Gribls Schritt war ein Befreiungsschlag
Der Rückzug des OB ist ein Beispiel für die Kunst des Loslassens. Die Bekanntgabe war zeitlich überfällig, da die CSU handeln musste. Es gibt viele Parallelen zu einem Alt-Oberbürgermeister
Es ist lange her, dass man den Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl außerhalb von privaten Terminen so entspannt und locker erlebt hat wie am Donnerstag bei einem Termin mit Journalisten. Der 54-Jährige, der tags zuvor verkündet hatte, dass er bei der Wahl 2020 nicht mehr antreten werde, scherzte mit Journalisten und machte überhaupt kein Geheimnis daraus, dass es ihm bestens gehe. Gesundheitlich sei es ihm nie schlecht gegangen, fügte er sicherheitshalber an. Es geht somit um etwas anderes: Der Kopf des Oberbürgermeisters, der seit 2008 im Rathaus regiert, ist wieder frei. Es scheint, dass die Bekanntgabe seiner Entscheidung, im Frühjahr 2020 als OB aufzuhören, Gribl glücklich macht – äußerlich deutlich wahrnehmbar und zu spüren.
Hat diese Veränderung im Auftreten des OB damit zu tun, dass Gribl einfach keine Lust mehr hat, noch länger Oberbürgermeister zu sein? Solche Spekulationen tauchten schnell auf, als das überraschende Ende der Amtszeit verkündet wurde. Mit Unlust hat die Entscheidung Gribls aber nichts zu tun. Er ist gerne Oberbürgermeister und will mit Engagement bis April 2020 weitermachen. Das nimmt ihm jeder ab, der in den zurückliegenden Tagen mit ihm zu tun hatte.
Nein, es ist ein anderer Punkt, der Gribl zu einem glücklichen, in sich ruhenden Menschen werden lässt. Die Abschiedserklärung war für ihn ein Befreiungsschlag. Ihm muss eine Zentnerlast von den Schultern gefallen sein. Denn sehr lange hatte der 54-jährige CSUPolitiker Partei und Öffentlichkeit über seine politische Zukunft im gelassen. Er selbst hatte die Entscheidung, nicht mehr für das höchste Amt in Augsburg zu kandidieren, zum Jahreswechsel getroffen. Das hat er am Mittwoch verkündet. Damit wird deutlich, dass Gribl seit vielen Wochen unter gewaltigem Druck leben und arbeiten musste. Innerlich wissend, dass er Abschied nimmt, durfte er sich dies äußerlich nicht anmerken lassen. Ein Ziel hatte der OB immer verfolgt: Er wollte seinen persönlichen Entschluss nicht frühzeitig bekannt geben. Er wollte die Frage der Nachfolge in der CSU geräuschlos regeln. Dass Gribl sich auf Bürgermeisterin Eva Weber als Wunschkandidatin festgelegt hatte, kann niemanden überraschen. Die beiden arbeiten seit nunmehr acht Jahren höchst professionell zusam- men. Mit ihrer Zustimmung, dass sie für eine Kandidatur bereitsteht, war der Grundstein gelegt, um die CSU-Spitze in Augsburg in den vorgesehenen Stabwechsel einzubinden. Augsburgs CSU-Chef Johannes Hintersberger und Fraktionschef Bernd Kränzle zogen mit.
Es drang aber nichts an die Öffentlichkeit. Selbst in der CSU gingen bis Mittwochmittag nahezu alle davon aus, dass Gribl eine dritte Amtszeit anstrebt. Dass es jetzt die OB-Kandidatin Eva Weber geworden ist, ist ein Paukenschlag.
Um sich nun nicht an den Spekulationen über seine Person zu beteiligen, hielt sich Gribl zurück. Er machte das einzig Richtige in dieser Situation: Er schwieg. Er konnte dies tun, weil er nur ganz wenige Vertraute in die Entscheidung einUngewissen geweiht hatte. Und auf diejenigen, die es wussten, konnte sich der OB verlassen. Auch sie schwiegen. Wobei diese Personen sicherlich mehr im privaten Bereich zu finden sind als in der Partei.
Am Mittwoch war die Botschaft dann endlich raus. Und schon stellt sich die nächste Frage: Was macht ein OB, der nach zwei Amtszeiten im Alter von dann 55 Jahren aufhört? Gribl selbst sagt völlig entspannt: „Ich habe keine Ahnung.“Darf man eine solche Aussage glauben? Wer Gribl in der gegenwärtigen Phase erlebt, muss es ihm abnehmen. Kurt Gribl hat in Abstimmung mit seiner Ehefrau Sigrid Gribl eine wichtige persönliche Lebensentscheidung getroffen, die ihm gänzlich neue Perspektiven eröffnet. Warum sollte er sich insofern zu früh festlegen? Wer sich mit dem überraschenden Rückzug von Gribl befasst, kommt in der Historie der Augsburger Kommunalpolitik an einem fast identischen Fall nicht vorbei. Es war ebenfalls ein CSU-Politiker, der Partei und Öffentlichkeit mit einem freiwilligen Abgang aus dem Amt überraschte. Peter Menacher verkündete im November 2000, dass er nach zwei Amtszeiten aufhören werde. Viele Aspekte, die heute für Gribl aufgeführt werden, galten auch bei ihm. Für ihn war es ebenfalls ein Befreiungsschlag, als Partei und Öffentlichkeit erfuhren, dass er, Menacher, aufhört.
Im Gegensatz zu jetzt geriet die Nachfolgefrage allerdings für die CSU zum Fiasko. Anfangs wurde Hermann Weber als OB-Kandidat vorgestellt, der später von Margarete Rohrhirsch-Schmid abgelöst wurde. Ihr wurden größere Chancen eingeräumt. Die damalige Bürgermeisterin – und dies ist nun wiederum eine Parallele zu Eva Weber – zog in die OB-Wahl. Die CSU-Politikerin verlor 2002 allerdings gegen Paul Wengert. Der SPD-Mann unterlag 2008 dem damals noch parteilosen OB-Kandidaten der CSU: Es war Kurt Gribl.
Der Blick ins Zeitungsarchiv macht deutlich, wie eng die Parallelen zwischen Menacher und Gribl tatsächlich sind. Das, was im November 2000 gegolten hat, ist für Gribl eins zu eins übertragbar. Man glaubte, dass Menacher wieder antritt, also sah man, wie er unheimlich engagiert arbeitete. Man übersah, dass er mit diesem Tatendrang den Grundstein für ein erfolgreiches Wirken an der Spitze der Stadt legen wollte. Er wollte partout nicht den Eindruck erwecken, dass er die Dinge plötzlich schleifen lässt, weil er aufhört. Man glaubte, dass Menacher wieder antritt, also sah man, wie sich der OB auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere befand. Man übersah, dass es im Lauf einer weiteren Amtsperiode einen Absturz geben könnte. Und wer konnte, falls Menacher sich nicht zurückgezogen hätte, ausschließen, dass es 2008 heißt: „Na endlich hört er auf.“
Auch Gribl wollte wohl verhindern, dass jemand 2026 sagt: „Na endlich hört er auf.“
Die Kandidatur von Eva Weber ist ein Paukenschlag