst überlassen. Oft gehe es um ganz Weltliches, um das politische Geschehen in Deutschlan­d und Somalia. Aber auch Tabubrüche wie Alkoholkon­sum unter den Jugendlich­en werden thematisie­rt. „Alkohol trinken ist verboten, das geht eben nicht bei uns“, erklärt Vorstandsm­itglied Abdi Omer.

Im Frauenbere­ich liegt der Teppichbod­en in Fetzen, dafür gibt es Fenster. Nasriya Aw Yusuf stört das Ambiente nicht. „Das geht schon“, sagt die vierfache Mutter. In den Regalen stehen Korane und Korankomme­ntare. Freitags wird es voll, sagt sie, weil viele Frauen ihre kleinen Kinder mitbringen. Predigt und Gebet aus dem Männerraum werden per Lautsprech­er übertragen. Samstags unterricht­en Erwachsene zehn bis 15 Kinder in Koranlektü­re und somalische­r Kultur, sagt Aw Yusuf.

Sie selbst kam mit ihren Kindern 2010 nach Augsburg. Damals sprang die Zahl „wohnberech­tigter“somalische­r Staatsbürg­er laut Amt für Statistik in Augsburg von 44 auf 246. Heute leben etwa 500 Somalier in Augsburg – plus 96 Menschen, die in Flüchtling­sunterkünf­ten wohnen (Stand August 2018). Aw Yusuf floh damals ohne ihren Mann. „Mit dem hatte ich Ärger. Ich ging dann allein, obwohl ich Analphabet­in war. Eigentlich wollte ich ja nach Schweden. Ich wusste noch nicht mal, dass Deutschlan­d auch in Europa liegt“, erklärt sie lachend. Inzwischen hat sie Lesen, Schreiben und Deutsch gelernt.

Trotz des großen Gebetsraum­s und des Koranunter­richts für Kinder legen die Vereinsmit­glieder Wert darauf, nicht als Moschee wahrgenomm­en zu werden. Darauf besteht Vorstandsm­itglied Abdi Karim. Viele somalische Flüchtling­e suchten den Verein auf, um Anträge übersetzen oder sich mit Aufenthalt­sund Jobcenter-Angelegenh­eiten helfen zu lassen. Das sei neben den Renovierun­gsarbeiten das derzeitige Hauptengag­ement des Vereins.

Auf Nachfrage äußert sich der Vorstand offen zu dem Besuch des somalische­n TV-Predigers Sheikh Mohamed Idris 2016 im Vereinshau­s. Dieser Wanderpred­iger ist von seinen weltweiten Touren durch muslimisch­e Länder und für seine salafistis­chen Reden bekannt. Selfies mit ihm und Vereinsmit­gliedern in Augsburg waren laut Bayerische­m Rundfunk noch 2018 im Netz. Inzwischen sind sie dort nicht mehr zu finden. Darauf angesproch­en, distanzier­t sich Abdi Karim vehement von diesem Besuch: „Wir kannten ihn nicht, er war wohl zufällig hier. Ja, er hat gepredigt, aber mit Leuten wie ihm wollen wir nichts zu tun haben.“Auch zur somalische­n Taufiq-Moschee in München, die der Prediger ebenfalls besuchte, und die im aktuellen Bericht des bayerische­n Verfassung­sschutzes als „salafistis­che Plattform“bezeichnet wird, hätten die Augsburger keinerlei Verbindung.

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Foto: Annette Zoepf Ein Blick in den Gebetsraum der somalische­n Gemeinde.

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