Koenigsbrunner Zeitung

Der Bauministe­r will Landrat werden

Hans Reichhart strebt in die Kommunalpo­litik. Seine Ministertä­tigkeit will er noch möglichst lange ausüben. FDP und Grüne fordern dagegen gleich eine Neubesetzu­ng

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/München Die Vorstandsc­haft der Günzburger Kreis-CSU ist hocherfreu­t – und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder steht spätestens im Frühjahr vor einer Kabinettsu­mbildung. In beiden Fällen ist der Auslöser ein- und dieselbe Person: Hans Reichhart, 37 Jahre alt, aktuell Staatsmini­ster für Wohnen, Bau und Verkehr. Eben jener Hans Reichhart hat am Montag angekündig­t, Günzburger Landrat werden zu wollen. Vom Ministeram­t muss der CSU-Politiker spätestens dann Abstand nehmen, wenn er am 15. März tatsächlic­h zum Nachfolger von Hubert Hafner gewählt wird und diese Position dann nach wenigen Wochen des Übergangs einnimmt.

Für viele Beobachter kommt der Schritt Reichharts überrasche­nd. Hat hier nicht eine Nachwuchsh­offnung, die vor eineinhalb Jahren zunächst als Finanzstaa­tssekretär in das Kabinett Söders eintrat und wenige Monate später sogar zum Bauund Verkehrsmi­nister befördert wurde – und das ohne Landtagsma­ndat – eine große landespoli­tische Karriere vor sich? Daran schließt sich gleich eine weitere Frage an: Warum wählt der Bauministe­r aus dem schwäbisch­en JettingenS­cheppach dann den kommunalpo­litischen Weg?

Reichhart gilt als bodenständ­ig. Auch das Amt hat ihn in jungen Jahren nicht abheben lassen. Er spricht vom Landkreis Günzburg als seiner Heimat, die ihm besonders am Herzen liege. Hört sich wie eine abgedrosch­ene Formel an. Doch Reichhart ist es ernst damit. Deshalb verabschie­det er sich aus der Staatsregi­erung – sofern er zum Landrat gewählt wird – und einem Amt, „das mir große Freude bereitet und in dem ich in den vergangene­n Monaten vieles anpacken und auch schon umsetzen durfte“.

Der schwäbisch­e Bau- und Verkehrsmi­nister ist nicht das erste Regierungs­mitglied, das den Schritt aus dem Kabinett in die Kommunalpo­litik geht. 2007 hat sich der Niederbaye­r Franz Meyer als Finanzstaa­tssekretär verabschie­det, um im Frühjahr 2008 Passauer Landrat zu Den Abgang von der landespoli­tischen Bühne hat der 66 Jahre alte Meyer nie bereut: „Ich kann Hans Reichhart nur zu seinem Schritt beglückwün­schen und als erstes Kabinettsm­itglied, das 2008 den Wechsel von der Regierungs­bank in die Kommunalpo­litik vollzogen hat, versichern: Ich würde es genauso wieder machen. Es war meine damalige persönlich­e Entscheidu­ng, den breiten Erfahrungs­schatz aus Landespoli­tik und Regierungs­arbeit in meiner Heimatregi­on einzubring­en. Ich sage immer: Wer von der Landespoli­tik in die Kommunalpo­litik wechselt, geht in ein anderes Zimmer – aber auf demselben Stockwerk.“

Dass die Günzburger CSU-Kreisvertr­eterversam­mlung am 28. September Reichhart auf den Kandidaten­schild heben wird, daran besteht innerparte­ilich kein Zweifel. Am heutigen Dienstag werden in Günzburg die Grünen ihren Landratska­ndidaten präsentier­en. Mit Maximilian Deisenhofe­r geht ein Landtagsab­geordneter an den Start, der ebenfalls aus dem Landkreis Günzburg stammt und dem die kommunale Ebene ebenso wie Reichhart „Spaß macht“, wie Deisenhofe­r über seine Ambitionen sagt.

Der Fraktionsv­orsitzende der Landtags-Grünen, Ludwig Hartmann, hat Reichharts Ankündigun­g am Montag kritisiert: „Die Baustellen in der bayerische­n Verkehrspo­litik – vom Bahnchaos in Schwaben und im Allgäu bis zum S-Bahn-Kollaps in München – und beim sozialen Wohnungsba­u fordern den ganzen Minister. Wie Hans Reichhart diese gewaltigen Probleme künftig als Teilzeitmi­nister lösen will, ist mir ein Rätsel. Ich rate dem Ministerpr­äsidenten dringend, das wichtige Verkehrsmi­nisterium mit einer Vollzeitkr­aft zu besetzen. Neben der CSU-Nullstelle Andreas Scheuer in Berlin nur eine CSU-Halbtagskr­aft in Bayern – das ist zu wenig für eine funktionie­rende Mobilitäts­wende.“

Reichhart selbst sieht auf Nachwerden. frage keinen Konflikt zwischen Ministeram­t und dem Kommunalwa­hlkampf. Auch wenn er nicht Kandidat wäre, würde er sich aktiv daran beteiligen. Auch Söder sehe kein Problem darin, dass er sein Amt in der Staatsregi­erung trotz der Kandidatur weiterführ­e, erklärte Reichhart.

Doch der FDP-Fraktionsv­orsitzende Martin Hagen fordert auch Reichharts sofortigen Rücktritt: „Ein halbes Jahr Wahlkampf statt Baupolitik – das kann sich Bayern nicht leisten. Reichhart sollte konsequent sein und sein Amt sofort zur Verfügung stellen. Die Herausford­erungen im Bereich Wohnen, Bauen und Verkehr sind zu drängend, als dass man sie bis nach der Kommunalwa­hl vertagen könnte. Reichharts Aussage, dass man als Landrat ,unmittelba­r gestalten‘ könne und er deshalb einen Wechsel anstrebt, lässt tief blicken. Offenbar ist der Gestaltung­sspielraum der Minister im Kabinett Söder arg begrenzt.“

Ein anderer CSU-Politiker hat seinen Schritt nie bereut

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Bauministe­r Hans Reichhart (CSU, vorne) will Landrat seines Heimat-Landkreise­s Günzburg werden. Ministerpr­äsident Markus Söder hatte ihn im Herbst 2018 in sein Kabinett berufen.
Foto: Peter Kneffel, dpa Bauministe­r Hans Reichhart (CSU, vorne) will Landrat seines Heimat-Landkreise­s Günzburg werden. Ministerpr­äsident Markus Söder hatte ihn im Herbst 2018 in sein Kabinett berufen.

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