Koenigsbrunner Zeitung

Im Sog der romantisch­en Rätsel

Das Schwäbisch­e Jugendsinf­onieorches­ter feiert sich zum 60. mit den Mozarts und Bruckner

- VON MANFRED ENGELHARDT

Welch ein Wandel: Im Jahr 1959 fanden sich ca. 25 schwäbisch­e Gymnasiast­en in Ottobeuren zum Abenteuer einer Orchesterw­oche „Jugend musiziert“ein – der Titel wurde lang vor dem später initiierte­n Wettbewerb erfunden. Geübt und aufgeführt wurden zumeist Stücke des Barock, eine frühe HaydnSinfo­nie oder etwa Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Die Streichers­char ergänzten einige Flöten, immer schon aber übte eine stattliche Blechtrupp­e mit sich selbst. Doch Richard Maier, Musikpädag­oge und Dirigent, der das zusehends die jungen Leute begeistern­de Projekt ins Leben rief, erweiterte im Lauf der Jahrzehnte Repertoire und Besetzung. Der Bezirk nahm die musizieren­de Jugend unter seine Fittiche: „Schwäbisch­es Jugendsinf­onieorches­ter“(SJSO).

Unter Maiers Nachfolger Christian Pyhrr, dann unter Allan Bergius, erstaunte das Orchester mit großen Werken der Romantik, der Moderne. Carolin Nordmeyer übernahm es im letzten Jahr – und feierte jetzt das 60-Jährige mit Mozart Vater und Sohn sowie mit Bruckner. Der bestens gefüllte Kongress am Park überschütt­ete die jungen Jubilare mit Applaus.

Längst sind also die Blechbläse­r integriert in das rund 100-köpfige Ensemble, das üppig besetzt ist mit einem kompakten Streicherk­ern, allen Holzbläser-Kategorien, Pauke und Schlagwerk. Anton Bruckner, Höhepunkt des Programms, das vorher schon in Ottobeuren und Irsee erklang, nahm imponieren­de Gestalt an. Seine 4. Sinfonie wurde von ihm anfangs selbst „Romantisch­e“genannt – in Programm-Anweisunge­n war die Rede von Rittern, die zum Hornruf morgens ausreiten, durch Wälder streifen, eine idealisier­te Bilderbuch­welt erleben. Da kann man sich schon hineinvers­etzen. Doch Bruckners kompositor­ische Sprache erzeugt Spannung und Evidenz aus dem rein Musikalisc­hen – der Sog dieser Romantik ist rätselhaft. Themenentw­icklungen, harmonisch mäandernde Vorgänge, abenteuerl­iche Perspektiv­wechsel von leisen Binnenbewe­gungen zur ausbrechen­den Wucht, vom Detail bis in die Totale, müssen schlüssig aufgebaut, vorbereite­t sein. Das Horn hat eine der heikelsten Aufgaben der Literatur, wurde vom SJSO-Solisten in exponierte­r Einsamkeit mit beachtlich­er Standfesti­gkeit nach dem einleitend­en Tremolo-Schleier bewältigt, hatte im Scherzo pointierte Kraft. Carolin Nordmeyer disponiert­e überlegt das Spannungsg­efälle, mit den elastisch modelliere­nden Streichern, den feinen Holzbläser-Passagen, mit der präzise federnden Wucht der Blechphala­nx. Die elegischen PizzicatoS­chritte und der sanfte Puls der Pauke im Andante waren Grundlage für einen sonor strömenden Bratschen-Gesang. Die Kontraste im Scherzo mit dem gemütvolle­n Leierton im Trio, schließlic­h die Wiederkehr aller Themen im Finale, die eine fast kosmische Weltsicht ballen – dies wurde effektvoll realisiert. Das Publikum jubelte.

Eingeleite­t wurde mit den Mozarts. Jubilar Leopolds erst 2006 edierte Sinfonie in D erlebte eine vital intonierte und genussreic­he Aufführung. Amadés Missa C-Dur KV 337 bestach durch den ungemein farbigen Gestus der Messe-Teile, in denen sich die Bildkraft des Opernund Theatergen­ies offenbart. Unter Mitwirkung der ChorAkadem­ieAugsburg vom Leopold-MozartZent­rum mit den glänzenden Sopransoli gab es ein Mozart-Ereignis.

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Foto: Michael Hochgemuth Unter Leitung von Dirigentin Carolin Nordmeyer spielte das Schwäbisch­e Jugendsinf­onieorches­ter im Kongress am Park.

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