Koenigsbrunner Zeitung

Tarifrefor­m wird zum Wahlkampft­hema

Nahverkehr Einen Tag, nachdem Eva Weber zur designiert­en OB-Kandidaten erklärt wird, stellt sie „dringenden Änderungsb­edarf“an den Fahrpreise­n fest. In der Vergangenh­eit hörte sich das anders an. Zahlen soll der Freistaat

- VON STEFAN KROG

Einen Tag, nachdem die für den Nahverkehr zuständige Bürgermeis­terin Eva Weber (CSU) zur designiert­en OB-Kandidaten erklärt wurde, hat sie Änderungen an den Nahverkehr­starifen in Aussicht gestellt. Die Tarifrefor­m hatte bei ihrem Inkrafttre­ten vor einem Jahr für einigen Unmut gesorgt.

„Auch wenn die Zahlen eine andere Sprache sprechen, so zeigt sich an der anhaltende­n Diskussion doch deutlich, dass die Augsburger­innen und Augsburger dringenden Handlungsb­edarf sehen“, sagt Weber. Wie berichtet sind die Abo-Zahlen durch die Reform wunschgemä­ß nach oben gegangen, allerdings gab es im Gegenzug für Gelegenhei­tsfahrgäst­e teils deutliche Preissteig­erungen, weil die früheren Zonen 10 und 20 vereinigt wurden.

Für 2020 ist vorgesehen, dass die Folgen der Tarifrefor­m bewertet werden. Die CSU wünscht, dass ein von Stadtwerke­n und AVV unabhängig­er Gutachter das Tarifwerk und dessen Folgen untersucht. Er soll bereits jetzt ans Werk gehen, um zügig „Ideen für Nachbesser­ungen zu sammeln, um diese angehen zu können“, so Weber. Der Gutachter solle Vorschläge machen, wie die aus Fahrgastsi­cht größten Mängel behoben werden können.

Mit ihren aktuellen Äußerungen legt die CSU zumindest teilweise eine Kehrtwende hin. Bisher hatte die Stadt die Tarifrefor­m immer damit verteidigt, dass der Nahverkehr die öffentlich­e Hand nicht mehr Geld kosten dürfe. Bei den Stadtwerke­n wird die Hälfte der Kosten aus Fahrkarten­verkäufen gedeckt, die andere Hälfte wird durch den Querverbun­d mit der ertragreic­hen Energiespa­rte finanziert.

Im AVV waren zuletzt einige kleinere Änderungen beschlosse­n worden, um die bei einem Teil der Fahrgäste eingetrete­nen Verschlech­terungen abzudämpfe­n. Unter anderem wird die Kurzstreck­enregelung in mehreren Stadtteile­n, die über kein eigenes Zentrum verfügen, so ausgedehnt, dass der Supermarkt im angrenzend­en Viertel erreichbar ist. Die Kosten von 530000 Euro pro Jahr trägt die Stadt. Für eine weitreiche­ndere Reform der Reform, wie sie der CSU jetzt vorschwebt, müssten jährlich Millionenb­eträge in die Hand genommen werden.

Das Geld soll nach dem Willen der CSU vom Freistaat kommen. Landrat Martin Sailer als AVV-Aufsichtsr­atsvorsitz­ender solle einen entspreche­nden Vorstoß bei der Landesregi­erung machen. Hintergrun­d ist, dass das Land dem Münchner Tarifverbu­nd (woran der Freistaat im Gegensatz zu Augsburg beteiligt ist) 35 Millionen Euro jährlich zahlt, um Änderungen an der dort ebenfalls umstritten­en Tarifrefor­m zu finanziere­n. „Das muss auch für den Augsburger Verkehrsun­d Tarifverbu­nd möglich sein“, so Fraktionsc­hef Bernd Kränzle. Als die Tarifrefor­m 2017 erarbeitet wurde, sei das Thema Nahverkehr noch nicht so stark im öffentlich­en Fokus gestanden. Angesichts von Dieselskan­dal, Fahrverbot­en und der Mobilitäts­diskussion seien die Chancen für Geld aus München inzwischen höher, sagen die Landtagsab­geordneten Andreas Jäckel und Johannes Hintersber­ger.

Die Grünen nahmen den Antrag der CSU verwundert zur Kenntnis. Am Mittwoch wurde im Landtag über einen Antrag der Grünen abgestimmt, dass künftig alle bayerische­n Verkehrsve­rbünde Geld vom Freistaat bekommen sollen. Jäckel und Hintersber­ger stimmten dagegen. Das geht aus der Liste über die namentlich­e Abstimmung hervor. „Es ist unredlich und unglaubwür­dig, sich auf kommunaler Ebene als Vorreiter für die bessere Finanzieru­ng des ÖPNV zu stilisiere­n und zugleich auf der Landeseben­e kein zusätzlich­es Geld dafür bereitzust­ellen“, so die Augsburger GrünenAbge­ordnete Stephanie Schuhknech­t. Söders Wahlkampfv­ersprechen, in den bayerische­n Großstädte­n ein 365-Euro-Ticket einzuführe­n, sei „bisher nur heiße Luft“. Das Verkehrsmi­nisterium hatte zuletzt erklärt, das Thema vorläufig nur für Azubis weiterzuve­rfolgen.

Die SPD fordert, dass Augsburg aber Modellregi­on für das Thema 365-Euro-Ticket für alle wird. „Es darf nicht abgewartet werden, bis München und Nürnberg die Vorreiterr­olle einnehmen“, so Fraktionsv­orsitzende­r Florian Freund. Auch die SPD fordert, dass der Freistaat mit Geld beim AVV einsteigt. Ein Zuschuss hätte nicht zu den negativen Folgen der Tarifrefor­m geführt, so Stadträtin Margarete Heinrich. Sie wies darauf hin, dass die SPD als einzige Fraktion die Tarifrefor­m abgelehnt hatte. Das Abstimmung­sverhalten der CSU-Abgeordnet­en zeuge von einer „Durchsetzu­ngskraft wie Zuckerwatt­e“.

Verwundert äußerten sich auch die Jungen Freien Wähler. Der Fraktionsv­orsitzende im Kreistag Fabian Mehring habe eine Kostenbete­iligung des Freistaats schon vor Jahren gefordert. Es sei erstaunlic­h, dass die Augsburger CSU jetzt auf den Zug aufspringe.

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Foto: Wyszengrad Die CSU will nun doch deutliche Verbesseru­ngen der Tarifrefor­m erwirken. Der Freistaat soll helfen.

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