Somalischer Verein richtet sich ein
Glaube Oberhausen hat eine neue Moschee. Der Somalische Kulturverein betont jedoch, dass Religion nicht sein Hauptanliegen sei
Neben den vier türkischsprachigen und der Ahmadiyya-Moschee in Oberhausen haben jetzt auch Muslime aus Somalia in Eigenregie einen Heimat- und Moscheeverein aufgebaut. In den Gassen westlich der Ulmer Straße mietete der Somalische Kulturverein Augsburg eine ehemalige Schlosserei an. Ab 2016 begannen die Mitglieder, sich in der alten Hinterhofwerkhalle einzurichten. Die vorwiegend jüngeren Männer, die wegen des Bürgerkriegs ab 2010 das Weite suchten und in Augsburg landeten, legten selbst Hand an. Sie strichen die Wände des 300 Quadratmeter großen Flachbaus, teilten die Räume neu auf und sorgten mit ehrenamtlicher Hilfe des Architekten Ralf Walloschke für den Brandschutz.
Rechts vom Eingangstor führt eine Treppe in den Keller. Kabel laufen oberhalb des Türstocks ordentlich verlegt in den dortigen Waschraum. Die Vereinsmitglieder haben auch die sanitären Anlagen für die rituelle Waschung ertüchtigt. Erst vor wenigen Wochen kam der Teppich, 80 Quadratmeter Textil, der dem fensterlosen Raum die Würde eines muslimischen Gebetsortes gibt. Sein Muster mit den wiederkehrenden Spitzbögen weist jedem Betenden einen Platz zu, mit Blick auf den Mihrab (Gebetsnische) und Richtung Mekka. Rund 200 Männer hätten hier an hohen Feiertagen Platz, erklärt Kassenführer Yusuf Mohamed Ali.
An diesem Tag begibt sich ein Teil der fünf Männer, die sich mit Walloschke, Wolfgang Taubert vom Freiwilligenzentrum und dem Oberhauser Quartiersmanager Bernd Rebstein verabredet haben, zunächst zu einem kurzen Gebet. Den Ritus halten sie für sich ab. „Einen festen Vorbeter haben wir nicht“, sagt Mohamed Ali. Nur freitags ist das anders. Dann übernimmt eines der sieben Vorstands- oder der etwa 70 einfachen Mitglieder die rituelle Freitagsansprache. „Das geht reihum, wer eben Zeit hat“, so Mohamed Ali. Über was gepredigt wird, ist dem jeweiligen Vorbeter selbst überlassen. Oft gehe es um ganz Weltliches, um das politische Geschehen in Deutschland und Somalia. Aber auch Tabubrüche wie Alkoholkonsum unter den Jugendlichen werden thematisiert. „Alkohol trinken ist verboten, das geht eben nicht bei uns“, erklärt Vorstandsmitglied Abdi Omer.
Im Frauenbereich liegt der Teppichboden in Fetzen, dafür gibt es Fenster. Nasriya Aw Yusuf stört das Ambiente nicht. „Das geht schon“, sagt die vierfache Mutter. In den Regalen stehen Korane und Korankommentare. Freitags wird es voll, sagt sie, weil viele Frauen ihre kleinen Kinder mitbringen. Predigt und Gebet aus dem Männerraum werden per Lautsprecher übertragen. Samstags unterrichten Erwachsene zehn bis 15 Kinder in Koranlektüre und somalischer Kultur, sagt Aw Yusuf.
Sie selbst kam mit ihren Kindern 2010 nach Augsburg. Damals sprang die Zahl „wohnberechtigter“somalischer Staatsbürger laut Amt für Statistik in Augsburg von 44 auf 246. Heute leben etwa 500 Somalier in Augsburg – plus 96 Menschen, die in Flüchtlingsunterkünften wohnen (Stand August 2018). Aw Yusuf floh damals ohne ihren Mann. „Mit dem hatte ich Ärger. Ich ging dann allein, obwohl ich Analphabetin war. Eigentlich wollte ich ja nach Schweden. Ich wusste noch nicht mal, dass Deutschland auch in Europa liegt“, erklärt sie lachend. Inzwischen hat sie Lesen, Schreiben und Deutsch gelernt.
Trotz des großen Gebetsraums und des Koranunterrichts für Kinder legen die Vereinsmitglieder Wert darauf, nicht als Moschee wahrgenommen zu werden. Darauf besteht Vorstandsmitglied Abdi Karim. Viele somalische Flüchtlinge suchten den Verein auf, um Anträge übersetzen oder sich mit Aufenthaltsund Jobcenter-Angelegenheiten helfen zu lassen. Das sei neben den Renovierungsarbeiten das derzeitige Hauptengagement des Vereins.
Auf Nachfrage äußert sich der Vorstand offen zu dem Besuch des somalischen TV-Predigers Sheikh Mohamed Idris 2016 im Vereinshaus. Dieser Wanderprediger ist von seinen weltweiten Touren durch muslimische Länder und für seine salafistischen Reden bekannt. Selfies mit ihm und Vereinsmitgliedern in Augsburg waren laut Bayerischem Rundfunk noch 2018 im Netz. Inzwischen sind sie dort nicht mehr zu finden. Darauf angesprochen, distanziert sich Abdi Karim vehement von diesem Besuch: „Wir kannten ihn nicht, er war wohl zufällig hier. Ja, er hat gepredigt, aber mit Leuten wie ihm wollen wir nichts zu tun haben.“Auch zur somalischen Taufiq-Moschee in München, die der Prediger ebenfalls besuchte, und die im aktuellen Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes als „salafistische Plattform“bezeichnet wird, hätten die Augsburger keinerlei Verbindung.