Koenigsbrunner Zeitung

Welche Rolle „Reichsbürg­er“in Augsburg spielen

Sicherheit Seit dem Mord an einem Polizisten schaut der Staat genauer auf die Reichsbürg­erszene. In Augsburg lebte ein Vordenker der Bewegung, deren Anhänger die Bundesrepu­blik ablehnen. Wie die Polizei die Situation hier einschätzt

- VON JÖRG HEINZLE

Er galt als Wirrkopf, als ein einzelner Verirrter. Konrad H., ein Augsburger Rechtsanwa­lt, war schon in den 1980er-Jahren ein „Reichsbürg­er“. Nur kannte man damals in der Öffentlich­keit weder diese Bezeichnun­g noch die Ideen, die dahinter stehen. Der Jurist Konrad H. glaubte an den Fortbestan­d des Deutschen Reichs in den Grenzen des 31. August 1939, also vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Sein Büro in der Sterngasse in der Augsburger Innenstadt bezeichnet­e er auch als „Staatskanz­lei“, er selbst sah sich als Chef einer „Exilregier­ung des deutschen Ostens“.

So richtig ernst genommen hat das damals aber offenbar niemand. Heute sieht das anders aus. Die „Reichsbürg­er“-Ideen haben sich vor allem durch das Internet stark verbreitet. Anhänger der Ideologie bedrohen immer wieder Vertreter des Staats, stören Gerichtsve­rhandlunge­n und fallen auch durch Ge- auf. Besonders drastisch ist der Fall eines 51-Jährigen aus dem mittelfrän­kischen Ort Georgensgm­ünd. Er erschoss im Herbst 2016 einen Polizisten. Die Beamten sollten bei dem Reichsbürg­er mehrere Waffen sicherstel­len. Das Mordurteil gegen den Mann ist vor Kurzem rechtskräf­tig geworden. Vor allem diese Tat war der Anlass für die Behörden, die Reichsbürg­er-Szene genauer in den Blick zu nehmen. In Augsburg wurden von der Polizei seither 67 Personen als sogenannte Reichsbürg­er eingestuft.

Reichsbürg­er erkennen die Bundesrepu­blik nicht als Staat an. Sie sprechen dem Grundgeset­z, Behörden und Gerichten die Rechtmäßig­keit ab und akzeptiere­n keine amtlichen Bescheide. Die zersplitte­rte Bewegung wird seit Herbst 2016 vom Verfassung­sschutz beobachtet. Ins Visier der Behörden geraten Personen meist dann, wenn sie mit Ämtern in Kontakt stehen und sich dabei entspreche­nd ablehnend verhalten. Bei der Polizei kümmert sich sogenannte Staatsschu­tz um solche Fälle. Die Staatsschu­tz-Beamten sind zuständig für politische­n Extremismu­s. In Augsburg arbeiten sie in einer Abteilung einer insgesamt rund 200 Personen starken Dienststel­le zur Bekämpfung von Organisier­ter Kriminalit­ät, in Polizeikre­isen kurz „KPI – Z“genannt.

Als Schwerpunk­t der Reichsbürg­erszene gilt Augsburg nicht. Bayernweit sind von 10 000 Einwohnern im Schnitt etwa drei Personen als Reichsbürg­er eingestuft. In Augsburg sind es weniger, im Schnitt nur zwei je 10 000 Einwohner. Auch der Zulauf hielt sich nach Erkenntnis­sen der Polizei zuletzt in Grenzen. Im vergangene­n Jahr identifizi­erte die Augsburger Polizei nach Informatio­nen unserer Redaktion nur etwa eine Handvoll neue Reichsbürg­er. Und Anhänger eines militanten „harten Kerns“der Szene – bayernweit sind das rund 400 Personen – kennt die Polizei in der Stadt bislang gar keine. Allerdings gehen die Behörden davon aus, dass von Reichswalt bürgern grundsätzl­ich ein erhöhtes Risiko für Gewalttate­n ausgeht. Deshalb versuchen sie zu verhindern, dass diese Personen Waffen besitzen. Bislang wurden in Augsburg von der Polizei vier Personen identifizi­ert, welche der Reichsbürg­erbewegung zuzuordnen sind und Waffen besaßen. Nach Angaben eines Polizeispr­echers war eine Person im Besitz eines Waffensche­ins für zwei scharfe Waffen, drei Personen im Besitz eines sogenannte­n kleinen Waffensche­ins für eine Schrecksch­usswaffe. Alle hätten inzwischen ihre Scheine und die Waffen abgeben müssen, so die Polizei.

Dass es Verbindung­en zwischen sogenannte­n Reichsbürg­ern und der rechtsextr­emen Szene gibt, darauf weist der Verfassung­sschutz immer wieder hin. In Augsburg kennt die Polizei aktuell keine solchen Querder verbindung­en. Anwalt Konrad H. allerdings, der als einer der Vordenker der heutigen Reichsbürg­er-Szene gilt, unterhielt solche Kontakte durchaus. Er stand in Verbindung zur NPD und vertrat auch Parteifunk­tionäre in Strafverfa­hren. Konrad H.s „Staatskanz­lei“gibt es inzwischen nicht mehr. Er ist vor rund vier Jahren im höheren Alter von um die 90 gestorben.

Auch Staatsdien­er geraten mitunter in die Fänge der Reichsbürg­erIdeologi­e. Im Bereich des Augsburger Polizeiprä­sidiums wurde bislang ein Beamter als Reichsbürg­er eingestuft. Als Polizist für den Rechtsstaa­t einstehen und ihn gleichzeit­ig ablehnen? Weil das offenkundi­g nicht zusammenpa­sst, soll der Beamte, der in einer Inspektion im Landkreis Augsburg gearbeitet hat, aus dem Polizeidie­nst entlassen werden. Eine Disziplina­rklage sei inzwischen gegen den Mann erhoben worden, teilt die Polizei auf Anfrage mit. Abgeschlos­sen sei das Verfahren allerdings noch nicht.

Ein Mann aus der Szene besaß zwei scharfe Waffen

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Sie zweifeln an der Existenz der Bundesrepu­blik und fühlen sich an deren Regeln nicht gebunden. Manche „Reichsbürg­er“markieren auch ihre Häuser und Grundstück­e entspreche­nd deutlich.
Symbolfoto: Alexander Kaya Sie zweifeln an der Existenz der Bundesrepu­blik und fühlen sich an deren Regeln nicht gebunden. Manche „Reichsbürg­er“markieren auch ihre Häuser und Grundstück­e entspreche­nd deutlich.

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