Ein Ei im Winter, Blut am Schuh
Umwelt Jana Steingässer und Wolfgang Korn erzählen über Klimawandel und Globalisierung
Ein Huhn, das im Dezember bei frühlingshaften Temperaturen ein Ei legt, wirft bei Paula, zwölf Jahre alt, Fragen auf: Warum wissen die Tiere auf einmal nicht mehr, wann Winter und wann Frühling ist? Ist der Klimawandel verantwortlich? Gibt es den auch bei uns? Was hat das mit mir zu tun? Fragen, die Paulas Eltern, die Journalistin Jana Steingässer und den Fotografen Jens Steingässer, veranlassten, mit Paula und ihren drei Geschwistern auf den Spuren des Klimawandels um die Welt zu reisen. Daraus ist das Sachbuch „Paulas Reise“entstanden, das gut zur aktuellen Bewegung passt, die Jugendliche für einen nachhaltigeren Umgang mit der Umwelt auf die Straße gehen lässt.
Sieben Jahre sind die Steingässers während der Ferien in Länder gereist, in denen die Auswirkungen des Klimawandels spürbar sind, und beobachtet, wie sich das Klima auf den Alltag der Menschen auswirkt: bei einer Überquerung der Alpen, auf einem Pferdetreck durch Albanien, in Südafrika, in Grönland. Dort entdeckt Paula im Supermarkt Schoko-Osterhasen und -Nikoläuse nebeneinander, weil das Versorgungsschiff den Weg durchs Eis nur im Sommer antreten kann.
Eindruck macht auch die Reise nach Albanien zur Vjosa, einem der letzten frei fließenden Flüsse in Europa. Aber die unberührte Landschaft, in der viele bedrohte Tierarten ihr Zuhause haben, ist in Gefahr, weil in dem Balkan-Land der Bedarf an Energie steigt und Wassserkraftwerke geplant werden. Ganz zu schweigen von all dem Plastikmüll, der an den Ufern herumliegt. Und noch eine Erfahrung machen die Kinder hier: Wenn es im Winter und im Frühjahr zu wenig regnet, gibt es auch in den Bächen und Flüssen wenig Wasser, mit dem man sich in der Hitze der albanischen Berglandschaft erfrischen kann.
Zu den Reiseberichten aus der Perspektive Paulas erklärt Jana Steingässer in Info-Kästen Wissenswertes zum Klimawandel, nachhaltiger Wirtschaft, Artenvielfalt und vielem mehr. So entsteht ein ebenso munteres wie interessantes Sachbuch, das ein Thema von großer Bedeutung für viele zugänglich macht.
Dass die Eindrücke und Erfahrungen der Reisen auch Konsequenzen haben, macht das letzte Kapitel deutlich: Familie Steingässer vermeidet Plastikverpackungen, wo es
„Die Geschichte hat mein Leben verändert“
geht, heizt zu Hause nur noch auf 19 Grad und verzichtet auf ein eigenes Auto. E + M + E – also Ernährung, Mobilität und Energie – ist Paulas Formel für einen umweltbewussteren Lebensstil. „Das sind die drei großen Bereiche, in denen du dein Leben und das deiner Familie ein bisschen aufmischen kannst – mit kleinen Dingen im Alltag, in der Schule und in der Nachbarschaft.“
Eine erzählerische Spurensuche wählt auch Wolfgang Korn für sein Sachbuch „Lauf um dein Leben“, Auch er geht auf Nachhaltigkeit und ökologische Fragen ein, weitet dieses Thema aber auf die globalen Zusammenhänge in einer wirtschaftlich vernetzten Welt. Aufhänger dafür ist ein Paar Sneakers, auf denen getrocknetes Blut klebt. Der Chefredakteur einer Lokalzeitung hat die Sportschuhe am Rande des Stadtmarathons gefunden und bringt nun eine umfangreiche Recherche auf den Weg. Werner Koschinski, Chefreporter der Zeitung, soll herausfinden, wem die Schuhe gehören, wo sie produziert wurden und welche Geschichte dahintersteckt.
Die Recherche führt Koschinski in den heimischen Sportladen ebenso wie zu den Designern berühmter Sportschuhmarken. In der chinesischen Schuhmetropole Whenzhou erfährt er über Produktpiraterie und die unzumutbaren Bedingungen der meist weiblichen Arbeiterinnen in den über 4000 Schuhfabriken. Weil selbst deren niedriges Lohnniveau noch unterboten werden kann, nämlich in afrikanischen Ländern, reist er nach Äthopien, wo er in der Stadt der Läufer, in Bekoji, endlich auf den Schöpfer der blutbefleckten Sneakers stößt. Es ist Ismael, der die Schuhe für seine Söhne Abebe und Mammo, beide talentierte Läufer, gefertigt hat. Die Geschichte, die er Koschinski erzählt, entwickelt sich zu einem Drama, das viel aussagt über Ausbeutung, Hoffnung auf ein besseres Leben und die Verantwortung der Menschen, die aufgrund besserer natürlicher Voraussetzungen auch bessere Lebensbedingungen genießen.
In einer gelungenen Mischung aus fiktiver Handlung und informativen Sach-Einschüben zu historischen, wirtschaftlichen und sportlichen Fakten macht Wolfgang Korn globale Zusammenhänge deutlich und bringt das Thema jugendlichen Lesern sehr nahe. Nur schade, dass er es dabei mit dem Mythos vom rasenden Reporter manchmal ein wenig übertreibt. Birgit Müller-Bardorff Wolfgang Korn: Lauf um dein Leben
Hanser,
232 Seiten, 15 Euro – ab 12