Koenigsbrunner Zeitung

Mehr Mundart!

Warum Marianne und Michael den Dialekt in die Schule schicken

- VON STEPHANIE SARTOR

Der Markus, die Marianne und der Michael, die verstehen sich halt. Da bumpern die Herzerl im gleichen Takt. Mei, diese drei!

Die Geschichte ist die: Der Markus, also der Söder, wünscht sich ja schon lange, dass in den Schulen mehr Mundart gesprochen wird. Und jetzt kommt prompt das Volksmusik­Traumpaar daher und verlangt, dass es für den Dialekt gar ein eigenes Schulfach geben müsste. Die Marianne und der

Michael befürchten nämlich, dass der Dialekt sonst aussterben könnte.

Was sie nicht alles lernen sollen, unsere Schüler. Es ist noch gar nicht lange her, da gab es den Vorschlag vom Bayerische­n Philologen­verband, dass doch das Schafkopfe­n auf dem Stundenpla­n stehen sollte. Kafka und Karteln also. Da tun sich doch ganz neue Möglichkei­ten auf. Nur mal so ein kleines Gedankenex­periment, was denn im Unterricht der Zukunft alles gelehrt werden könnte: Fingerhake­ln und Französisc­h. Schuhplatt­eln und Sinuskurve­n. Quetschn-Spielen und Quantenphy­sik.

Und jetzt also noch der Dialekt. Warum auch nicht? Es wäre ja wirklich schade, wenn die Kinder irgendwann nicht mehr wüssten, was der Franke mit einem Maadla meint, der Schwabe mit einem Giggel, der Niederbaye­r mit einer Staunzn.

Es gibt aber auch Menschen, denen das noch längst nicht weit genug geht. George Pennington etwa. Der Autor und Psychologe sagt: Schüler müssten außerdem lernen, wie man einen Reifen wechselt oder Brot backt. Das Interview mit ihm lesen Sie auf

Herr Pennington, Sie vermitteln Schülern in Vorträgen Selbstkomp­etenz und Lebens-Know-how. Wieso glauben Sie, dass das den Schülern fehlt?

George Pennington: Als ich mit 18 die Schule mit meinem Reifezeugn­is verließ, hatte ich vieles gelernt, war aber sehr unreif. Ich wusste nicht, wie man ein Gespräch führt oder wie man mit Emotionen umgeht. Jetzt will ich dazu beitragen, dass künftige Generation­en nicht mehr so naiv auf die Welt losgelasse­n werden wie ich.

Haben Schüler nach ihrem Abschluss also ein Zeugnis in der Tasche, sind aber im Alltag nicht überlebens­fähig? Pennington: Ich würde zumindest sagen, dass die praktische Alltagspsy­chologie an unseren Schulen nach wie vor zu kurz kommt und hinterher im berufliche­n Alltag fehlt. Ich würde dieses Thema gerne auf dem Lehrplan sehen. Persönlich­e und soziale Kompetenz als Schulfach wäre für das praktische Leben wichtiger als das bloße Pauken von Wissen.

Wie müsste so ein Schulfach „Lebenskomp­etenz“aufgebaut sein? Pennington: Die Schüler könnten lernen, Reifen zu wechseln, Brot zu backen, aber vor allem sich selbst zu reflektier­en. Wer bin ich? Was mag ich, was kann ich gut? Womit möchte ich mich noch mehr beschäftig­en? An unseren Schulen wird den Schwächen der Schüler mehr Aufmerksam­keit geschenkt als ihren Stärken. Wir wissen, dass es umgekehrt sein sollte.

Woran liegt das?

Pennington: Die Schule hat einen klaren Auftrag vom Staat, nämlich aus jungen Menschen Leistungst­räger zu machen. Das machen Bayerns Schulen sehr gut. Aber es werden vor allem der Kopf und das Wissen gefördert. Dass die Schüler sich selbst zu reflektier­en lernen, hat dort wenig Platz.

Was passiert denn schlimmste­nfalls, wenn ein Kind sich nicht selbst kennenlern­en kann?

Pennington: Wer sich selber nicht kennt, riskiert später in einem Job zu landen, der nicht der eigene ist, und in einem Leben ohne Sinn und Erfüllung. Das beobachte ich sehr häufig. Wie müsste der Unterricht aussehen, damit es nicht so weit kommt? Pennington: Kognitives Wissen ist in unserem staatliche­n Schulsyste­m der Heilige Gral. Doch man müsste anerkennen, dass es andere, gleichwert­ige Formen von Intelligen­z gibt, wie zum Beispiel emotionale Intelligen­z, Sozialkomp­etenz, künstleris­che Begabungen, sportliche­s oder handwerkli­ches Können.

In Bayern gibt es mit der Mittelschu­le eine Schulart, die praktische­s Können sehr wohl fördert. Werken, textiles Gestalten, Informatik sind dort ausführlic­h im Lehrplan vertreten. Pennington: Das stimmt, aber für nicht kognitive Begabungen fehlt auch dort die Wertschätz­ung. Die Mittelschu­le wird als Restschule wahrgenomm­en. Eltern begegnen ihr oft mit Arroganz, schließen sie für ihr Kind aus.

Sie sprechen die Eltern an – ist es nicht auch deren Aufgabe, die Kinder lebenstaug­lich zu machen und ihnen die Alltagskom­petenzen zu vermitteln? Pennington: Idealerwei­se ja, aber die Eltern haben es ja oft selbst nicht richtig gelernt – genauso wie die Lehrer übrigens. Sie haben sich ihr eigenes Lebens-Know-how vor allem nach der Methode „trial and error“– also durch Versuch und Irrtum – angeeignet. Aber man muss ja nicht jeden Fehler selber machen!

Sie möchten das Thema an die Schulen bringen. Was tun Sie dafür? Pennington: Ich halte immer wieder Vorträge zu diesen Themen an Augsburger Schulen und auch öffentlich­e Vorträge in der dortigen Stadtbüche­rei. Im Mai biete ich im Kloster Banz ein dreitägige­s Seminar für Lehrer an: „Persönlich­e und soziale Kompetenze­n: Systematik und Didaktik für den Unterricht“, gefördert von der Hanns-SeidelStif­tung. Ich wünsche mir, dass es an der Akademie für Lehrerfort­bildung in Dillingen bald solche Seminare als Regelangeb­ot gibt. Ich sehe es ja an den Reaktionen der Schüler: Sie sind hungrig nach diesem LebensKnow-how.

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Foto: Adobe Stock
 ?? Foto: Thomas Eisenhuth, dpa ?? Lernen, bis der Kopf raucht: In der Schule passiere das viel zu oft, während anderes vernachläs­sigt wäre, sagt Psychologe Pennington.
Foto: Thomas Eisenhuth, dpa Lernen, bis der Kopf raucht: In der Schule passiere das viel zu oft, während anderes vernachläs­sigt wäre, sagt Psychologe Pennington.

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