Drum prüfe, wer sich lange bindet
Betriebsrente Unternehmen müssen seit Jahresbeginn Geld zur betrieblichen Altersvorsorge zuschießen. Viele Verbraucherschützer warnen aber, dass es sich nicht immer lohnt, auf die Angebote einzugehen
Augsburg Üppige Betriebsrente im Alter? Davon können Millionen Beschäftigte, vor allem junge Arbeitnehmer, nur träumen. Mehr als eine Direktversicherung haben viele Arbeitgeber gar nicht mehr zu bieten. Und zum Mitzahlen sind auch nicht alle bereit. Jetzt müssen Chefs finanziell stärker ran. Seit Januar ist ein Zuschuss von 15 Prozent zur betrieblichen Altersvorsorge Pflicht – so will es das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz. Klingt auf den ersten Blick attraktiv. Gut gemeint, aber immer noch zu wenig, winken Experten ab. Lohnenswert sei das Sparen meist erst ab einem Arbeitgeberanteil von mindestens 30 Prozent aufwärts, gibt Thomas Hentschel zu bedenken, Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Bezuschusst werden zudem erst einmal nur Neuverträge. Nur wer sich vom Zuschüsschen nicht blenden lässt und die Angebote vom Chef penibel nachrechnen lässt, kann tatsächlich ein gutes Geschäft fürs Alter machen.
● Das gilt Seit 2002 haben Arbeitnehmer das Recht auf betriebliche Altersvorsorge. Es gibt fünf verschiedene Modelle. Die früher weitgehend arbeitgeberfinanzierten Pensionszusagen, Absicherungen über Pensionsfonds, Unterstützungs-und Pensionskassen sind jedoch rar geworden. Was vor allem junge Mitarbeiter heute angeboten bekommen, ist eine Direktversicherung, also eine klassische Lebensoder Rentenversicherung. Vor allem in kleineren und mittleren Betrieben ist sie beliebt. Beim ersten Hinsehen scheint sie auch tatsächlich interessant zu sein. Arbeitnehmer verzichten auf einen Teil ihres Bruttogehalts. Das Geld fließt dafür in den Vertrag, den der Chef für sie abschließt – noch bevor Steuern und Sozialabgaben abgehen.
Ob es sich lohnt, eigenes Geld per Entgeltumwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge zu stecken, ist aber meist fraglich – und abhängig von vielen Stellschrauben. Schießt die Firma mindestens 30, 40 Prozent dazu und organisiert profitable Verträge, dann kann der Sparer profitieren, wie Merten Larisch berechnet hat, Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Sonst eher nicht.
● Das ist neu Seit Januar 2019 ist ein wenig mehr finanzielles Engagement der Arbeitgeber Pflicht. Mindestens 15 Prozent müssen sie jetzt bei neu abgeschlossenen Verträgen dazu geben. Denn: Der Arbeitgeber spart bei der Entgeltumwandlung des Mitarbeiters ja auch, und zwar rund 20 Prozent an Sozialabgaben (sofern der Arbeitnehmer unterhalb der Beitragsbemessungsgrenzen für die Rentenversicherung und für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung verdient). Von den gesparten fast 20 Prozent muss er nun mindestens 15 Prozent an den Beschäftigten weitergeben. „Weil auch mehr Zuschuss möglich ist, sollten Arbeitnehmer ruhig fragen, ob die Firma noch freiwillig eine ordentliche Schippe draufpackt“, sagt Hentschel.
Wer seit längerem über die Firma fürs Alter spart, geht erst einmal leer aus. Erst ab 2022 müssen Betriebe auch laufende Altverträge mit min- destens 15 Prozent bezuschussen, die vor 2019 geschlossen wurden.
● Das wird verschwiegen Arbeitnehmer bekommen bei Abschluss eines Vertrags nur selten vorgerechnet, was sie an Nachteilen erwartet – Zuschuss hin oder her. Was der Staat anfangs gibt, holt er sich am Ende zurück. Daran hat auch das neue Gesetz nichts geändert. Dazu gehört, dass die Betriebsrentner bei Auszahlung der Direktversicherung volle Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssen. Politische Überlegungen, daran etwas zu ändern, sind noch nicht spruchreif. Und so müssen Arbeitnehmer mit aktuell gut 18 Prozent kalkulieren, die allein für die Beiträge jeden Monat von der Rente abgehen.
Das „führt zu einer erheblichen Belastung der Rentner im Alter“, kritisiert Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bunds der Versicherten (BdV). Würden die Beschäftigten eine Lebensversicherung privat und nicht über den Chef besparen – oder wären sie privat krankenversichert – müssten sie nicht einen Cent Sozialabgaben darauf zahlen.
● Das ist auch nachteilig Jeder, der ab 2040 in Rente geht, muss seine Betriebsrente auch noch zu hundert Prozent versteuern. Die anfängliche Steuerfreiheit gilt bei der Auszahlung nicht mehr. Zusatzhaken: Wer im Job weniger in die Rentenkasse einzahlt, bekommt später entsprechend weniger heraus. Das kann sich auch beim Kranken-, Elternoder Arbeitslosengeld sowie bei einer Erwerbsminderungsrente bemerkbar machen. Vor allem jungen Leuten sollte klar sein, dass sie sich vor allem mit einer Direktversicherung auf Jahrzehnte binden. Sie ist kaum vererbbar und auch nicht kündbar, nicht einmal in finanzieller Notlage oder während einer Babypause ohne Einkommen. Es ist meist nur eine Beitragsfreistellung möglich. Die nagt aber am Ertrag. Erst im Rentenalter kann der Kunde an sein Geld. Junge Frauen sollten eine Entscheidung auch von ihrer Familienplanung abhängig machen. Außerdem: Beim Jobwechsel kann der Vertrag oft nicht ohne Einbußen beim neuen Arbeitgeber weitergeführt werden.
● Das zählt Für all die, die mit einer Direktversicherung vorsorgen wollen, kann sich das höchstens unter zwei Voraussetzungen rechnen, geben Verbraucherschützer zu bedenken: Der Chef muss einen Vertrag mit guten Konditionen vorlegen. Sonst kommen am Ende nicht einmal die eingezahlten Beiträge heraus. Und er muss noch kräftig Geld beisteuern, über die verlangten 15 Prozent hinaus. Sonst kommt keine echte Rendite zustande.
Holger Balodis, unabhängiger Altersvorsorgeexperte, hält 15 Prozent schlicht für zu wenig, um die Nachteile des Direktversicherungsmodells für den Arbeitnehmer abzufedern. Nach Berechnungen von Finanztest bleiben einem ledigen Gutverdiener – Jahresbrutto 58000 Euro – von 107 Euro Monatsrente, die er für monatlich 100 Euro Einzahlung nach 27 Jahren garantiert bekommt, gerade mal 67 Euro netto übrig. Der 15-prozentige Zuschuss vom Arbeitgeber bringt ihn auch nicht entscheidend vorwärts: Der Modellkunde hätte dann im Alter eine Betriebsrente von 123 Euro, also 16 Euro mehr. Zahlt nur der Mitarbeiter, wie in vielen Altverträgen noch der Fall, droht ihm in der Regel ein sicheres Minusgeschäft, mahnt Larisch.
● Das ist zu tun Vorgelegte Altersvorsorgeverträge sollten auf keinen Fall ungeprüft unterschrieben werden, rät Hentschel. Nachhaken und Rat einholen, ist wichtig. Verbraucherzentralen zum Beispiel checken die vorgerechnete Rendite. Trotz neuem Gesetz kann das private Sparen fürs Alter nach Ansicht von Verbraucherschützern die bessere Alternative sein: flexibler und rentabler. Für Spitzenverdiener, noch dazu privat krankenversichert, kann sich eine Direktversicherung durchaus rentieren. Je höher der persönliche Steuersatz, desto mehr lohnt es sich, insbesondere mit Zuschuss vom Chef.