Tarifreform wird zum Wahlkampfthema
Nahverkehr Einen Tag, nachdem Eva Weber zur designierten OB-Kandidaten erklärt wird, stellt sie „dringenden Änderungsbedarf“an den Fahrpreisen fest. In der Vergangenheit hörte sich das anders an. Zahlen soll der Freistaat
Einen Tag, nachdem die für den Nahverkehr zuständige Bürgermeisterin Eva Weber (CSU) zur designierten OB-Kandidaten erklärt wurde, hat sie Änderungen an den Nahverkehrstarifen in Aussicht gestellt. Die Tarifreform hatte bei ihrem Inkrafttreten vor einem Jahr für einigen Unmut gesorgt.
„Auch wenn die Zahlen eine andere Sprache sprechen, so zeigt sich an der anhaltenden Diskussion doch deutlich, dass die Augsburgerinnen und Augsburger dringenden Handlungsbedarf sehen“, sagt Weber. Wie berichtet sind die Abo-Zahlen durch die Reform wunschgemäß nach oben gegangen, allerdings gab es im Gegenzug für Gelegenheitsfahrgäste teils deutliche Preissteigerungen, weil die früheren Zonen 10 und 20 vereinigt wurden.
Für 2020 ist vorgesehen, dass die Folgen der Tarifreform bewertet werden. Die CSU wünscht, dass ein von Stadtwerken und AVV unabhängiger Gutachter das Tarifwerk und dessen Folgen untersucht. Er soll bereits jetzt ans Werk gehen, um zügig „Ideen für Nachbesserungen zu sammeln, um diese angehen zu können“, so Weber. Der Gutachter solle Vorschläge machen, wie die aus Fahrgastsicht größten Mängel behoben werden können.
Mit ihren aktuellen Äußerungen legt die CSU zumindest teilweise eine Kehrtwende hin. Bisher hatte die Stadt die Tarifreform immer damit verteidigt, dass der Nahverkehr die öffentliche Hand nicht mehr Geld kosten dürfe. Bei den Stadtwerken wird die Hälfte der Kosten aus Fahrkartenverkäufen gedeckt, die andere Hälfte wird durch den Querverbund mit der ertragreichen Energiesparte finanziert.
Im AVV waren zuletzt einige kleinere Änderungen beschlossen worden, um die bei einem Teil der Fahrgäste eingetretenen Verschlechterungen abzudämpfen. Unter anderem wird die Kurzstreckenregelung in mehreren Stadtteilen, die über kein eigenes Zentrum verfügen, so ausgedehnt, dass der Supermarkt im angrenzenden Viertel erreichbar ist. Die Kosten von 530000 Euro pro Jahr trägt die Stadt. Für eine weitreichendere Reform der Reform, wie sie der CSU jetzt vorschwebt, müssten jährlich Millionenbeträge in die Hand genommen werden.
Das Geld soll nach dem Willen der CSU vom Freistaat kommen. Landrat Martin Sailer als AVV-Aufsichtsratsvorsitzender solle einen entsprechenden Vorstoß bei der Landesregierung machen. Hintergrund ist, dass das Land dem Münchner Tarifverbund (woran der Freistaat im Gegensatz zu Augsburg beteiligt ist) 35 Millionen Euro jährlich zahlt, um Änderungen an der dort ebenfalls umstrittenen Tarifreform zu finanzieren. „Das muss auch für den Augsburger Verkehrsund Tarifverbund möglich sein“, so Fraktionschef Bernd Kränzle. Als die Tarifreform 2017 erarbeitet wurde, sei das Thema Nahverkehr noch nicht so stark im öffentlichen Fokus gestanden. Angesichts von Dieselskandal, Fahrverboten und der Mobilitätsdiskussion seien die Chancen für Geld aus München inzwischen höher, sagen die Landtagsabgeordneten Andreas Jäckel und Johannes Hintersberger.
Die Grünen nahmen den Antrag der CSU verwundert zur Kenntnis. Am Mittwoch wurde im Landtag über einen Antrag der Grünen abgestimmt, dass künftig alle bayerischen Verkehrsverbünde Geld vom Freistaat bekommen sollen. Jäckel und Hintersberger stimmten dagegen. Das geht aus der Liste über die namentliche Abstimmung hervor. „Es ist unredlich und unglaubwürdig, sich auf kommunaler Ebene als Vorreiter für die bessere Finanzierung des ÖPNV zu stilisieren und zugleich auf der Landesebene kein zusätzliches Geld dafür bereitzustellen“, so die Augsburger GrünenAbgeordnete Stephanie Schuhknecht. Söders Wahlkampfversprechen, in den bayerischen Großstädten ein 365-Euro-Ticket einzuführen, sei „bisher nur heiße Luft“. Das Verkehrsministerium hatte zuletzt erklärt, das Thema vorläufig nur für Azubis weiterzuverfolgen.
Die SPD fordert, dass Augsburg aber Modellregion für das Thema 365-Euro-Ticket für alle wird. „Es darf nicht abgewartet werden, bis München und Nürnberg die Vorreiterrolle einnehmen“, so Fraktionsvorsitzender Florian Freund. Auch die SPD fordert, dass der Freistaat mit Geld beim AVV einsteigt. Ein Zuschuss hätte nicht zu den negativen Folgen der Tarifreform geführt, so Stadträtin Margarete Heinrich. Sie wies darauf hin, dass die SPD als einzige Fraktion die Tarifreform abgelehnt hatte. Das Abstimmungsverhalten der CSU-Abgeordneten zeuge von einer „Durchsetzungskraft wie Zuckerwatte“.
Verwundert äußerten sich auch die Jungen Freien Wähler. Der Fraktionsvorsitzende im Kreistag Fabian Mehring habe eine Kostenbeteiligung des Freistaats schon vor Jahren gefordert. Es sei erstaunlich, dass die Augsburger CSU jetzt auf den Zug aufspringe.