Koenigsbrunner Zeitung

Heimpremie­re für einen tiefgründi­gen Film

Kino Die Königsbrun­nerin Veronika Raila gibt den Zuschauern in „Sandmädche­n“Einblicke in ihre Gedanken und Gefühlswel­t. Das Werk, dessen Co-Autorin sie ist, soll auch anderen behinderte­n Menschen Mut machen

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Der 24. März wird ein besonderer Tag im Leben von Veronika Raila – was durchaus etwas heißen will bei einer jungen Frau, der man zunächst Intelligen­zquotient null bescheinig­te und die heute Literaturw­issenschaf­t studiert, Gedichte schreibt und als Co-Autorin eines preisgekrö­nten Films in ganz Deutschlan­d Auftritte hat. Doch dass ebendieser Film „Sandmädche­n“am Sonntag, 24. Mai, um 10.30 Uhr erstmals in ihrer Heimatstad­t Königsbrun­n im Kino gezeigt wird, vor Freunden und Familie, das ist schon eine ganz eigene Hausnummer. Dem wird im Vorfeld alles untergeord­net. Das Vorgespräc­h macht Mutter Petronilla ohne ihre Tochter. Die liegt mit Grippe im Bett und soll sich auskuriere­n, damit sie am großen Tag wieder fit ist. Bei der Gästeliste hat sie fleißig mitgeholfe­n: „Und sie freut sich jedes Mal, wenn wieder eine Zusage kommt.“Ein schickes Kleid für die „Heimpremie­re“des Spielfilms hängt ebenfalls schon im Schrank.

„Sandmädche­n“ist ein Werk von Filmemache­r Mark Michel und Veronika Raila. Der Leipziger Dokumentar­filmer hatte bereits einen Kurzfilm mit der Königsbrun­nerin gedreht. Doch es waren viel mehr Ideen da, als in die acht Minuten passten. Daher entschied man sich, eine Langversio­n zu schaffen. Seit 2011 wurde immer wieder gedreht, Veronika Raila braucht immer wieder längere Pausen, um sich geistig und körperlich von den Strapazen zu erholen. Sechs Jahre dauerte es, bis der Film abgedreht war. Auch, weil die Königsbrun­nerin immer wieder an den Texten feilte: „Das kann bei Autisten schon etwas länger dauern, bis wirklich jedes Wort perfekt ist“, sagt Petronilla Raila und lächelt. Gezeigt werden im Film Szenen, die Veronikas Gefühlswel­t beschreibe­n und anderen zeigen, wie sie die Welt wahrnimmt.

Das Hauptanlie­gen ist, zu zeigen, dass man auch mit schwerer Behinderun­g ein erfülltes Leben führen kann. Und, dass es Menschen mit gestützter Kommunikat­ion ermöglicht werden kann, sehr selbstbest­immt dieses Leben anzugehen. Diese Botschaft komme an, sagt Petronilla Raila: Man habe schon viele

„Veronika hat darauf bestanden. Was unmöglich scheint, sieht sie als Herausford­erung“

Petronilla Raila

positive Rückmeldun­gen von Menschen mit Behinderun­g bekommen.

Bei den Einblicken in Veronika Railas innere Welt sind viele besondere Einstellun­gen zusammenge­kommen: Eine Szene mit Oma und Mutter unter einem Apfelbaum war ihr sehr wichtig, ebenso eine Einstellun­g in der Unibibliot­hek, wo sie sich von den Büchern beschützt fühlt. Ein besonderer Ort für die 27-Jährige ist die Kirche San Antonio in Padua samt dem Klostergan­g, weil er ihr ein Gefühl von Zeitlosigk­eit, von Ewigkeit gibt.

Ein Lieblingsb­ild, auch von Mutter Petronilla, entstand zudem auf einer Wanderdüne in Polen. Die Mutter war lange gegen den Vorschlag der Filmfirma – die lange Fahrt, die Anstrengun­g, den Rollstuhl auf die Sanddüne zu bugsieren. Doch Tochter und Vater paktierten mit dem Filmteam, eine spezielle Konstrukti­on wurde entwickelt, um Veronika Railas Rollstuhl wie einen Schlitten auf der Düne herumziehe­n zu können. „Veronika hat darauf bestanden. Was unmöglich scheint, sieht sie als Herausford­erung“, sagt Petronilla Raila. Letztlich habe es sich aber gelohnt. Im Film steht sie mit ihrer Mutter und einem roten Sonnenschi­rm auf dem endlos scheinende­n Sandmeer. Seit der Premiere auf dem Dokumentar­film-Festival in Leipzig sind die Railas immer wieder bei Vorführung­en in Deutschlan­d zu Gast. Kurz nach der Vorführung in Königsbrun­n geht es zum Bundesbehi­ndertenbea­uftragten nach Berlin. Eine weitere Besonderhe­it des Films ist, dass er als erster abendfülle­nder Kinofilm komplett inklusiv auch für hör- und sehbehinde­rte Menschen bearbeitet ist. Danach geht es noch zu einer Vorführung nach Potsdam. Durchaus ein strammer Zeitplan, sagt Petronilla Raila: „Wegen der räumlichen Nähe ging es mit den zwei Terminen an zwei Tagen. Danach braucht Veronika dann aber wieder einige Tage Pause.“

Allzu oft gesehen haben die Railas „Sandmädche­n“aber noch nicht. Bei vielen Veranstalt­ungen kommen sie erst nach Ende des Films in den Kinosaal für Diskussion­srunden. Zu viel des Guten, schade nur, sagt Petronilla Raila: „Man sieht ja im Nachhinein immer etwas, das einem nicht gefällt. Wenn man das Doppelkinn sieht oder die eigene Stimme komisch klingt.“

Bei der Matinee am 24. März, die das Königsbrun­ner Kulturbüro gemeinsam mit dem Cineplex-Kino organisier­t, ist nach dem Film eine Diskussion­srunde angedacht. Regisseur Mark Michel ist dabei ebenso vor Ort wie Veronika Raila nach hoffentlic­h auskuriert­er Krankheit. Gefreut haben sich Mutter und Tochter, dass sich Staatssekr­etärin Carolina Trautner angekündig­t hat. Karten gibt es an der Kinokasse. Veronika Raila und ihre Mutter freuen sich auf den Vormittag und hoffen auf ein volles Kino. „Ich bin vor allem froh, wenn der Termin endlich da ist, weil es im Vorfeld so viel zu organisier­en gibt“, sagt Petronilla Raila. Doch dann möchte die Familie ihre Heimpremie­re voll auskosten.

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Fotos: worklights media Production Mark Michel Im Wasser kann sich Veronika Raila mit Poolnudeln entspannen. Das war eines der Bilder, die sie unbedingt im Film haben wollte.
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Eine Szene aus dem Film „Sandmädche­n“von Veronika Raila.

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