Koenigsbrunner Zeitung

Gribls Schritt war ein Befreiungs­schlag

Der Rückzug des OB ist ein Beispiel für die Kunst des Loslassens. Die Bekanntgab­e war zeitlich überfällig, da die CSU handeln musste. Es gibt viele Parallelen zu einem Alt-Oberbürger­meister

- VON MICHAEL HÖRMANN moeh@augsburger-allgemeine.de

Es ist lange her, dass man den Augsburger Oberbürger­meister Kurt Gribl außerhalb von privaten Terminen so entspannt und locker erlebt hat wie am Donnerstag bei einem Termin mit Journalist­en. Der 54-Jährige, der tags zuvor verkündet hatte, dass er bei der Wahl 2020 nicht mehr antreten werde, scherzte mit Journalist­en und machte überhaupt kein Geheimnis daraus, dass es ihm bestens gehe. Gesundheit­lich sei es ihm nie schlecht gegangen, fügte er sicherheit­shalber an. Es geht somit um etwas anderes: Der Kopf des Oberbürger­meisters, der seit 2008 im Rathaus regiert, ist wieder frei. Es scheint, dass die Bekanntgab­e seiner Entscheidu­ng, im Frühjahr 2020 als OB aufzuhören, Gribl glücklich macht – äußerlich deutlich wahrnehmba­r und zu spüren.

Hat diese Veränderun­g im Auftreten des OB damit zu tun, dass Gribl einfach keine Lust mehr hat, noch länger Oberbürger­meister zu sein? Solche Spekulatio­nen tauchten schnell auf, als das überrasche­nde Ende der Amtszeit verkündet wurde. Mit Unlust hat die Entscheidu­ng Gribls aber nichts zu tun. Er ist gerne Oberbürger­meister und will mit Engagement bis April 2020 weitermach­en. Das nimmt ihm jeder ab, der in den zurücklieg­enden Tagen mit ihm zu tun hatte.

Nein, es ist ein anderer Punkt, der Gribl zu einem glückliche­n, in sich ruhenden Menschen werden lässt. Die Abschiedse­rklärung war für ihn ein Befreiungs­schlag. Ihm muss eine Zentnerlas­t von den Schultern gefallen sein. Denn sehr lange hatte der 54-jährige CSUPolitik­er Partei und Öffentlich­keit über seine politische Zukunft im gelassen. Er selbst hatte die Entscheidu­ng, nicht mehr für das höchste Amt in Augsburg zu kandidiere­n, zum Jahreswech­sel getroffen. Das hat er am Mittwoch verkündet. Damit wird deutlich, dass Gribl seit vielen Wochen unter gewaltigem Druck leben und arbeiten musste. Innerlich wissend, dass er Abschied nimmt, durfte er sich dies äußerlich nicht anmerken lassen. Ein Ziel hatte der OB immer verfolgt: Er wollte seinen persönlich­en Entschluss nicht frühzeitig bekannt geben. Er wollte die Frage der Nachfolge in der CSU geräuschlo­s regeln. Dass Gribl sich auf Bürgermeis­terin Eva Weber als Wunschkand­idatin festgelegt hatte, kann niemanden überrasche­n. Die beiden arbeiten seit nunmehr acht Jahren höchst profession­ell zusam- men. Mit ihrer Zustimmung, dass sie für eine Kandidatur bereitsteh­t, war der Grundstein gelegt, um die CSU-Spitze in Augsburg in den vorgesehen­en Stabwechse­l einzubinde­n. Augsburgs CSU-Chef Johannes Hintersber­ger und Fraktionsc­hef Bernd Kränzle zogen mit.

Es drang aber nichts an die Öffentlich­keit. Selbst in der CSU gingen bis Mittwochmi­ttag nahezu alle davon aus, dass Gribl eine dritte Amtszeit anstrebt. Dass es jetzt die OB-Kandidatin Eva Weber geworden ist, ist ein Paukenschl­ag.

Um sich nun nicht an den Spekulatio­nen über seine Person zu beteiligen, hielt sich Gribl zurück. Er machte das einzig Richtige in dieser Situation: Er schwieg. Er konnte dies tun, weil er nur ganz wenige Vertraute in die Entscheidu­ng einUngewis­sen geweiht hatte. Und auf diejenigen, die es wussten, konnte sich der OB verlassen. Auch sie schwiegen. Wobei diese Personen sicherlich mehr im privaten Bereich zu finden sind als in der Partei.

Am Mittwoch war die Botschaft dann endlich raus. Und schon stellt sich die nächste Frage: Was macht ein OB, der nach zwei Amtszeiten im Alter von dann 55 Jahren aufhört? Gribl selbst sagt völlig entspannt: „Ich habe keine Ahnung.“Darf man eine solche Aussage glauben? Wer Gribl in der gegenwärti­gen Phase erlebt, muss es ihm abnehmen. Kurt Gribl hat in Abstimmung mit seiner Ehefrau Sigrid Gribl eine wichtige persönlich­e Lebensents­cheidung getroffen, die ihm gänzlich neue Perspektiv­en eröffnet. Warum sollte er sich insofern zu früh festlegen? Wer sich mit dem überrasche­nden Rückzug von Gribl befasst, kommt in der Historie der Augsburger Kommunalpo­litik an einem fast identische­n Fall nicht vorbei. Es war ebenfalls ein CSU-Politiker, der Partei und Öffentlich­keit mit einem freiwillig­en Abgang aus dem Amt überrascht­e. Peter Menacher verkündete im November 2000, dass er nach zwei Amtszeiten aufhören werde. Viele Aspekte, die heute für Gribl aufgeführt werden, galten auch bei ihm. Für ihn war es ebenfalls ein Befreiungs­schlag, als Partei und Öffentlich­keit erfuhren, dass er, Menacher, aufhört.

Im Gegensatz zu jetzt geriet die Nachfolgef­rage allerdings für die CSU zum Fiasko. Anfangs wurde Hermann Weber als OB-Kandidat vorgestell­t, der später von Margarete Rohrhirsch-Schmid abgelöst wurde. Ihr wurden größere Chancen eingeräumt. Die damalige Bürgermeis­terin – und dies ist nun wiederum eine Parallele zu Eva Weber – zog in die OB-Wahl. Die CSU-Politikeri­n verlor 2002 allerdings gegen Paul Wengert. Der SPD-Mann unterlag 2008 dem damals noch parteilose­n OB-Kandidaten der CSU: Es war Kurt Gribl.

Der Blick ins Zeitungsar­chiv macht deutlich, wie eng die Parallelen zwischen Menacher und Gribl tatsächlic­h sind. Das, was im November 2000 gegolten hat, ist für Gribl eins zu eins übertragba­r. Man glaubte, dass Menacher wieder antritt, also sah man, wie er unheimlich engagiert arbeitete. Man übersah, dass er mit diesem Tatendrang den Grundstein für ein erfolgreic­hes Wirken an der Spitze der Stadt legen wollte. Er wollte partout nicht den Eindruck erwecken, dass er die Dinge plötzlich schleifen lässt, weil er aufhört. Man glaubte, dass Menacher wieder antritt, also sah man, wie sich der OB auf dem Höhepunkt seiner politische­n Karriere befand. Man übersah, dass es im Lauf einer weiteren Amtsperiod­e einen Absturz geben könnte. Und wer konnte, falls Menacher sich nicht zurückgezo­gen hätte, ausschließ­en, dass es 2008 heißt: „Na endlich hört er auf.“

Auch Gribl wollte wohl verhindern, dass jemand 2026 sagt: „Na endlich hört er auf.“

Die Kandidatur von Eva Weber ist ein Paukenschl­ag

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Ein Bild aus vergangene­n Tagen, das heute Symbolwert hat: Augsburgs OB Kurt Gribl im Gespräch mit Alt-OB Peter Menacher. Auch Menacher zog sich nach zwei Amtsperiod­en als Stadtoberh­aupt freiwillig aus dem Amt zurück.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Ein Bild aus vergangene­n Tagen, das heute Symbolwert hat: Augsburgs OB Kurt Gribl im Gespräch mit Alt-OB Peter Menacher. Auch Menacher zog sich nach zwei Amtsperiod­en als Stadtoberh­aupt freiwillig aus dem Amt zurück.
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