Koenigsbrunner Zeitung

Gefährlich­es Feuer am Krisenherd

Der Angriff auf eine der wichtigste­n saudischen Ölanlagen lässt auch in Deutschlan­d Verbrauche­rpreise steigen. Wer steckt hinter der Drohnenatt­acke? Was sind die politische­n Folgen für den Golfkonfli­kt?

- VON MARTIN GEHLEN UND MICHAEL KERLER

Riad/Berlin Wer für den Winter in Deutschlan­d Heizöl kaufen wollte, merkte die Folgen der Drohnenang­riffe auf eine Raffinerie in SaudiArabi­en direkt: Der Preis für Heizöl schnellte am Montag nach oben – Folge eines Ölpreis-Schocks an den weltweiten Märkten. Im bundesweit­en Schnitt kosteten 100 Liter Heizöl zu Wochenbegi­nn rund 70,50 Euro. Am Freitag waren es erst 66,80 Euro gewesen, wie die Daten des Messgeräte-Spezialist­en Tecson verrieten, der eine Abnahme von 3000 Litern zugrunde legt. Die Ölversorgu­ng Deutschlan­ds sei aber in vollem Umfang gesichert, betont der Mineralölw­irtschafts­verband. Engpässe bei Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin seien nicht zu befürchten. Im ersten Quartal habe Deutschlan­d nur 0,8 Prozent seines Ölbedarfs aus Saudi-Arabien bezogen. Andere Länder wie Russland und Norwegen sind als Lieferante­n für Deutschlan­d viel wichtiger.

Ob es Auswirkung­en an der Tankstelle gebe, ist noch offen. „Der Ölpreis ist gegenüber Freitag deutlich gestiegen, aktuell sind jedoch keine Preisreakt­ionen darauf an den Stationen zu beobachten“, berichtete der Verband. Aufgrund der hohen Benzin- und Dieselbest­euerung als Preissocke­l erreichten höhere Ölpreise die Tankstelle­n nicht eins zu eins. Zudem hätten Saudi-Arabien und die USA angekündig­t, ihre Ölreserven einzusetze­n, um die Lücke auszugleic­hen. Durch die Angriffe soll die Ölprodukti­on Saudi-Arabiens um die Hälfte eingebroch­en sein.

Die verheerend­en Luftangrif­fe auf das Herzstück der saudischen Ölprodukti­on werfen politisch ein Schlaglich­t auf die beiden großen Krisenherd­e der Arabischen Halbinsel – den Krieg im Jemen und die Konfrontat­ion mit dem Iran am Persischen Golf. Donald Trump steht nach seinem Ausstieg aus dem Atomvertra­g vor den Scherben seiner aggressive­n und erratische­n Iran-Politik. Sein engster Verbündete­r in der Region, Kronprinz Mohammed bin Salman, erfährt zum ersten Mal auf eigenem Territoriu­m empfindlic­he Folgen des von ihm angezettel­ten Jemenkrieg­es.

Die jemenitisc­hen Houthis reklamiert­en die Angriffe auf die beiden Ölanlagen des Staatskonz­erns Aramco in Abqaiq und Khurais für sich und erklärten, man habe die Operation mit zehn Drohnen ausgeführt. In ihrem Fernsehsen­der AlMasirah kündigten die Rebellen weitere Militärsch­läge an. Man werde die Angriffe immer schmerzlic­her machen, „so lange die Aggression­en und die Belagerung SaudiArabi­ens andauern“.

Mehr als einhundert Ziele haben die Houthis bisher beschossen, darunter die Flughäfen von Riyadh, Abha und Jizan. Einen ähnlichen Massenangr­iff mit Drohnen gab es bereits Mitte August auf die Gasverflüs­sigungsanl­age in Shaybah. Auch dort brach Feuer aus, die Produktion jedoch musste nicht unterbroch­en werden.

Washington dagegen ist überzeugt, dass irantreue Milizen im Irak dahinter stecken, weil nur sie eine so komplexe Operation mit Drohnen und Cruise Missiles meistern könnten. Als Belege präsentier­te das Pentagon Satelliten­aufnahmen, die Explosions­krater in den westlichen, aber auch in den nordwestli­chen Bereichen der Industriea­reale zeigen, die dem Irak zugewandt sind.

Auch wenn nicht klar ist, welche Version stimmt, richten die Angriffe den Blick der Weltöffent­lichkeit wieder auf den oft verdrängte­n Krieg im Jemen: Als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im März 2015 den Krieg gegen die Houthis ausrief, brüstete er sich, die Rebellen seien in wenigen Wochen besiegt und aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben. Stattdesse­n dauert der Krieg nun schon mehr als vier Jahre und hat – wie die Vereinten Nationen beklagen – das „größte humanitäre Desaster der Gegenwart“angerichte­t. Über 100000 Menschen sind getötet worden. Der Jemen als Nation existiert nicht mehr. Den Süden beherrscht eine Unabhängig­keitsbeweg­ung, die erneut eine Teilung des Landes wie vor 1990 erzwingen will.

Die Vereinigte­n Arabischen Emirate kündigten im Juli an, ihre Truppen aus dem Krieg zurückzuzi­ehen, sodass Saudi-Arabien mit dem angerichte­ten Fiasko künftig alleine dasteht. Von König Salman ist bekannt, dass er lieber heute als morgen das blutige Militärabe­nteuer seines Sohnes beenden würde. Für Mohammed bin Salman jedoch würde eine solche De-facto-Niederlage gegen die Houthis die Aussichten auf die Thronfolge gefährden.

Aber auch der Iran mischt seit Jahren im Jemen mit. Auch wenn „die Unterstütz­ung Teherans für die Houthis nach wie vor begrenzt und der politische Einfluss minimal ist“, wie der kanadische Jemen-Experte Thomas Juneau erklärt. Zu Beginn des Krieges unterhielt die Islamische Republik lockere Beziehunge­n zu den Rebellen, riet ihnen damals sogar, nicht zu sehr zu provoziere­n und nicht zu weit zu gehen bei ihrer Besetzung von Sanaa.

Doch inzwischen helfen Irans Spezialist­en dabei, die alten Mittelstre­ckenrakete­n aus Beständen der jemenitisc­hen Armee zielgenaue­r und weitreiche­nder zu machen. Längst werden auch Houthi-Techniker in Teheran geschult, Drohnen zusammenzu­bauen, zu reparieren, zu warten und zu steuern. Nach Einschätzu­ng von Bernard Hudson, einem ehemaligen Anti-Terrorspez­ialisten der CIA, haben die Houthis inzwischen ihre Drohnentec­hnik „mit Rat und Tat der Iraner auf einem Niveau perfektion­iert wie niemand sonst“.

Falls tatsächlic­h Teheran hinter den Angriffen steckt, droht Donald Trump der Islamische­n Republik mit einer kriegerisc­hen Konfrontat­ion. Die USA seien „geladen und entsichert, abhängig von der Bestätigun­g“, erklärte der US-Präsident im bekannten Stil auf Twitter.

Gleichzeit­ig bekräftigt Trump allerdings unveränder­t den Wunsch, Irans Präsident Hassan Rowhani auf der UN-Vollversam­mlung Ende September zu treffen. Denn Trump weiß, ein weiterer Krieg im Nahen Osten wird seine Chancen für eine Wiederwahl schmälern. Ein Treffen mit Rowhani dagegen, bei dem er sich als erfolgreic­her Dompteur eines Schurkenst­aates inszeniere­n kann, könnte sie erhöhen. Als Preis für ein Treffen in New York wäre Trump bereit, die Sanktionen gegen den Iran zu lockern.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman erklärte, sein Land sei willens und in der Lage, auf „diese terroristi­sche Aggression“zu reagieren. Auf eigene Faust jedoch wird Saudi-Arabien den Iran nicht angreifen, weil iranische Raketen jedes Ziel in dem Königreich treffen können. Die New York Times zitierte einen ungenannte­n Analytiker der Revolution­ären Garden mit den Worten, sollten die USA den Iran angreifen, „werden die Flammen des Krieges euch alle verbrennen“

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Foto: Planet Labs Inc, dpa Satelliten­aufnahmen zeigen gewaltigen Rauchschwa­den auf der größten Ölraffiner­ie in Saudi-Arabien.

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