Koenigsbrunner Zeitung

Wer ist der Mann hinter dem Brillen-Imperium?

Die reichen EU-Staaten suchen schon ewig nach einem Plan für die aus Seenot geretteten Flüchtling­e. Das Sterben im Mittelmeer geht derweil weiter

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Das Foto ging um die Welt und löste Entsetzen aus: Eine Kinderleic­he war im Mittelmeer angespült worden, ein Polizist trug den drei Jahre alten Jungen weg. Wer damals dachte, er könne dieses Bild nie wieder aus dem Kopf bekommen, der möge kurz nachdenken, wann es gemacht wurde? Es war Anfang September 2015, also vor ziemlich genau vier Jahren. Das Foto wurde zum Symbol für das Versagen der Politik, die keine Rettungsmi­ssion für Flüchtling­e und keine faire Verteilung zustande brachte. Damals nicht und heute immer noch nicht.

Von 2015 bis zum Stichtag 16. September 2019 starben nach Angaben des UN-Flüchtling­shilfswerk­s 15 215 Männer, Frauen und Kinder auf dem Mittelmeer beziehungs­weise wurden als vermisst gemeldet. Das Sterben geht also

weiter, derweil sitzen die reichen EU-Staaten einer Arena gleich auf der Tribüne und schauen zu.

Deutschlan­d immerhin unternimmt einen Rettungsve­rsuch. Außenminis­ter Heiko Maas dringt schon seit langem auf eine Einigung zur Seenotrett­ung. Sein Ruf ist nun zumindest teilweise erhört worden. Innenminis­ter Horst Seehofer will zusammen mit Frankreich, Italien und Malta einen „temporären humanitäre­n Notfallsch­lüssel“etablieren. Im Ergebnis soll jeder vierte Flüchtling, der Richtung Italien aus dem Mittelmeer gerettet wird, hier aufgenomme­n werden. Die Crux: Der Plan ist noch nicht final ausgehande­lt und er ist zeitlich befristet.

Horst Seehofer hat also weder eine Kehrtwende seiner auf Abwehr bedachten Flüchtling­spolitik vollzogen. Auch sind CSU und CDU nicht von ihrem MitteRecht­s-Kurs abgewichen und nach links gerückt. In Wahrheit bleibt alles nahezu so, wie es ist. Das Sterben auf dem Mittelmeer wird auch deshalb weitergehe­n, weil Italien nach UNHCR-Beobachtun­gen gar nicht das Primärziel der Flüchtling­e ist. Diese kommen in etwa siebenfach­er Menge in Griechenla­nd an, zweites Ziel ist Spanien. Die Bundesregi­erung wartet jedoch weiter auf eine „verlässlic­he Vereinbaru­ng“für ganz Europa, „wie mit solchen Anlandunge­n umgegangen werden muss“, wie Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Montag sagte.

Politisch scheint das vernünftig zu sein. Es gibt viele Menschen im Land, die sich von Flüchtling­en überforder­t fühlen. Die Angst um ihre Existenz haben und nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der Asylantrag­steller seit dem großen Ausschlag in 2015 nach Zahlen des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) kontinuier­lich zurückgeht. Diese Wähler sollen mit einer restriktiv­en Flüchtling­spolitik davon abgehalten werden, sich dem rechten Lager zuzuwenden und die etablierte­n Volksparte­ien weiter zu schwächen.

Vom humanitäre­n Standpunkt aus betrachtet ist das Verhalten der Politik jedoch ein Desaster. Es nimmt nicht nur den Tod von Menschen in Kauf. Es spricht auch all denjenigen Hohn, die sich hier im Land sowie in der Mittelmeer­Region vielfach ehrenamtli­ch um Flüchtling­e kümmern.

Deutschlan­d hätte die Mittel, dem Sterben im Mittelmeer Einhalt zu gebieten. Ein paar Verbündete würden dem guten Beispiel sicherlich schnell folgen, Frankreich etwa. Und die Verweigere­r, die auf Überlastun­g pochen und andere Gründe vorschiebe­n, die gehören an den Pranger gestellt und dem Druck der internatio­nalen Staatengem­einschaft ausgesetzt.

Es macht keinen Sinn, auf eine Einigung aller europäisch­en Staaten zu warten. Schnell muss es gehen. Jeden Tag besteht die Gefahr, dass sich die Zahl der im Mittelmeer Getöteten weiter erhöht und dass wieder das Foto eines ertrunkene­n Kleinkinde­s um die Welt geht.

Deutschlan­d kann das Sterben stoppen

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